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Dienstag, 20. März 2018
Ich habe es wieder getan.


Kia ora nach langer Zeit! Vor genau 11 Jahren habe ich aus Anlaß meiner zweiten Neuseeland-Reise dieses Fahrtenbuch begonnen, weil ich mir das Postkartenschreiben an die Lieben daheim ersparen wollte. (Auf der ersten Reise belichtete ich noch richtiges Zelluloid mit einer analogen Spiegelreflexkamera und somit wenig blogtauglich.)

Jetzt habe ich es zu wiederholtem Mal wieder getan und gerade meine vierte Reise durch Neuseeland genossen. Es ist für mich nach wie vor eins der landschaftlich schönsten Länder der Erde. Für Menschen, die an meinem Bericht „Neuseeland 4.0" Interesse haben sollten, läßt er sich in der Fortsetzung dieses Blogs nachlesen. Der Anfang mit der ersten Etappe (Christchurch - Akaroa) findet sich unter dieser Adresse:
https://periplusultra.wordpress.com/2018/01/27/bonjour-akaroa/

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Montag, 4. Juli 2016
Postkarte aus Indien



Ich bin sehr gefangen genommen von der Schönheit der Menschen hier. Sie läßt einen immer wieder über vieles andere hinwegsehen, dabei gibt es in Indien vieles, über das man kaum hinwegsehen kann. Stefan Zweig hat es in der Welt von gestern schon genau auf den Punkt gebracht:

Indien wirkte auf mich unheimlicher und bedrückender als ich gedacht hatte. Ich war erschrocken über das Elend der ausgemergelten Gestalten, den unfreudigen Ernst in den schwarzen Blicken, die oft grausame Monotonie der Landschaft, und vor allem über die starre Schichtung der Klassen und Rassen”.

Bangalore, diese seit Jahren kurz vor dem Kollaps stehende und immer noch weiter wuchernde Megalopolis aus allem zwischen artifiziellen Hightech-Enklaven und Slums in Fäkaliensümpfen, ist nicht dazu angetan, einen mit Indien zu versöhnen, und doch... Ja, es schlagen einem im Alltag auf der Straße „schwarze Blicke” entgegen, aber auch ganz andere, freundliche, weiche, wache... weise, und es hat für mich fast etwas Wundersames, in diesem gnadenlosen Land, dessen Klima, dessen Gesellschaftsordnung, dessen Machtsystem brutalst sein können, Menschen zu begegnen, die es schaffen, auf ihre je eigene Art ganz anders zu sein.



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Dienstag, 29. Dezember 2015
Zum Ende kommen (das wie so oft ein neuer Anfang ist)

Jeder Spaß hat mal ein Ende; so auch dieser hier. Seit acht, bald neun Jahren existiert mein Fahrtenbuch in dieser Form. Ich denke, es reicht. Zeit für einen Neuanfang. Zumal auch wieder für eine Weile eine nicht ganz nahe bis weit ausgreifende Ortsveränderung ansteht: Mit dem Jahreswechsel geht es für einige Monate nach Indien.
Zumindest für die Zeit des Aufenthalts dort soll die Tätigkeit hier ruhen. Neuer Ort, neues Blog. Oder wie es in Peter Handkes Tagebüchern heißt: „Der Ort gibt die Erzählung”. Jedenfalls hoffe ich, daß es so sein wird.
Ich bedanke mich bei allen, die hier mitgelesen haben, für ihre Aufmerksamkeit. Wer von ihnen mag, kann mir weiterhin folgen und im nächsten Jahr meine Eindrücke aus Indien an einem neuen Ort lesen: https://periplusultra.wordpress.com/

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Sonntag, 20. Dezember 2015
Was tun? Flüchtige Gedanken auf dem Weg
Es sieht so aus, als würde ich derzeit zweierlei praktizieren, das aufs Gleiche hinausläuft.
„Teeismus ist ein Kult, gegründet auf die Verehrung des Schönen inmitten der schmutzigen Tatsachen des Alltags [...] ein zarter Versuch, etwas Mögliches zu vollenden in diesem Unmöglichen, das wir Leben nennen.” So Kakuzo Okakura 1906 in seinem Book of Tea. Kult, Kultivierung des Teegenusses ist zweifellos das, was Roland Barthes hinsichtlich der Lust am Text noch mit einem Fragezeichen versehen hat: „Genüsse einer Kaste, Mandarinat?”
Die „Mandarinatspraxis” beschreibt er als eine nur von wenigen geübte Verhaltensweise unter der „gegenwärtigen Konstellation der Kräfte”. Massenverflachung heißt die andere.
„Die Opposition [...] besteht immer und überall zwischen der Ausnahme und der Regel.”
„Um der Entfremdung der gegenwärtigen Gesellschaft entgehen zu können, haben wir nur ein Mittel: die Flucht”. Und zwar die Flucht nach vorn, in etwas Neues, Anderes, denn „die Sprache, die unter dem Schutz der Macht entsteht und sich ausbreitet, ist ihrem Status nach eine Wiederholungssprache; alle offiziellen Sprachinstitutionen sind Wiederkäumaschinen: die Schule, der Sport, die Werbung, die Massenware, der Schlager, die Nachrichten sagen immer die gleiche Struktur, den gleichen Sinn, oft die gleichen Wörter: die Stereotypie ist ein politisches Faktum, die Hauptfigur der Ideologie.”

Um den vorgestanzten Schablonen zu entgehen, bleibt nur eine „marginale, exzentrische Gier nach dem Neuen”: immer wieder neue Wege gehen.
Dagegen läßt sich aus einer Überblicksperspektive natürlich einwenden, daß es in unserer Welt schon seit langem keine neuen Wege mehr gibt. Doch für den Einzelnen in seinem persönlichen Erleben existieren sie durchaus. Jedes Kleinkind entdeckt für sich die Welt neu; jeder, der nach zwanzig, dreißig Jahren des täglich gleichen Arbeitswegs kündigt und in eine andere Stadt, ein anderes Land zieht, geht für sich neue Wege. Wer alte, überlebte Beziehungen hinter sich läßt und damit auch seit langem eingespielte Verhaltens- und Denkmuster, hat die Chance, für sich geistiges Neuland zu betreten.
Es gibt Neues, nur sind wir „nicht fein genug, um den muthmaaßlichen absoluten Fluß des Geschehens zu sehen”, hat Nietzsche 1881 ausgerechnet in einem seiner Fragmente (11, 293) zur ewigen Wiederkehr des Gleichen festgehalten. „Das Bleibende ist nur vermöge unserer groben Organe da, welche zusammenfassen und auf Flächen hinlegen, was so gar nicht existirt. Der Baum ist in jedem Augenblick etwas Neues: die Form wird von uns behauptet, weil wir die feinste absolute Bewegung nicht wahrnehmen können”.
Auf der Mikroebene des Individuellen entsteht immer wieder Neues. Es müßte somit möglich sein, dort den Wiederkäumaschinen und der Massenverflachung zu entkommen (so lange es keinen kollektiven Widerstand gegen sie gibt). Raus also aus deren Ballungsräumen in Einkaufszentren, Shopping Malls, Innenstädten! Flucht nach vorn! Und die führt für mich (nach dem Teegenuß) vorläufig in die Stille der Wälder. Solling, Bramwald, Reinhardswald; auf den Spuren Heinrichs des Voglers, der dort ebenfalls seine Ruhe suchte. (Man findet tief im Wald noch Spuren alter Wallburgen aus seiner Zeit. Da träumen sie seit mehr als tausend Jahren und sinken Millimeter für Millimeter zurück ins Erdreich.)

Zur Erinnerung: „Wären die großen Massen so durchsichtig, so gleichgerichtet in den Atomen, wie die Propaganda es behauptet, dann wäre nicht mehr an Polizei vonnöten, als wie ein Schäfer Hunde für eine Herde braucht. Das ist nicht der Fall, denn es verbergen sich Wölfe in der grauen Herde, das heißt Naturen, die noch wissen, was Freiheit ist.” (Jünger: Der Waldgang)

Mandarinatspraxis also auch die Waldgänge. Ja, doch klingt das exklusiver, als es ist. Grundsätzlich stehen die Wege und die Wälder jedem offen. „Und was würde aus der schönen Waldeinsamkeit, wenn das jeder täte?” – Keine Sorge, es wird nie jeder tun. Der stereotyp gegen alles aus der Reihe Tanzende wiederholte Einwand der Spießbürger geht auch hier an der Realität vorbei ins Leere. Es wird nicht einmal jeder aus Syrien fliehen oder aus Ruanda. Oder aus den Sklavenbedingungen in den Emiraten oder aus den giftverseuchten Tagebauminen in Brasilien. Aus den stickigen, vollgepferchten Hallen der Näherinnen in Bangladesh oder aus der verstrahlten Umgebung von Fukushima. Nicht einmal von dort. Geschweige denn von hier, aus dieser saturierten Gesellschaft von Käufern und Verkäufern, Konsumenten und Kopfhörerträgern, in der noch jeder irgendwo sein Schnäppchen oder seinen Deal machen kann.
Eine der perfiden Eigenschaften von Werbung besteht darin, daß sie manchmal das vorherrschende Denken in einem einzigen Slogan erfaßt und uns den Spiegel vorhält: „Ich bin doch nicht blöd!” – Doch, genau das bist du, wenn du das glaubst und damit den Schnäppchenpreisanbietern auf den Leim gehst. Dieselbe Ramschkette hat in meinen Augen auch in diesen Jahren wieder den Zeitgeist einer Generation in eine Aussage gefaßt: „Hauptsache ihr habt Spaß!”
In dem Sinne schon mal Frohe Weihnachten!
Auf dem Markt in Lahore, wo u.a. auch die von Kinderhänden genähten Adidasbälle für unsere Gabentische zu haben sind, „kann man große Puppen kaufen, die sehr naturgetreu ein dreijähriges Mädchen in schwarzer Spitzenunterwäsche darstellen. Kleine Mädchen singen und tanzen für einen, ehe man mit ihnen seine Bedürfnisse befriedigt. – Kinder sind eine geringere Last, wenn sie früh lernen, zum Unterhalt der Familie beizutragen.” Berichtete der schwedische Schriftsteller Sven Lindqvist (Myten om Wu Tao-tzu) in den Sechziger Jahren aus Pakistan. „Die Bauern werden von der Armut in die Städte getrieben. Sie stellen sich auf den Markt. Ihre Gesichter sind noch ungewohnt und von dunklen Vorhaben erfüllt. Er war völlig ernst, als er mir Geschlechtsverkehr mit seinem kleinen Mädchen anbot, das er auf dem Arm hielt.”
Schnee/Misere von gestern? Falsch. "Noch nie gab es so viele Sklaven wie heute".

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Mittwoch, 16. Dezember 2015
Im Schatten der Wälder. Auf Umwegen nach Waterloo

Eine gewisse Enge ist in den Orten nicht zu übersehen, schon Heine hat’s ja beklagt: „... Der Viehstand ist der bedeutendste.”

Aber die Landschaft ist ganz schön schön in den Gefilden zwischen Harz und Weser. „Hinter Nordheim wird es schon gebirgig”. Nun, heute nur noch sanft hügelig, die Erosion muß seit 1824 viel gearbeitet und rechts und links des Leinetals kräftig gehobelt haben, also bestenfalls mittelgebirgig. Aber die Wälder! Ich sage nur Bramwald, Reinhardswald, Vogler, Solling: herrliche Laubmischwälder, Süntelbuchen und hohe Rotbuchenhaine, dichte Tannen- und Fichtenschonungen, weite, alte Eichenforste, in denen man Fuchs, Hirsch und Hase begegnet, neuerdings vielleicht sogar einem Wolf, und in denen man sich gern verläuft.
‟Ihr seid kein Freund meines Glückes, Meister Cap, wenn Ihr mich dem Schatten der Wälder entführen und in die Sonne des gelichteten Landes setzen wollt”, sagt man dann mit Coopers Pfadfinder und wandert munter weiter, bis der Mond durch Wipfel und treibende Abendwolken geistert.
„Natty hatte schon recht: Wälder sind das Schönste!”, rühmte der neulich besuchte Schmidt selig in Schwarze Spiegel.
Also läuft und läuft man und hat hinter Gösselgrund und Eichenkrug plötzlich nur noch 9 Meilen bis Waterloo.

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Dienstag, 15. Dezember 2015
Gras unter Schnee. Rikyū (III)

Rikyūs Schüler Giō (Joo) oder Nambo, der die nur mündlich geäußerten Lehren des Meisters in seinem Buch Namporoku aufschrieb, behauptet, dieses frühe Gedicht aus dem Shinkokin-wakashu vom Beginn des 13. Jahrhunderts zeige den Weg zum Wabi in Rikyūs Vorstellung von Tee und Teezeremonie. Ich finde, die kleine Aufgußkanne entspricht den unterm Schnee verborgenen Gräsern ganz gut; eine Hommage ans auf den ersten Blick Unscheinbare, Nicht-Perfekte ist sie in jedem Fall.

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Donnerstag, 10. Dezember 2015
Dezember-Haiku

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