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Samstag, 13. März 2010
Ansichten vom Niederrhein I

“Den ganzen Winter muss ich kompilieren und übersetzen! Mein Kopf ist leer, ich weiß der Welt nichts Eigenes mehr zu sagen. Wer doch auch nach Italien oder nach England oder nach Spanien oder noch weiter hin, wo nur irgend Neues zu sehen ist, reisen könnte! Denn am Ende, mehr hat man doch nicht, als was einem durch diese zwei kleinen Öffnungen der Pupille fällt und die Schwingungen des Gehirns erregt! Anders als so nehmen wir die Welt und ihr Wesen nicht in uns auf. Die armseligen vierundzwanzig Zeichen reichen nicht aus; etwas ganz anderes ist die Gegenwart der Dinge und ihr unmittelbares Einwirken.”

Schrieb Georg Forster im Herbst 1788 an seinen Düsseldorfer Freund Jacobi, nachdem der Weltumsegler, an einer zweiten Weltreise gerade verhindert, eine neue Stelle als Bibliothekar im geistlich regierten Mainz angetreten hatte.
Im nächsten Sommer stürmte in Paris das Volk die Bastille und betrieb Umsturz und Weltgeschichte. Der Dritte Stand schaffte in der Nationalversammlung am 5. August 1789 adelige Privilegien, Leibeigenschaft und Frondienste ab. “Welch eine Sitzung”, schrieb Forster. “Ich glaube, sie ist noch in der Welt ohne Beispiel.”
“Frankreich schuf sich frei. Des Jahrhunderts edelste Tat”, dichtete Klopstock im dänischen Altona.
“O Schicksal! das sind sie also, das sind sie
Unsere Brüder die Franken; und wir?
Ach ich frag, umsonst; ihr verstummet, Deutsche! Was zeiget
Euer Schweigen? bejarhter Geduld
Müden Kummer? oder verkündet es nahe Verwandlung?
Wie die schwüle Stille den Sturm,
Der vor sich her sie wirbelt, die Donnerwolken, bis Glut sie
Werden, und werden zerschmetterndes Eis!
Nach dem Wetter, atmen sie kaum die Lüfte, die Bäche
Rieseln, vom Laube träufelt es sanft,
Frische labet, Gerüch' umduften, die bläuliche Heitre
Lächelt, das Himmelsgemälde mit ihr;
Alles ist reg', und ist Leben, und freut sich!”
Ein Georg Forster konnte da nicht mehr still in jesuitischen Bücherkellern und Karthausen sitzen. Im nächsten Frühjahr brach er auf. Als Begleiter kam der 21jährige Alexander von Humboldt mit, der „kleine Apotheker”, der an der Uni Göttingen gerade Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein veröffentlicht und damit die Bekanntschaft des berühmten empirischen Naturforschers Forster gesucht hatte. Vor genau 220 Jahren bestiegen sie im März 1790 ein rheinab fahrendes Schiff. Doch es ging diesmal nicht über den Welthafen Amsterdam zur unauffindbaren Terra australis, zu den Menschenfressern Neuseelands oder gar zum märchenhaften O‘Tahiti. “Auf der Fahrt durch das Rheingau hab‘ ich, verzeih es mir der Nationalstolz meiner Landsleute! eine Reise nach Borneo gelesen”, beginnt Forsters Reisebericht ein wenig gelangweilt, die 1791 und ‘94 erschienenen Ansichten vom Niederrhein.


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