Freitag, 10. Juli 2009
Gamla stan
Noch viel mehr Touristen sind jenseits der Brücke auf der Altstadtinsel unterwegs. Durch die Västerlånggata schieben sie sich vom Reichstag bis Järntorget oder Slussen an der Spitze der Insel und, oft Ellbogen an Ellbogen, durch die Österlånggata wieder zurück zu dem häßlich flußschlammbraunen Schloß, das wie eine überdimensionierte Kaaba die Hauptzugänge zur Altstadt und von den umliegenden Ufern aus auch ihre Ansicht dominiert. Mit den gleichförmigen und schier nicht enden wollenden Fassaden seiner vier Flügel auf massigen Quadersockeln beansprucht dieser Monolith eine Ausdehnung für sich, die im Kontrast zu den direkt anschließenden engen Gassen der Altstadt einen geradezu brutalen Machtgestus darstellt. Hier hat jemand von Absolutismus durchdrungen richtig die Ellbogen ausgefahren und die Bürger seiner Stadt auf noch engeren Raum zusammengeschoben.
In den schmalsten Gassen zwischen den hohen alten Pack- und Wohnhäusern muß dagegen selbst ein einzelner Passant noch die Ellbogen anlegen. An manchen Häusern sind die Innenseiten der Schlagläden verspiegelt, damit man sie jeweils so weit öffnen kann, daß sie ein paar Sonnenstrahlen in der Gasse einfangen und ins Innere der Räume reflektieren.
Die älteste namentlich bekannte ist die Straße der Kaufleute, Köpmangatan, die vom Großmarkt (Stortorget) zum Osttor in der ehemaligen Stadtmauer und dem davor liegenden Schiffslandeplatz hinabführte. Wie in Lübeck die Gruben ziehen sich auch in Gamla stan viele schmale Gäßchen vom erhöhten Rücken im Zentrum beiderseits zum Wasser hinab. Der Vergleich mit Lübeck ist nicht zufällig. Die Hansestadt war schon Mitte des 13. Jahrhunderts die erste, die mit Stockholm ein Handelsabkommen schloß. Lübische Kaufleute bekamen nicht nur ihre eigene Gildehalle, aus der später die deutsche Kirche erwuchs, sie beteiligten sich in so großer Zahl und mit solchem Einfluß am Stadtregiment, daß eigens gesetzlich festgelegt werden mußte, daß sie im Rat der Stadt höchstens die Hälfte aller Sitze einnehmen durften. Die 1612 gegründete deutsche Schule besteht bis heute.
Nach 1490 ließ Reichsverweser Sten Sture d.Ä. Bernt Notke, den besten und berühmtesten Maler Lübecks und des gesamten Ostseeraums, nach Stockholm kommen. Er hatte zuvor die Lübecker Marienkirche mit dem berühmten Totentanz ausgemalt, den Flügelaltar des Doms in Aarhus und das Retabel der Heiliggeistkirche in Reval (Tallin) geschnitzt. In Stockholm fertigte er zu Ehren von Sten Stures Sieg über ein Unionsheer unter König Christian I. am 10.10.1471 auf dem Brunkeberg vor Stockholms Toren die monumentale Holzskulptur “St. Georg und der Drache” an, die symbolisiert, wie Sten Sture in Gestalt des Heiligen den bösen dänischen Drachen niederreitet.
Das Original steht in der Storkyrka, ein Bronzeabguß auf dem Köpmantorget. Draußen in den Straßenschluchten wechseln tiefe Schlagschatten ohne Übergang mit grell blendenen Sonnenbahnen. Seitdem man im 18. Jahrhundert beschloß, die Häuser zu verputzen und in toskanischen Terrakottafarben zu streichen, scheint auch bei bewölktem Himmel immer ein warmer sonniger Ton von den Fassaden auszustrahlen. Dazu paßt es gut, daß auch Stockholmer Cafés seit Jahren in südländischer Manier sommers Tische und Stühle nach draußen stellen, wo immer sich ein wenig Raum dazu bietet. Auf Järntorget zum Beispiel, wo seit 1785 Sundbergs Konditori Kaffee ausschenkt. Und zwar immer noch nach der alten gastfreundlichen Manier, derzufolge man für die erste Tasse zahlt und anschließend nachfüllen darf, bis der Magen in die Knie geht. (Schweden wissen natürlich, daß es als unhöflich und vulgär gierig gilt, mehr als zweimal nachzuschenken.) Teile der ursprünglichen Rokokoeinrichtung im Café scheinen bis auf den heutigen Tag überdauert zu haben. Die Kuchenvitrine sieht selbst aus wie eine mehrstöckige Torte. Und was sich darin alles zum Verschlemmen anbietet... Ich sage nur Prinsesstårta! Leicht nussige Sahnecrème umhüllt von einem zarten Mantel aus grünem, puderzuckerüberstäubtem Pistazienmarzipan. -
In den schmalsten Gassen zwischen den hohen alten Pack- und Wohnhäusern muß dagegen selbst ein einzelner Passant noch die Ellbogen anlegen. An manchen Häusern sind die Innenseiten der Schlagläden verspiegelt, damit man sie jeweils so weit öffnen kann, daß sie ein paar Sonnenstrahlen in der Gasse einfangen und ins Innere der Räume reflektieren.
Die älteste namentlich bekannte ist die Straße der Kaufleute, Köpmangatan, die vom Großmarkt (Stortorget) zum Osttor in der ehemaligen Stadtmauer und dem davor liegenden Schiffslandeplatz hinabführte. Wie in Lübeck die Gruben ziehen sich auch in Gamla stan viele schmale Gäßchen vom erhöhten Rücken im Zentrum beiderseits zum Wasser hinab. Der Vergleich mit Lübeck ist nicht zufällig. Die Hansestadt war schon Mitte des 13. Jahrhunderts die erste, die mit Stockholm ein Handelsabkommen schloß. Lübische Kaufleute bekamen nicht nur ihre eigene Gildehalle, aus der später die deutsche Kirche erwuchs, sie beteiligten sich in so großer Zahl und mit solchem Einfluß am Stadtregiment, daß eigens gesetzlich festgelegt werden mußte, daß sie im Rat der Stadt höchstens die Hälfte aller Sitze einnehmen durften. Die 1612 gegründete deutsche Schule besteht bis heute.
Nach 1490 ließ Reichsverweser Sten Sture d.Ä. Bernt Notke, den besten und berühmtesten Maler Lübecks und des gesamten Ostseeraums, nach Stockholm kommen. Er hatte zuvor die Lübecker Marienkirche mit dem berühmten Totentanz ausgemalt, den Flügelaltar des Doms in Aarhus und das Retabel der Heiliggeistkirche in Reval (Tallin) geschnitzt. In Stockholm fertigte er zu Ehren von Sten Stures Sieg über ein Unionsheer unter König Christian I. am 10.10.1471 auf dem Brunkeberg vor Stockholms Toren die monumentale Holzskulptur “St. Georg und der Drache” an, die symbolisiert, wie Sten Sture in Gestalt des Heiligen den bösen dänischen Drachen niederreitet.
Das Original steht in der Storkyrka, ein Bronzeabguß auf dem Köpmantorget. Draußen in den Straßenschluchten wechseln tiefe Schlagschatten ohne Übergang mit grell blendenen Sonnenbahnen. Seitdem man im 18. Jahrhundert beschloß, die Häuser zu verputzen und in toskanischen Terrakottafarben zu streichen, scheint auch bei bewölktem Himmel immer ein warmer sonniger Ton von den Fassaden auszustrahlen. Dazu paßt es gut, daß auch Stockholmer Cafés seit Jahren in südländischer Manier sommers Tische und Stühle nach draußen stellen, wo immer sich ein wenig Raum dazu bietet. Auf Järntorget zum Beispiel, wo seit 1785 Sundbergs Konditori Kaffee ausschenkt. Und zwar immer noch nach der alten gastfreundlichen Manier, derzufolge man für die erste Tasse zahlt und anschließend nachfüllen darf, bis der Magen in die Knie geht. (Schweden wissen natürlich, daß es als unhöflich und vulgär gierig gilt, mehr als zweimal nachzuschenken.) Teile der ursprünglichen Rokokoeinrichtung im Café scheinen bis auf den heutigen Tag überdauert zu haben. Die Kuchenvitrine sieht selbst aus wie eine mehrstöckige Torte. Und was sich darin alles zum Verschlemmen anbietet... Ich sage nur Prinsesstårta! Leicht nussige Sahnecrème umhüllt von einem zarten Mantel aus grünem, puderzuckerüberstäubtem Pistazienmarzipan. -
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