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Freitag, 26. November 2010
Literaturrätsel
Der grausige Fackelzug, der sich Kerenyi 1934 in Heidelberg so tief einprägte, erinnerte mich an die Schilderung eines ganz ähnlichen Zuges in einem Roman, dessen Titel viele sicher “schon mal gehört”, den aber, vermute ich, nur die wenigsten gelesen haben. Sein Autor ist vielleicht überhaupt eher ein Autor für Autoren als ein Autor für Leser. Ein kleines Literaturrätsel bahnt sich also an, und ich bin gespannt, ob jemand von den Fahrtenbuchlesern und -leserinnen die folgenden Auszüge wiedererkennt.

“... unterweltsfeurig strahlte es ihm entgegen, strahlte vom Ausgang der mäßig breiten Straße her, durch die sich, Kopf an Kopf, die Menschenmenge vorwärts schob, in ein schier zwangsläufig-selbsttätiges Hinströmen verwandelte, und mit jedem Schritt, mit jedem Vorwärtsgleiten ward die Macht jener geheimnisvollen, unheilsträchtigen, sinnlos-großartigen Anziehungskraft deutlicher fühlbar, wurde furchtbarer, wurde dringlicher, um endlich mit einem Schlag sich zur Gänze zu enthüllen, denn jählings wurde nun hier, feuerumkränzt und lärmumringt, der Palast sichtbar, in vulkanisch unterweltlichem Leuchten emporgehoben aus der Mitte eines schildförmig aufgebuckelten, fast kreisrunden Platzes, und dieser Platz war eine einzige Flut zusammengeballter Geschöpflichkeit, war zusammengeballter, brodelnder Menschenhumus, war eine Flut glosender Augen und glosender Blicke, die allesamt inbrünstig steif, gleichsam jeglichen anderen Inhaltes verlustig, auf das einzigeinzige, schattenlos glühende Ziel gerichtet waren. So ragte die Burg, umbrandet von Fackeln, das sinngebende Richtungsziel für die unwiderstehlich angelockte, drängende, schnaubende, stampfende Herdengesamtheit, unbändig sehnsüchtiges Willensbewußtsein der Herde, das Ziel ihrer unbändigen Richtungsgier, eben darum aber auch das Bild einer entsetzenerregenden, dumpfsprühenden, niemals auffindbaren Rätselmacht, unbegreiflich für den Einzelmenschen, oh, derart unverständlich, daß die Frage nach dem Sinn und nach dem Grunde der übermächtigen Anziehung wohl in einem jeden von ihnen wühlte, und wenn auch keiner sich eine wirkliche Antwort zu geben vermochte, so war selbst die bescheidenste und unzureichendste danach angetan, hoffnungserfüllend zu wirken: ‘Der Cäsar wird sprechen’, hieß es; so stachelten sie sich selber und einander an, damit die Angst vor der sicheren Enttäuschung nimmermehr das wilde Begehren ermatten ließe, die große Sehnsucht nach der Teilhaberschaft: billige Antworten für so große Hoffnung, billige Anstachelungen, doch jedesmal ging ein Ruck durch die Masse, durch die Körper, durch die Seelen, stierhaft, unzüchtig, unwiderstehlich, dumpf auf das gemeinsame Ziel vorstoßend, ein zusammengeballtes Gebrause und Gestampfe, Vorstoß um Vorstoß hinein in ein loderndes Nichts.”

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