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Dienstag, 14. Juli 2009
Schwedens Anakreon
Über Bellman ist längst alles herausgefunden und gesagt, was sich sagen läßt. Am kürzesten auf den Punkt gebracht vielleicht von Ernst Moritz Arndt in seinen Historischen Charakterschilderungen:
“Bellman ist einer der außerordentlichsten Menschen, die je gelebt haben. Er war ein ächter Improvisator, oder richtiger gesagt, ein ächter Inspirirter: keine Gelehrsamkeit, keine Vorbereitung, kein Verlangen zu glänzen. Er war gern in Trinkgesellschaften und frohen Kreisen, in denen er sich oft zu bacchantischen Freuden hinreißen ließ. Bei diesen Gelagen kam Apollo‘s heilige Verzückung über ihn, und fast alle seine Gesänge waren die Kinder solcher Augenblicke. Wenn ihn der Wein in poetische Stimmung versetzt hatte, suchte er sich zuerst die Melodie zu seinem Liede, trug dieselbe vor, indem er der verschiedenen Instrumente Klang mit Mund und Fingern nachmachte, und sang dazu, was die inspirierende Muse ihm eingab. So improvisierte er halbe Nächte.”
Doch weil er nie mit Geld umgehen konnte und auch die kleine Pension, die ihm der König schließlich aussetzte, nie reichte, lebte er mit seiner siebzehn Jahre jüngeren Frau und vier Kindern zeitlebens in bescheidenen bis ärmlichen Verhältnissen. Schon tuberkulosekrank mußte er 1794 für Monate ins Schuldgefängnis. Von dort schrieb er unter dem Absender “Königliches Schloß” einen langen Brief an einen Doktor Blad, der auch eine kurze und launige autobiografische Skizze enthält: “Man wird mir zugestehen, daß ich ein Herr von sehr wenig Tiefsinnigkeit bin... daß ich keinem Wesen in der Natur übel will, daß ich unendlich einen edlen Mann, aber mit unauslöschlichen Flammen die Frauen und kleine, artige Kinder liebe, daß ich mit Appetit esse, wenig, aber gut: Sonntags Kohl, Donnerstags Erbsen und Samstags Hering.”

Beigelegt war auch diese Zeichnung mit den Versen
An Bruder Elfman den 1. Mai 1794
Erster Mai – so seh ich aus,
als spukte ich im Haus,
doch bevor ins Grab ich fahr,
rauche ich noch dieses Jahr.
Das schaffte er gerade noch. Am 11. Februar 1795 starb er eine Woche nach seinem 55. Geburtstag.


Das Beste, um dem Improvisationsgenie Bellman näher zu kommen, ist natürlich immer noch, seine Texte und seine Musik zu hören. Glücklicherweise sind beide überliefert. Noten zu drucken, wurde in Schweden erst gegen Ende seines Lebens möglich. Als der geschäftstüchtige Komponist Olof Åhlström um 1790 die erste Notendruckerei des Landes gründete und den bereits schwindsüchtigen Bellman aufsuchte, um die Melodien seiner Lieder aufzuzeichnen, wurde dieser noch einmal von einem Kreativitätsschub mitgerissen und schrieb einige seiner schönsten Episteln: Haga oder die 82. Epistel Hvila vid denna källa, eine zunächst ganz unbeschwerte Rokokoschäferei, aus deren Hintergrund zum Ende der Tod hervortritt: “Endlich in all dem Grünen / hörst du meinen letzten Abschied tönen...”

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