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Freitag, 26. März 2010
Scheinheiliger Oberhirte
Vor einer Woche hat sich der oberste und bekanntermaßen unfehlbare Chef der Katholiken in der Welt in einem Hirtenbrief zu dem geäußert, was seine Hirten in Irland vielfach mit ihren Lämmchen in ihren Pferchen getrieben haben. Das Echo auf diese gnadenlose Ermahnung fiel sogar in den eigenen Reihen gespalten aus. Der Sprecher der deutschen Katholikenbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, erklärte öffentlich "schon ein Wort des Mitgefühls an die Opfer [hätte dem Papst] Sympathien eingebracht." Der Brief vermittle aber den Eindruck, es gehe dem Papst hauptsächlich um das Ansehen der Kirche.

Diesen Eindruck bestätigt nun eine ehemalige Studienkollegin von Joseph Ratzinger: Uta Ranke-Heinemann, Tochter des ehemaligen Bundespräsidenten und erste habilitierte katholische Theologin der Welt, bis ihr wegen öffentlich geäußerter Zweifel an der Jungfrauengeburt Marias 1987 von der Kirche die Lehrbefugnis entzogen wurde. Damals glaubte übrigens auch der Professor für Katholische Dogmatik, Joseph Ratzinger, nicht dran. In seiner Einführung in das Christentum, 2 Aufl. München 1968, heißt es auf S. 225.: „Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach kirchlichem Glauben nicht darauf, daß Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum.” - Allerdings hat er später widerrufen, und er hat auch nie auf ein schriftliches Ersuchen von Frau Ranke-Heinemann um Stützung ihrer Meinung im Streit mit der Kirchenleitung reagiert.
Jetzt wiederholt sie in einem Beitrag für das Aprilheft der Blätter für deutsche und internationale Politik einen Vorwurf an die Adresse des Papstes Ratzinger, den sie in den vergangenen Jahren bereits mehrfach geäußert hat, der aber nun im Licht der neuerlich bekanntgewordenen zahlreichen Fälle von Kindesmißbrauch neues Gewicht erhält: “Papst Benedikt selbst trägt an dieser augenblicklichen Schwemme an Pädophiliefällen, verjährten und noch nicht verjährten, in besonderem Maße die Schuld und Verantwortung”.
Beleg für ihren Vorwurf ist nicht einmal Ratzingers eigenes Mitwirken an der Vertuschung eines bekannten Falls von wiederholtem Kindesmißbrauch in seiner Zeit als Münchner Erzbischof, sondern ein Schreiben, das der damalige Großinquisitor Joseph Ratzinger - vor seiner Wahl zum Papst war er seit 1981 Präfekt der “Kongregation für die Glaubenslehre” (Congregatio doctrina fidei, CDF), wie die katholische Inquisition seit 1965 heißt - im Mai 2001 unter dem Titel De delictis gravioribus ("Von den schwersten Verbrechen") an alle katholischen Bischöfe verschickte. Darin, so Ranke-Heinemann, “wird die 'ausschließliche Kompetenz des Vatikans' betont, was die Ahndung von Pädophiliefällen anbelangt; gleichzeitig werden sämtliche Bischöfe unter Strafe der Exkommunikation aufgefordert, alle Pädophiliefälle ausschließlich und nur an den Vatikan zu melden.”
Von einem Geheimschreiben wird man nicht, wie Ranke-Heinemann, sprechen können, da der Text seit längerem im Netz zu finden ist. Doch auch wenn ihre Anfangsworte Ad exsequendam ecclesiasticam legem, also “Zur Ausführung des Kirchenrechts”, lauten und damit erst einmal nichts über eine Strafverfolgung durch staatliche Gerichte sagen, scheint der Inhalt durchaus geeignet, diejenigen zu bestärken, die der Ansicht sind, daß die katholische Kirche seit vielen Jahren vor allem daran interessiert ist, Fälle von Kindesmißbrauch in ihren Reihen unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu halten.
Hier Auszüge aus einer im Netz bereitstehenden deutschen Übersetzung:

"Sie [die Kongregation für die Glaubenslehre] urteilt über Straftaten gegen den Glauben und über schwerwiegendere Straftaten gegen die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen wurden, wenn diese ihr angezeigt wurden, und, wo es angebracht ist, wird sie nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen feststellen oder verhängen [...]
Die der Glaubenskongregation vorbehaltenen schwerwiegenderen Straftaten, sei es bei der Feier der Sakramente, sei es gegen die Sitten, sind: [...]
- Straftaten gegen die Heiligkeit des Bußsakramentes, nämlich:
1̊ die Lossprechung des Mitbeteiligten bei einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs
2̊ die Verführung zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs bei der Anhörung oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte, wenn diese darauf abzielt, mit dem Beichtvater selbst zu sündigen
- Straftat gegen die Sitten, nämlich: die von einem Kleriker mit einem Minderjährigen im Alter von weniger als 18 Jahren begangene Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs.
Sooft der Ordinarius oder der Hierarch wenigstens eine wahrscheinliche Kenntnis einer vorbehaltenen Straftat hat, muß er dies der Kongregation für die Glaubenslehre mitteilen, sobald die Vorerhebung durchgeführt wurde. Die Kongregation wird - soferne sie den Fall nicht aufgrund besonderer Umstände an sich zieht - dem Ordinarius oder dem Hierarchen entsprechende Weisungen übermitteln, durch sein eigenes Gericht alles weitere durchzuführen. [...] An den bei den Ordinarien bzw. Hierarchen errichteten Gerichtshöfen dürfen für diese Fälle nur Priester die Ämter des Richters, des Kirchenanwaltes, des Notars und des Anwalts gültig ausüben. [...]
Fälle dieser Art unterliegen dem päpstlichen Geheimnis.


Rom, vom Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, 18. Mai 2001.
+ Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt”

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