Montag, 2. März 2009
B-Day
Bevor ich das Haus vorstelle, muß ich noch an ein freudiges Jubiläum erinnern: gestern vor 20 Jahren war in Island B-Day.
74 Jahre lang hatte auf der für Schmuggler zu weit abgelegenen Insel die Doktrin der Enthaltsamkeits-Taliban geherrscht, der zufolge Bier eine softe Einstiegsdroge und darum oder auch sowieso des Teufels Gebräu sei. Bier war im ganzen Lande nicht erhältlich. Nur die nahe der amerikanischen Militärbasis Wohnenden konnten sich statt eines Taxis schon mal ein "gutes Taxi" bestellen, das dann ein paar Dosen Budweiser aus Beständen der US Army im Kofferraum mitbrachte. Andernorts wurde dafür in Garagen und Schuppen auf dem Lande natürlich umso mehr illegal selbstgebranntes Zeug hergestellt, das einen fast blind machen konnte, das aber trotzdem jedermann bei jedem Anlaß in der Flasche in der Tasche hatte. Die legalisierte, d.h. mit horrenden Steuern belegte Variante davon wurde in den staatlichen Monopolläden mit dem heute für die Kennzeichnung von Giftstoffen verwendeten schwarzen Totenkopfetikett unter dem auch für die Pest geläufigen Markennamen Svarti dauði, "Schwarzer Tod" verkauft.
Am 1.März 1989 hob die isländische Regierung in einer Art legislativen Einladung zum kollektiven Selbstmord das Bierverbot auf. An diesem einen Tag wurden 340.000 Dosen Bier verkauft, also weit mehr als das ganze Land, Säuglinge eingerechnet, damals Einwohner hatte. Drei Tage lang soll mehr oder weniger die ganze Insel geschwankt haben, doch in der Folge haben sich die Trinkgewohnheiten der Isländer stärker zivilisiert.
Wenn ein Isländer früher im Monopolladen eine Flasche Wein zur Hand nahm und das Etikett studierte, grunzte er zufrieden "Guter Wein!", wenn er die Zahl 14% darauf fand. Inzwischen hat sich herumgesprochen, daß man Wein oder Bier auch durchaus zu Genußzwecken und in geringen Mengen, die nicht den Vorsatz des "bis zu den Wurzeln Nässens" erfüllen, trinken kann. Einheimisches Bier ist gegenüber importierten Marken und Spirituosen auf dem Vormarsch: fünf Brauereien stellen inzwischen an die zwanzig Sorten vom weihnachtlichen Jólabjór über Osterbock zu hellem Pils und dunklem Lager her, die allerdings nach wie vor nur im "Ríki", dem Staatsladen, oder in Bars zu saftigen Preisen zu haben sind.
74 Jahre lang hatte auf der für Schmuggler zu weit abgelegenen Insel die Doktrin der Enthaltsamkeits-Taliban geherrscht, der zufolge Bier eine softe Einstiegsdroge und darum oder auch sowieso des Teufels Gebräu sei. Bier war im ganzen Lande nicht erhältlich. Nur die nahe der amerikanischen Militärbasis Wohnenden konnten sich statt eines Taxis schon mal ein "gutes Taxi" bestellen, das dann ein paar Dosen Budweiser aus Beständen der US Army im Kofferraum mitbrachte. Andernorts wurde dafür in Garagen und Schuppen auf dem Lande natürlich umso mehr illegal selbstgebranntes Zeug hergestellt, das einen fast blind machen konnte, das aber trotzdem jedermann bei jedem Anlaß in der Flasche in der Tasche hatte. Die legalisierte, d.h. mit horrenden Steuern belegte Variante davon wurde in den staatlichen Monopolläden mit dem heute für die Kennzeichnung von Giftstoffen verwendeten schwarzen Totenkopfetikett unter dem auch für die Pest geläufigen Markennamen Svarti dauði, "Schwarzer Tod" verkauft.
Am 1.März 1989 hob die isländische Regierung in einer Art legislativen Einladung zum kollektiven Selbstmord das Bierverbot auf. An diesem einen Tag wurden 340.000 Dosen Bier verkauft, also weit mehr als das ganze Land, Säuglinge eingerechnet, damals Einwohner hatte. Drei Tage lang soll mehr oder weniger die ganze Insel geschwankt haben, doch in der Folge haben sich die Trinkgewohnheiten der Isländer stärker zivilisiert.
Wenn ein Isländer früher im Monopolladen eine Flasche Wein zur Hand nahm und das Etikett studierte, grunzte er zufrieden "Guter Wein!", wenn er die Zahl 14% darauf fand. Inzwischen hat sich herumgesprochen, daß man Wein oder Bier auch durchaus zu Genußzwecken und in geringen Mengen, die nicht den Vorsatz des "bis zu den Wurzeln Nässens" erfüllen, trinken kann. Einheimisches Bier ist gegenüber importierten Marken und Spirituosen auf dem Vormarsch: fünf Brauereien stellen inzwischen an die zwanzig Sorten vom weihnachtlichen Jólabjór über Osterbock zu hellem Pils und dunklem Lager her, die allerdings nach wie vor nur im "Ríki", dem Staatsladen, oder in Bars zu saftigen Preisen zu haben sind.
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jean stubenzweig,
Dienstag, 3. März 2009, 03:11
Also ich kenne einige, die auch heute noch einen guten Zug haben. Einer davon steht eigentlich immer unter Strom, und es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, wie der das schafft: als Auslandskorrespondent einer isländischen Zeitung. Ein später Vater wurde er auch noch. Doch die meiste Zeit war er korrespondieren. Nun, ja, wir haben uns eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
Er war zwar ein Exremfall, aber so viel enthaltsamer waren die anderen auch nicht.
Er war zwar ein Exremfall, aber so viel enthaltsamer waren die anderen auch nicht.
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ulfur grai,
Dienstag, 3. März 2009, 12:51
Ich will ja überhaupt nicht in Abrede stellen, daß Isländer auch heute noch kräftig bechern, aber nach meinen Erfahrungen konsumieren sie nicht so regelmäßig Alkohol wie wir Deutsche z.B. Daher kommt es m.E. auch, daß sie dann am Wochenende oder im Ausland (wo Sprit billig zu haben ist) so schnell unter den Tisch sinken. Sie vertragen nicht viel, weil sie den Alkohol nicht so gewohnheitsmäßig im Blut haben. Übrigens gibt es nach meinen Beobachtungen einen sehr wohltuenden Unterschied zwischen betrunkenen Isländern und anderen: Sie werden im besoffenen Kopf fast nie krakeelig oder gar aggressiv, sondern eher so leutselig, daß sie ihren Nächsten an der Theke einfach in den Arm nehmen möchten.
Hier noch ein Zitat aus dem Wikipedia-Artikel über "Trinkkultur in Europa":
"Nach einer Statistik des deutschen Bundesverbandes der Spirituosenindustrie war Luxemburg im Jahr 2000 der europäische Spitzenreiter beim Alkoholkonsum mit 12,1 Litern (reiner Alkohol, berechnet aus dem Konsum verschiedener Alkoholika), gefolgt von Rumänien (11,7), Portugal (10,8) und Irland (10,7). Deutschland lag mit 10,5 Litern auf Platz sechs hinter Tschechien. Großbritannien landete im unteren Mittelfeld mit nur 8,4 Litern. Die Schlusslichter der Statistik waren Island (4,4) und Norwegen (4,3)."
Mein subjektiver Eindruck scheint also eine statistische Bestätigung zu finden. Der geringe Konsum hat sicher mit der abschreckend prohibitiven Steuer- und Preispolitik in den nordischen Ländern zu tun, bestimmt aber auch mit einer noch immer nicht ganz ausgestorbenen und eng mit der Religion und Staatskirche verbundenen Nüchternheitsbewegung. Jedenfalls ist es in Island unter der Woche keinesfalls üblich, zum Essen Alkohol zu trinken, weder Bier noch Wein, was man als Mitteleuropäer natürlich bedauern mag. Aber ein Glas frische Milch oder dieses wunderbar reine Wasser schmecken auch zu dem absolut fangfrischen Fisch. Und dann freut man sich auf das Wochenende.
Hier noch ein Zitat aus dem Wikipedia-Artikel über "Trinkkultur in Europa":
"Nach einer Statistik des deutschen Bundesverbandes der Spirituosenindustrie war Luxemburg im Jahr 2000 der europäische Spitzenreiter beim Alkoholkonsum mit 12,1 Litern (reiner Alkohol, berechnet aus dem Konsum verschiedener Alkoholika), gefolgt von Rumänien (11,7), Portugal (10,8) und Irland (10,7). Deutschland lag mit 10,5 Litern auf Platz sechs hinter Tschechien. Großbritannien landete im unteren Mittelfeld mit nur 8,4 Litern. Die Schlusslichter der Statistik waren Island (4,4) und Norwegen (4,3)."
Mein subjektiver Eindruck scheint also eine statistische Bestätigung zu finden. Der geringe Konsum hat sicher mit der abschreckend prohibitiven Steuer- und Preispolitik in den nordischen Ländern zu tun, bestimmt aber auch mit einer noch immer nicht ganz ausgestorbenen und eng mit der Religion und Staatskirche verbundenen Nüchternheitsbewegung. Jedenfalls ist es in Island unter der Woche keinesfalls üblich, zum Essen Alkohol zu trinken, weder Bier noch Wein, was man als Mitteleuropäer natürlich bedauern mag. Aber ein Glas frische Milch oder dieses wunderbar reine Wasser schmecken auch zu dem absolut fangfrischen Fisch. Und dann freut man sich auf das Wochenende.
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