Find more about Weather in Piran, LJ
Samstag, 20. Juni 2009
Schönheitsfehler
auf dem Dach der Oper

Imponierend ist die Architektur dieses Opernhauses, ja. Auch imposant, wenn nicht gar einschüchternd. Jedenfalls werden Menschen vor diesem Bauwerk zu Zwergpinguinen auf einem künstlichen Eisberg. (Wenn es auf den Bildern nach schnödem Beton aussehen sollte, liegt das an den Unzulänglichkeiten meiner digitalen Fotoausrüstung, Herr Schmerles. Daß es sich beim Baumaterial des Osloer Opernhauses tatsächlich um Carraramarmor handelt, ist mittlerweile sogar wikipediakundig.) Sollte es womöglich ein Ausdruck neuer Großkotzigkeit der neureichen Ölscheichs am Oslofjord sein? “Nachholende Kulturnationenbildung” hat es ein Feuilletonist der FAZ wohlwollend und zugleich ein kleines Bißchen herablassend genannt.

Die Verwendung des Marmors war übrigens von Anfang an umstritten. Nationalbewußte Norweger wollten lieber einheimischen Granit verbaut sehen. Doch die Architekten von Snøhetta, die zuvor bereits die norwegische Botschaft in Berlin und die neue Bibliothek von Alexandria gebaut hatten, ließen sich auch von Geologeneinwänden nicht beirren. Die Quittung folgt jetzt auf dem Fuß: Schon vor der Eröffnung des Prachtbaus traten an einigen der zuvor blendend weißen Marmorplatten bereits zahnbelaggelbe Verfärbungen auf. Angeblich unerklärlich, bekundeten die Erbauer ihre Unwissenheit. "Marmor ist ein weiches Material", klärte sie der norwegische Geologe Finn Erik Skaar in der Zeitung Aftenposten auf. "In seine Poren dringt Wasser ein, und Frost setzt dann einen Verwitterungsprozeß in Gang. Die Oper steht an einem Verkehrsknotenpunkt mit hohem CO2-Ausstoß. Verbindet sich das Kohlendioxyd mit Wasser entsteht Kohlensäure, die den Marmor angreift."
"Die Architekten hatten die Vision eines leuchtend weißen Bauwerks", resümiert Stadtantiquar Truls Aslaksby, "aber der Marmor wird durch unser Klima und die Großstadtluft zerstört, und später wird das einmal gräßlich aussehen."

Noch aber strahlt die Fassade wie frisches Gletschereis. Hier noch Aufnahmen aus dem makellosen Inneren. Die Wände zur Garderobe, gestaltet von dem isländischen Künstler Ólafur Elíasson.

Oslo, Oper, Interieur

... comment

 
Stockfisch für den Süden, Carrara für den Norden.
Die «neue Großkotzigkeit der neureichen Ölscheichs am Oslofjord» ist das eine. Alle Welt hat sowas, also dürfen wir nicht hintenanstehen. – Während ich immer wieder irgendwelche Verlautbarungen lese, jede neue norwegische Regierung ginge sehr behutsam mit dem neuverdienten Reichtum um, sprich: der Sicherung der Zukunft aller Norweger. Die andere Sichtweise: Obwohl mittlerweile sogar die Postpostmoderne weltweit hinter uns liegt, können es sich einige (Mode-)Architekten nicht verkneifen, immer noch in dieser nachmodernistischen eklektizistischen Beliebigkeitssuppe mitzuschwimmen (sehr schön: «Roman Abramowitsch [...] Caspar David Friedrich»). Ein guter Architekt wird immer landschaftsbezogen arbeiten, das heißt mit Materialien aus der Gegend. Wer das nicht tut, weil er die Neureichenbegierden von bald wieder in der Versenkung verschwundenen Politikern nicht enttäuschen und an weiteren Aufträgen der Nachfolger dranbleiben will, ist kein guter Architekt, sondern ein Blender; oder auch Ver-Blender, denn unter dem Marmor hält letztlich Beton das Gebäude zusammen. Vom Granit abgesehen, stelle ich mir vor, man hätte es mit dem naheliegenden Holz versucht. Es ist nicht nur erwiesen, wie haltbar auch dieses Material ist, sondern es gibt auch ausreichend Beispiele dafür. Aber klar: Stockfisch für den Süden, Carrara für den Norden. Norge verdensomspennende.

... link  


... comment