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Dienstag, 29. Juni 2010
Rodin
Inzwischen, zurück in Suid-Holland, ist der Himmel nicht nur über den Fußballplätzen der Welt viel heller geworden; seit Tagen haben wir so strahlendes Wetter, daß es mich an die ersten richtig warmen Tage des Jahres überhaupt erinnnert, an unseren Frühling in Paris. Besonders an einen Nachmittag im Musée Rodin. Im ehemaligen Hôtel Biron, 1905 in ein Künstlerdomizil umgewandelt, hatte Matisse ein Atelier, gab Isadora Duncan Tanzunterricht, bevor sie doppelt und dreifach der Fluch des Automobils traf, und schrieb Rilke an den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge und an Rodin: “Sie sollten sich dieses wundervolle Gebäude einmal ansehen, lieber großer Freund...”

Der liebe, große Freund kam und mietete gleich vier große Säle im Parterre des großzügigen Palais‘, das ihm später ganz als Stadtatelier überlassen wurde. Das Grün der sorgsam gestutzten Rabatten im ursprünglich doppelt so ausgedehnten Park tat den großstadtflirrenden Augen wohl und bildete ruhige, monochrome Hintergrundflächen für des Meisters zerklüftete „Kunst der Buckel und Höhlungen“. Rodin hat in meinen Augen phantastische Meisterwerke geschaffen und – bei der Gesamtzahl seiner Werke nicht verwunderlich – auch so einiges ziemlich Danebengegangenes.
Besonders als Meister grotesk übersteigerter Füße wird er mir nach unserem ausgiebigen Rundgang durch den Park und die Säle in Erinnerung bleiben. Und auch wenn er angeblich Jahre auf Vorstudien für die gewünschte Monumentalstatue Balzacs verwandt haben sollte, glaube ich, daß er diesen dicken Stern aus dem Pantheon der französischen Literatur nicht besonders gemocht hat. Anatomisch war es jedenfalls nicht unbedingt erforderlich, dem üppigen Bauch Balzacs in einer von Rodins Aktstudien zum Balzac-Denkmal als Gegengewicht einen derart flachen Hintern zu verpassen.
Nicht nur im Fall des von den Auftraggebern schließlich abgelehnten Balzac (“eine große, komische Maske, die einen Bademantel krönt”) löste Rodins anatomischer Hyperrealismus so manchen Skandal aus, der das teilnehmende Publikum in wüste und indignierte Beschimpfer und enthusiastische Befürworter spaltete. Der an anatomischen Details bekanntlich nicht uninteressierte Henry Miller, den ich in Paris las, schrieb bei seinen Betrachtungen über die mißliche Mode der weiblichen Schamrasur:
“It only goes to show you there‘s nothing to it after all, especially when it‘s shaved. It‘s the hair that makes it mysterious. That‘s why a statue leaves you cold. Only once I saw a real cunt on a statue - that was by Rodin.”

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