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Freitag, 7. Mai 2010
Zeichen am Himmel über Paris
Allonsenfants, geht‘s denn hier überhaupt nicht weiter? - Aber ja, wie der synchronisierte Franzose in deutschen Kinos mit gleichbleibender Penetranz zu antworten pflegt. Zwar können einen Großstädte manchmal tagelang verschlucken, aber wir sind noch immer unterwegs, von der Höhe Bellevilles hinab zur Bastille, vom Centre Pompidou zum Centre ville, vom Boulevard zum Bau(m)haus.
Centre Pompidou Und dann stehen wir auf einmal vor Unserer Dame und stellen fest, die Menschen, die sich da in zierlichen Reihen wie am Schnürchen um die Rabatten schlängeln, genießen nicht die warme Frühlingssonne, sondern harren auf Einlaß. Aber wie hieß es noch: “Denken! Nicht mit Glauben begnügen: weiter gehen.” Wir gehen weiter. Noch einen Schritt zurück in der Zeit. Doch auch der Fassade des Justizpalasts hängt da, wo sich der Eingang zur Sainte-Chapelle befinden soll, ein langer Bandwurm von Wartenden aus dem Maul. Bon, das Wetter ist eh viel zu schön, spatzwandeln wir also zum Bug der Insel, lassen uns auf dem Pont Neuf den leicht kühlenden Luftzug über der Seine zufächeln, und blicken uns um.
“Wie hat sich Paris in den letzten zehn Jahren verändert?” fragt Monsieur Hazan, um sein Buch über die Stadt irgendwie zu beginnen. Wunderliche Frage; ist doch alles noch da: Notre Dame, Sacré Cœur, Triumphbogen, und fröhlich grüßt der Eiffelturm... Aber dieses pyramidenförmige Gewächshaus vor dem Louvre stand doch beim letzten Mal noch nicht da. Das Centre Pompidou befand sich noch im Bau, und das tut es heute noch, ist ja schließlich immer noch eingerüstet, n‘est-ce pas? Das Quartier Latin auf dem linken Ufer habe sich seit den Neunzigern kaum verändert, behauptet Hazan. Mein letzter Besuch liegt noch viel länger zurück, und sauberer, aufgeräumter als damals ist es allemal, da hat M. Hazan schon recht, aber es gefällt mir trotzdem in den historischen, engen Gassen, auch wenn Hazan meint, es passiere gar nichts mehr auf dem Rive gauche. Man schlendert gelassener, weniger behelligt von Lärm und Autoverkehr als auf den Boulevards auf dem rechten Ufer, und in dem winzigen Park um Saint-Julien-le-Pauvre unmittelbar gegenüber Notre Dame finde ich meine kleine Ruheoase.
Der Platz ist so alt, daß von genau hier einst die beiden wichtigsten Fernstraßen der Römer in Gallien ausgingen, nach Südosten die Heerstraße nach Burgund sowie die Nordsüdverbindung von Soissons nach Orléans. Auf dieser Straße war im Jahr 463 der letzte römische Heermeister für Gallien, Aegidius, von seinem befestigten Legionslager Augusta Suessionum gegen die Westgoten bei Orléans gezogen. 23 Jahre später wurde sein Sohn Syagrius vor der eigenen Haustür in Soissons von den Franken unter Chlodwig geschlagen und damit die letzte weströmische Enklave beseitigt. Syagrius floh über die Loire zu den Westgoten, wurde aber zu seinem Entsetzen von deren König Alarich II. an die Franken ausgeliefert. Chlodwig ließ ihn hinrichten. Der erste König aller Franken machte Paris erstmals zur Hauptstadt. Nach seinem Tod teilten die Söhne das Frankenreich 511 wie einen geschlachteten Ochsen in vier gleiche Teile; Orléans und Soissons wurden neben Reims wieder Hauptstädte ihrer Teilreiche, Paris blieb Residenz des primus inter pares, Childebert. Vielleicht ließ schon er an der Straßenkreuzung am südlichen Seineufer für Reisende ein Hospiz mit kleiner Kapelle anlegen, ehe Paris unter den fortgesetzten Reichsteilungen und Bruderkriegen der nachfolgenden “langhaarigen Merowinger” wieder an Bedeutung verlor. Als der dort regierende Charibert 567 ohne männlichen Erben starb, entfesselten sein Bruder Sigibert von Austrien in Reims und sein bei der Reichsteilung benachteiligter Halbbruder Chilperich von Neustrien in Soissons eine jahrelange blutige Fehde. Beide heirateten Schwestern, die Töchter des Westgotenkönigs, doch ließ Chilperich seine Frau bald auf Anstiften seiner langjährigen Geliebten Fredegunde erdrosseln, und daraus entwickelte sich eine Familientragödie, die nicht nur im Nibelungenlied Spuren hinterließ, sondern auch fast die zerstörerischen Ausmaße des in ihm geschilderten Untergangs erreichte und beinah zum Aussterben der Merowingerdynastie geführt hätte. Als sich der Geschichtsschreiber Gregor, Bischof von Tours, im Jahr 577 in Paris aufhielt und Quartier im Hospiz von St. Julien genommen hatte, erschienen am Himmel Zeichen: zwanzig Lichtstrahlen gingen im Osten auf und wanderten über den nördlichen Himmel nach Westen; einer von ihnen überragte die anderen, löste sich dann aber plötzlich auf.
Credo, interitum Merovechi pronuntiassent
(Ich glaube, sie kündigten den Tod des Merowech an).”



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