Jetzt aber endlich etwas anderes als die Butzenscheibenbiederlichkeit in niedersächsischen Heidedörfern der Fünfziger Jahre. In diesem Jahr 2015 will mir sowieso noch weniger vorweihnachtlich zumut werden als sonst schon. Allein mit den zu warmen Außentemperaturen hängt das nicht zusammen. Mehr mit den Überhitzungen im allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Klima Europas. Doch nicht zuletzt müssen wohl zumindest einige deutsche Nicht-Großstädte per se einen etwas höheren Gemütlichkeitsfaktor aufweisen als die holländische Randstad, und das reicht dann schon; da müssen nicht noch Weihnachtsmärkte, Lichterkettengirlanden und anderes Lametta draufgebrezelt werden. Im Gegenteil ziehen mich statt dessen verstärkt schlichte, aufs Unverzichtbare reduzierte Dinge an. Also komme ich ganz schnell wieder auf künstlerisch Gestaltetes aus Japan. Der Fahrtenbuchschreiber lädt zur Teestunde. Wasser holen, Holz sammeln, Tee kochen.
Mit den Worten des Teemeisters: „Erhebe dich, wenn die Vögel anfangen, zu zwitschern, richte die Feuerstelle und lege die erste Holzkohle. Dann geh zum Brunnen, schöpfe frisches Wasser und bring es in die Mizuya, den Vorbereitungsraum. Wasch den Kessel aus, füll ihn mit Wasser und setz ihn auf das Feuer.”
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Damit soll der Besuch in Bargfeld besser sein Bewenden haben, sollen keine weiteren Details aus dem Leben der Schmidts hier ausgebreitet werden. De mortuis nihil nisi bene. Besonders in Berücksichtigung dessen, was der Meister einmal selbst über Seinesgleichen geschrieben hat:
«Der Künstler hat nur die Wahl, ob er als Mensch existieren will oder als Werk; im zweiten Fall besieht man sich den defekten Rest besser nicht».
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Kulinarische Köstlichkeiten in Bargfeld
„Ein altes Gartentor, mannshoch, verwittertes Holz. Der Weg davor ist unbefestigt, Wasser steht, versickert nicht. Der Weg führt in die Felder. Hinter dem Tor ein Gartenpfad, rechts ein kleines Haus, eher eine Hütte, mit grauen Brettern verschalt. Hier haben sie gewohnt, der Dichter Arno Schmidt und seine Frau Alice. Eine winzige Veranda, drei Korbsessel mit Armlehnen, grüne Häkelkissen. Davor, im Gras, die Näpfe für die Katzen. Eine Wasserpumpe. Das große Grundstück. Sträucher, Bäume, kurz gehaltenes Gras. Keine Blumenbeete.”
So begann am 29. April 2002 ein Feature über Arno Schmidt im NDR: "Lilli kauft Unterrock; ich Langenscheidt Italienisch-Deutsch"
„Ein Häuschen mit Garten,
nur klein, aber mein.
Was brauch ich denn mehr,
um zufrieden zu sein?
Eines Tages zieh ich ein,
in das Häuschen, schön und klein,
und mein Schatz wird sich dann freun,
immer bei mir zu sein...”
„Bei Schmidts gab‘s immer Nescafe oder Maxwell. Wenn ich kam, gab‘s Filterkaffee, das war für sie das höchste. Aber selbst hat sie sich den nie gekocht", erklärte Haushälterin Erika Knop dem NDR-Team. "Und dann kam der Bäcker und dann wurde Kuchen gekauft und dann gab‘s in der Woche noch ein Stück davon, das wurde dann aufgeröstet oder ein Brötchen getoastet oder Wurst warm gemacht, dann setzte er sich meistens dazu.”
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Leinölgelb nannte Schmidt mehrmals die obligatorische Farbe deutscher Ortsschilder, und Leinölgelb ist die Grundfarbe der Zürcher Kassette mit dem erzählerischen Werk Schmidts in acht Bänden aus dem Jahr 1985, also sechs Jahre nach seinem Tod erschienen. Den achten und letzten Band ziert ein Foto des Schmidtschen Gartentors. Daran gelehnt hat er - selten - Besucher empfangen, in Wellblechfrisur und Wellblechhosen und auf diesen hölzernen Gesundheitsklapperlatschen, die man in den Sechzigern trug. Heute sieht das Tor, mit Kette und Vorhängeschloß gesichert, so aus, als sei es auf ewig verschlossen. Irgendwie paßt das zu ihm und hätte ihm womöglich gefallen.
Kurz bevor er hinzog hat er in einem kleinen Radiobeitrag für den Südwestfunk seinen Lebenstraum („wenn man Geld hätte”) skizziert:
„Ein winziges Häuschen in der Heide (achttausend höchstens; nicht wie diese Bausparkassen...); im Ställchen eine Isetta; Eintausend erlesene Bücher... nichts mehr ums liebe Brot schreiben zu brauchen, keine ‘experimentelle’ Prosa mehr, keine feinsinnigen ‘Essays’, keine ‘Nachtprogramme’; an Uhren werden nur die lautlosen geduldet, die mit Sand und Sonne... Den Mond untergehen sehen, über Wieseneinsamkeiten, ganz rot würde das silberne Wesen geworden sein, wenn es einsank in Dunstband und Kiefernborte”.
(Schulausflug, gesendet am 23.10.1958, einen Monat vor dem Umzug nach Bargfeld).
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Ich dachte immer, er sei der schroff abweisende „Solipsist in der Heide” gewesen, aber das Ehepaar Rauschenbach meint, für die meisten Abschottungsvorrichtungen und -maßnahmen habe in Wahrheit Alice Schmidt gesorgt. Das zu schützende Objekt ihrer Fürsorge sei hingegen öfter ganz zugänglich und sogar zu Gesprächen mit Besuchern über den Gartenzaun aufgelegt gewesen. Heute wäre das kaum noch möglich; das kleine holzverkleidete und hellgrau gestrichene Häuschen ist hinter Bäumen, Büschen und Hecken eingewachsen wie ein Dornröschenschloß. So war das zu Schmidts Lebzeiten lange nicht, aber er selbst hat die meisten Bäume mit genau diesem Ziel gepflanzt. Doch jenseits des Zauns war er vor allem daran interessiert, daß ihm die Aussicht in die ländlich-naturnahe Kulisse nie verbaut würde. Aus dem Grund hat er später von einem seiner Preisgelder das noch unbebaute Nachbargrundstück hinzugekauft und es als naturbelassene Wiese mit einigen lichten Birken, Fichten und Wacholdern umstellt. Die Letzteren liebte er besonders: „Wachholderholz: ganz leicht, aber natür’ch zähe, zähe müßt ma noch ma sein” (Die Wasserstraße).
„Wer sich kein Haus kaufen kann – und Wer vermag das schon; es sei denn, er wäre kühn wie Caesar im Schuldenmachen [...] der mietet sich 1 Baräckchen in der Heide. »Auf 99 Jahre; wie weiland Kiau-Tschou.«
Folglich hatten wir gemeinsam [...] 2 hannoversche Morgen in diesem Sinne dauerhaft gepachtet. Für einen Spottpreis übrigens, da es sich um ‘Ödland’ handelte – Bauern verstehen ja nichts von Natur & deren Schönheit. Ich hatte noch zusätzlich 50 Mark pro Jahr draufgelegt, unter der Bedingung, daß ‘die Kulisse’ nicht verändert werden dürfte; (die würden sich noch mal wundern, die Herren Landwirte, was sie, die ganze ‘Realgemeinde’, damit so unterschrieben hatten!)”
(Kühe in Halbtrauer)
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