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Sonntag, 12. Juli 2009
Unsterblicher Bellman
Beim verdaulichen Weiterschlendern nach einem veritablen Stück Prinzessinnentorte entdecke ich im Schaufenster eines Antiquariats eine kleine Typologie der Mauerankerformen in der Altstadt. Sie änderten sich mit dem Zeitgeschmack von Generation zu Generation und erlauben gleich auf den ersten Blick eine Altersbestimmung der Häuser. Die Entwicklung verlief von schnörkeligen Barockschleifen zu ganz schlichten Haken der Aufklärung.
Ein solcher Haken in der Aufklärung ist noch immer jedem Schweden bekannt. Wenn man von der Deutschen Kirche durch die Straße der schwarzen Männer kommend auf die Österlånggata trifft und noch ein paar Schritte Richtung Süden geht, steht man vor einem alten ockergelben Haus mit großen, grau gerahmten Fenstern und einem schmiedeeisernen Wirtshausschild: Gyldene Freden. Seit 1722 ließ sich im “Goldenen Frieden” die Stockholmer Künstlerbohème vollaufen. Dadurch geadelt, ist es heute ein vornehmes Restaurant, in dem einmal in der Woche die Mitglieder der Schwedischen Akademie tafeln, in einem Salon, der nach einem Stammkunden des 18. Jahrhunderts benannt ist: Carl Michael Bellman. Seine Lieder und Episteln, 1790/91 drei Jahre vor seinem Tuberkulosetod erstmals gedruckt, sind seitdem nicht tot zu kriegen. Kaum eine schwedische Sängergeneration, die sich an diesen Liedern über Liebe, Suff und Tod nicht versucht hätte. Im 19. Jahrhundert wurden sie erst einmal chemisch gereinigt und schöngesungen wie noch nach dem Zweiten Weltkrieg von dem dänischen Tenor Axel Schiøtz. Dann kamen Sven-Bertil Taube und nach ihm die Liedermacher der 68er-Bewegung: Fred Åkerström und Cornelis Vreeswijk, die einen sehr viel erdnäheren Bellman wieder zum Leben erweckten. Anfang dieses Jahres legte der Schauspieler und Sänger Mikael Samuelson eine komplett neue, laute, rauhe bis rinnsteindreckige Interpretation vor, die zeigt, wie lebendig die Musik Bellmans heute noch sein kann.
Leider habe ich noch keinen Youtube-Clip o.ä. dieser tollen Einspielung gefunden (bei iTunes ist die CD Movitz jedoch zu hören/bekommen); hier aber wenigstens der Text der ersten drei Strophen der 30. Epistel in der recht freien, aber singbaren Übersetzung von H.C. Artmann und Michael Korth:

Trink aus dein Glas, der Tod schon wartet deiner.
Er schleift sein Schwert, will dir ans Leben gar.
Sorg dich nicht! Denk, nur an der Tür erscheint er
Und wartet dort, vielleicht noch ein, zwei Jahr.
Movitz, die Schwindsucht, die bringt dich zu Grabe.
|Zupf die Oktave,
Stimm deine Saiten, sing wie schön es einst war.||

Gelb dein Gesicht, im Fieber deine Wangen,
Gedrückte Brust und plattes Schulterblatt.
Laß sehn die Hand! Die Adern blaue Schlangen,
Feucht und geschwollen jede wie im Bad;
Schweißig die Hand, deine Adern, sie schwellen.
|Spiel Villanellen,
leer deine Flasche, sing und sei nicht fad!||

Himmel, du stirbst, dein Husten macht mir Sorgen.
Trocken dringt er aus deiner Brust so laut.
Weiß ist die Zung, dein Herz so bang verborgen;
Weich wie ein Schwamm sind Sehnen, Mark und Haut.
Atme! - Bäh, welch ein Dunst aus deiner Asche.
|Leih mir die Flasche!
Auf die Gesundheit! - Wer sich jetzt noch traut.||

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