Dienstag, 21. April 2009
Saga Þórarinssona (II)
Den Winter 1253/54 verbrachte Gissur Þorvaldsson in seinem Stammland im Süden. Þorvarðr aber ritt mit Gefolge zu Eyjólfur Ofsi, dem Anführer der “brenna” auf Flugumýri, und mit vereinten Kräften unternahmen sie einen Rache- und Plünderungszug durch das Nordland zum Skagafjörður.
Oddr Þórarinsson hingegen suchte im nächsten Frühjahr Gissur auf und bot ihm seine Hilfe an. Damit standen die beiden Brüder also in feindlichen Lagern, und es stellt sich die Frage, warum. Schon zu Beginn ihrer Geschichte heißt es einmal, daß sie nicht immer einer Meinung gewesen seien, und das könnte eine der typischen Untertreibungen des Sagastils sein. Vielleicht brachten sie aber mehr noch unterschiedliche Interessen oder Loyalitäten dazu, verschiedene Seiten zu wählen. Þórvarðr fühlte sich offenbar zur Vergeltung für den einige Zeit bei ihm Gastrecht genießenden Kolbeinn verpflichtet. Oddr, frei von solchen Verpflichtungen, mag sich dagegen mehr von Gissur versprochen haben, der ohnehin der mächtigste Mann auf der Insel war (zumindest so lange Þórðr Kakali außer Landes blieb) und überdies noch den norwegischen König im Rücken hatte. Außerdem lag sein Machtbereich im Nord- und Südland seinem eigenen Godentum im Osten näher als der der Sturlungen im Westen, und Gissur war sicher eher in der Lage, Oddr eventuell gegen Widersacher im eigenen Landesteil zur Seite zu stehen. Oder ist vielleicht denkbar, daß die Brüder nicht in erster Linie aus persönlichen Interessen, sondern zum Besten ihrer Familie abgesprochen handelten? Wenn sie sich mit beiden Parteien verbündeten, würde, egal welche den sich zuspitzenden Bürgerkrieg um die Herrschaft über Island am Ende für sich entschied, einer von ihnen und damit die Familie zu den Siegern zählen. Wie so oft überläßt es der sich objektiv gebende Stil der Saga dem Leser, sich einen Reim auf die hinter den Handlungen liegenden Motive zu machen. Es war jedenfalls keineswegs so, daß die Brüder nicht mehr miteinander reden konnten. Im Gegenteil.
Gissur, den Bischof Heinrich mit fast unerklärlichem Rigorismus plötzlich wegen seines Rachefeldzugs gegen die Brandstifter und Mörder seiner nächsten Angehörigen aus der Kirche verstoßen hatte, erklärte Oddr, er wolle im Sommer nach Norwegen fahren, um sich bei König Hákon zu rehabilitieren. Und er bat Oddr, für die Zeit seiner Abwesenheit sein Statthalter zu sein. Oddr reagierte zunächst eher ablehnend. Doch zu Ostern ritten sie an der Spitze eines Heers von 300 Mann gemeinsam in den Norden.
Die Sturlungen dort flüchteten zu den Schiffen; Þorvarðr aber, der sich bei ihnen aufhielt, traf sich zu einer Unterredung mit seinem Bruder. Aus ihrem Vermittlungsversuch wurde allerdings nichts. Gissur erhob formal Klage gegen die Teilnehmer an dem Überfall auf sein Haus und installierte Oddr als seinen Stellvertreter auf Flugumýri. Þorvarðr kehrte unbehelligt in den Osten zurück. Einen der Anstifter der brenna tötete Oddr auf einem Zug gegen die kleine Insel Grímsey am Polarkreis. Auf dem Althing im Sommer wurden Eyjólfur Ofsi und 15 Mittäter schuldig gesprochen. Danach schiffte sich Gissur nach Norwegen ein, und Oddr zog als sein Statthalter zurück in den Norden, wo er nach Aussage der Quellen mit viel Zustimmung aufgenommen wurde. Wahrscheinlich sahen die Bauern in ihm einen starken Beschützer vor weiteren Übergriffen. Den nächsten veranstaltete Oddr allerdings selbst: vom Hof eines der Schuldiggesprochenen ließ er mit der Begründung, es sei Bußgeld, alles Vieh wegtreiben und schlachten. Bischof Heinrich fürchtete inzwischen die Macht Gissurs und seines Statthalters mehr als die der Sturlungen und belegte auch Oddr für diesen Raubzug mit dem Kirchenbann.
In Island besaß die Kirche zu jener Zeit jedoch noch längst nicht die Macht, die weltlichen Großen gegen ein Interdikt keine andere Wahl gelassen hätte, als barfuß nach Canossa zu gehen. Oddr jedenfalls kam beritten und mit dreißig Mann zum Fest der Kreuzerhöhung nach Fagranes, wo der Bischof eine Kirche weihen wollte.
“‘Ich bin hierher gekommen, Herr‘, sagt er, ‘weil ich will, daß wir uns vergleichen. Meinerseits will ich anbieten, daß ich und meine Leute die Gegend verlassen, wenn Euch das besser gefällt; Ihr aber versprecht mir im Gegenzug, daß die Mordbrenner nicht in die Gegend einrücken, damit den Bauern hier kein Schade geschieht.‘ Der Bischof erklärt, das nicht garantieren zu können, und fordert Oddr auf, die Gegend zu verlassen und nach Osten in die Fjorde zurückzukehren. Oddr erklärt, das nicht zu tun. ‘Und du bedauerst es wenig, daß auf Flugumýri Menschen verbrannt wurden‘, sagt er. Der Bischof entgegnet: ‘Das bedauere ich sehr wohl, ebenso wie ich bedauere, daß deine Seele in der Hölle brennen wird.‘
Darauf drängten Oddr und seine Männer auf das Podest und legten Hand an den Bischof. Der aber hatte ein drückendes Geschwür, und es tat ihm weh, als sie ihn anfaßten.” (Sturl.s., Kap. 271)
Oddr nahm den Bischof mit sich und hielt ihn auf Flugumýri tagelang in Haft, bis den Leuten wegen dieser Freveltat gegen den höchsten Geistlichen im Land angst und bange um ihr Seelenheil wurde, und sie sich zusammenrotteten, um ihn zu befreien. Oddr wurde die bevorstehende Aktion heimlich verraten, und er ließ den Bischof laufen. Er selbst zog sich über Winter nach Valþjófsstaðir zurück. (“Es wird nicht erwähnt, daß er und Þorvarðr sich besucht hätten”, heißt es in der Saga.)
Oddr Þórarinsson hingegen suchte im nächsten Frühjahr Gissur auf und bot ihm seine Hilfe an. Damit standen die beiden Brüder also in feindlichen Lagern, und es stellt sich die Frage, warum. Schon zu Beginn ihrer Geschichte heißt es einmal, daß sie nicht immer einer Meinung gewesen seien, und das könnte eine der typischen Untertreibungen des Sagastils sein. Vielleicht brachten sie aber mehr noch unterschiedliche Interessen oder Loyalitäten dazu, verschiedene Seiten zu wählen. Þórvarðr fühlte sich offenbar zur Vergeltung für den einige Zeit bei ihm Gastrecht genießenden Kolbeinn verpflichtet. Oddr, frei von solchen Verpflichtungen, mag sich dagegen mehr von Gissur versprochen haben, der ohnehin der mächtigste Mann auf der Insel war (zumindest so lange Þórðr Kakali außer Landes blieb) und überdies noch den norwegischen König im Rücken hatte. Außerdem lag sein Machtbereich im Nord- und Südland seinem eigenen Godentum im Osten näher als der der Sturlungen im Westen, und Gissur war sicher eher in der Lage, Oddr eventuell gegen Widersacher im eigenen Landesteil zur Seite zu stehen. Oder ist vielleicht denkbar, daß die Brüder nicht in erster Linie aus persönlichen Interessen, sondern zum Besten ihrer Familie abgesprochen handelten? Wenn sie sich mit beiden Parteien verbündeten, würde, egal welche den sich zuspitzenden Bürgerkrieg um die Herrschaft über Island am Ende für sich entschied, einer von ihnen und damit die Familie zu den Siegern zählen. Wie so oft überläßt es der sich objektiv gebende Stil der Saga dem Leser, sich einen Reim auf die hinter den Handlungen liegenden Motive zu machen. Es war jedenfalls keineswegs so, daß die Brüder nicht mehr miteinander reden konnten. Im Gegenteil.
Gissur, den Bischof Heinrich mit fast unerklärlichem Rigorismus plötzlich wegen seines Rachefeldzugs gegen die Brandstifter und Mörder seiner nächsten Angehörigen aus der Kirche verstoßen hatte, erklärte Oddr, er wolle im Sommer nach Norwegen fahren, um sich bei König Hákon zu rehabilitieren. Und er bat Oddr, für die Zeit seiner Abwesenheit sein Statthalter zu sein. Oddr reagierte zunächst eher ablehnend. Doch zu Ostern ritten sie an der Spitze eines Heers von 300 Mann gemeinsam in den Norden.
Die Sturlungen dort flüchteten zu den Schiffen; Þorvarðr aber, der sich bei ihnen aufhielt, traf sich zu einer Unterredung mit seinem Bruder. Aus ihrem Vermittlungsversuch wurde allerdings nichts. Gissur erhob formal Klage gegen die Teilnehmer an dem Überfall auf sein Haus und installierte Oddr als seinen Stellvertreter auf Flugumýri. Þorvarðr kehrte unbehelligt in den Osten zurück. Einen der Anstifter der brenna tötete Oddr auf einem Zug gegen die kleine Insel Grímsey am Polarkreis. Auf dem Althing im Sommer wurden Eyjólfur Ofsi und 15 Mittäter schuldig gesprochen. Danach schiffte sich Gissur nach Norwegen ein, und Oddr zog als sein Statthalter zurück in den Norden, wo er nach Aussage der Quellen mit viel Zustimmung aufgenommen wurde. Wahrscheinlich sahen die Bauern in ihm einen starken Beschützer vor weiteren Übergriffen. Den nächsten veranstaltete Oddr allerdings selbst: vom Hof eines der Schuldiggesprochenen ließ er mit der Begründung, es sei Bußgeld, alles Vieh wegtreiben und schlachten. Bischof Heinrich fürchtete inzwischen die Macht Gissurs und seines Statthalters mehr als die der Sturlungen und belegte auch Oddr für diesen Raubzug mit dem Kirchenbann.
In Island besaß die Kirche zu jener Zeit jedoch noch längst nicht die Macht, die weltlichen Großen gegen ein Interdikt keine andere Wahl gelassen hätte, als barfuß nach Canossa zu gehen. Oddr jedenfalls kam beritten und mit dreißig Mann zum Fest der Kreuzerhöhung nach Fagranes, wo der Bischof eine Kirche weihen wollte.
“‘Ich bin hierher gekommen, Herr‘, sagt er, ‘weil ich will, daß wir uns vergleichen. Meinerseits will ich anbieten, daß ich und meine Leute die Gegend verlassen, wenn Euch das besser gefällt; Ihr aber versprecht mir im Gegenzug, daß die Mordbrenner nicht in die Gegend einrücken, damit den Bauern hier kein Schade geschieht.‘ Der Bischof erklärt, das nicht garantieren zu können, und fordert Oddr auf, die Gegend zu verlassen und nach Osten in die Fjorde zurückzukehren. Oddr erklärt, das nicht zu tun. ‘Und du bedauerst es wenig, daß auf Flugumýri Menschen verbrannt wurden‘, sagt er. Der Bischof entgegnet: ‘Das bedauere ich sehr wohl, ebenso wie ich bedauere, daß deine Seele in der Hölle brennen wird.‘
Darauf drängten Oddr und seine Männer auf das Podest und legten Hand an den Bischof. Der aber hatte ein drückendes Geschwür, und es tat ihm weh, als sie ihn anfaßten.” (Sturl.s., Kap. 271)
Oddr nahm den Bischof mit sich und hielt ihn auf Flugumýri tagelang in Haft, bis den Leuten wegen dieser Freveltat gegen den höchsten Geistlichen im Land angst und bange um ihr Seelenheil wurde, und sie sich zusammenrotteten, um ihn zu befreien. Oddr wurde die bevorstehende Aktion heimlich verraten, und er ließ den Bischof laufen. Er selbst zog sich über Winter nach Valþjófsstaðir zurück. (“Es wird nicht erwähnt, daß er und Þorvarðr sich besucht hätten”, heißt es in der Saga.)
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