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Samstag, 9. April 2011
Morgen im Gebirge
Carl Gustav Carus war einer der begabtesten deutschen Mediziner seiner Zeit. Mit 22 Jahren hatte er bereits zwei Doktorgrade erworben, in Medizin und Philosophie. Der König von Sachsen ernannte ihn zu seinem Leibarzt. Daneben bekleidete er eine Professur für Geburtshilfe, interessierte sich aber auch für psychologische und parapsychologische Phänomene. Er erfand den Begriff “Unbewußtsein” und gilt als ein Vordenker der Tiefenpsychologie. Durch sein Handbuch der Zootomie begeisterte er Goethe, der ihm schrieb: “Ew. Wohlgeboren nur allzu kurzer Besuch hat mir eine tiefe Sehnsucht zurückgelassen.” Anschließend lud er ihn zur Mitarbeit an seinen Heften zur Morphologie ein.
Von Dresden aus korrespondierte Carus auch mit Alexander von Humboldt. Der schrieb ihm enthusiastisch:

“Seit fünf Tagen besize ich durch die Güte des Geh[eimen] R[ats] Schulze Ihre herrliche Schrift über den Knochenbau und seit fünf Tagen bin ich ununterbrochen damit beschäftigt. Lange hat mich nichts so bewegt als Ihre großartigen Ansichten der Natur... Ich fühle bei Erscheinung dieser Ihrer lezten Arbeit doppelt was wir entbehren, aber ich ehre und billige die Motive, welche Sie in dem schönen Lande zurükhalten, dem ich meine mineralogische und bergmännische Bildung verdanke und in dem die Freunde meiner freilich nun schon vordeucalionischen Jugend leben.”

In Dresden lebte und studierte damals auch der junge Caspar David Friedrich, ein schwedischer Staatsbürger aus Greifswald im damaligen Schwedisch-Pommern. Professor Carus, der ebenfalls als Landschaftsmaler dilettierte, war von Friedrichs Malweise begeistert, begleitete ihn auf einer Reise nach Rügen zum Zeichnen und empfahl ihn danach Humboldt als Zeichner für dessen naturwissenschaftliche Studienreise durch die spanischen Kolonien. Humboldt stimmte zu, und so reiste der fünfundzwanzigjährige Friedrich mit ihm über Paris und Marseille nach Spanien an den Madrider Hof, wo sich auf ein Empfehlungsschreiben des kgl. sächsischen Hof- und Medizinalrats Carus hin der sächsische Gesandte Forell für die Humboldtsche Expedition verwandte.
Auf der ersten Seereise an Bord der leichten Fregatte Pizarro litt Friedrich im Gegensatz zum unerschütterlich seefesten Humboldt heftig an Seekrankheit und war froh, auf Teneriffa wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Während Humboldt in Santa Cruz und Orotava die Besteigung des Teide vorbereitete, unternahm Friedrich auf der Suche nach pittoresken Motiven einen Ausflug in die Berge an der Punta Naga, die sie bei der Anreise vom Schiff aus gesehen hatten. Dort malte Caspar David Friedrich das erste, wenig bekannte seiner Bilder, die später den Titel “Morgen im Gebirge” erhielten. (Es befindet sich heute in Privatbesitz.)
Wegen der fatalen Auswirkungen seiner Seekrankheit, sah Friedrich der Fortsetzung der Reise und vor allem der bevorstehenden Atlantiküberquerung mit solchen Bedenken entgegen, daß er sich am Ende schweren Herzens entschloß, auf die Weiterreise zu verzichten. Mit dem nächsten Postschiff kehrte er auf den Kontinent und sicheren Boden zurück. Das Meer hat er seither in seinen Bildern immer nur vom Land aus gemalt, oft als eine Landschaft des Eises und der Scheiterns wie in seinem berühmten Bild "Das Eismeer" oder "Die gescheiterte Hoffnung".




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Mittwoch, 6. April 2011
Teneriffa, die regnerische Seite









Zurückgekehrt nach Santa Cruz, empfinden wir es als wohltuend, daß es eine ganz normale Stadt ist, in der nicht Touristen das Bild und das Geschehen prägen, sondern Einheimische, die hier ihr ganz alltägliches Leben führen, ihren Arbeiten und Beschäftigungen nachgehen.

In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, daß der schöne Beiname “Insel des ewigen Frühlings” durchaus auch die feuchteren Seiten von Frühlingswetter einschließt. Mit anderen Worten: es regnet. Täglich. Aber es regnet eben wie auf Atlantikinseln: in schnellem Wechsel.
Lag in den ersten Wochen jeden Morgen eine graue Wolkenbank draußen auf dem Meer und löste sich unweigerlich im Lauf des Tages in harmloses Wohlgefallen auf, ist zumindest der Anfang jetzt umgekehrt: über der Stadt liegt morgens ein dunkelgrau dräuender Deckel und das Meer leuchtet draußen in hellstem Himmelsblau. Es fängt an zu tropfen, zu schütten, zu prasseln, die Wolke zieht hinaus aufs Meer, als könne sie kein Wässerchen mehr trüben, und löst sich auf. Dann saugt die Sonne in Dampfschlieren das Wasser von der Terrasse. Doch kaum hat man Tisch und Stuhl trockengewischt und sich draußen niedergelassen, fallen aus vermeintlich heiterem Himmel Tropfen klatschend aufs Schreibpapier.

Man blickt auf und sieht die nächste schwer feuchte Wolke heranschieben, flüchtet ins Innere und wartet den Schauer ab, das dauert, man richtet sich drinnen ein, doch bald lockt die Sonne wieder so unwiderstehlich, daß man’s nicht aushält und das vergleichsweise dunkle Zimmer aufs Neue mit der in gleißendem Sonnenlicht badenden Terrasse vertauschen muß. Für maximal eine Viertelstunde, denn dann beginnt es zu regnen.

Zur Normalität von Heiligkreuz abseits der touristischen Disney-Welt gehören auch Zeichen der wirtschaftlichen Krise, in der Spanien steckt. So ist die geplatzte Immobilienblase ganz deutlich zu sehen. Es gibt immens viele neue Wohnblocks mit spiegelnden Glasfassaden, gar nicht mal häßlich, funktionale Neue Sachlichkeit der Jahrtausendwende, zehn, zwölf und mehr Stockwerke hoch, funkelnagelneu, alle sicher in den letzten höchstens fünf Jahren hochgezogene Renditeobjekte, als der Preis für Immobilien scheinbar nur eine Richtung und nach oben ebensowenig ein Ende kannte wie die Zahl der Stockwerke. Viele von ihnen stehen leer. "Se vende" rufen Plakate an vielen Scheiben, aber es gibt keine Käufer. Dafür gibt es - ebenso neu aufgemacht - in allen Vierteln etliche Pfandleiher. Fast immer sind sie gut gefüllt, Schlangen von Wartenden bis hinaus auf die Straße. Die Leute brauchen Geld und versetzen, was sie entbehren können.

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Sonntag, 3. April 2011
Kreuzhafen
Wir sahen uns noch den gewaltigen alten Drachenbaum in Icod de los Vinos an, den auch Humboldt schon bewundert hatte:
Im Hintergrund die Krone des alten Drachenbaums in Icod“Obgleich wir den Drachenbaum in Herrn Franquis Garten aus Reiseberichten kannten, so setzte uns seine ungeheure Dicke dennoch in Erstaunen. Man behauptet, der Stamm dieses Baumes, der in mehreren sehr alten Urkunden erwähnt wird, weil er als Grenzmarke eines Feldes diente, sey schon im fünfzehnten Jahrhundert so ungeheuer dick gewesen wie jetzt. Seine Höhe schätzten wir auf 50 bis 60 Fuß [16 bis 19,5 m]; sein Umfang nahe über den Wurzeln beträgt 45 Fuß [14,6 m].
Unter den organischen Bildungen ist dieser Baum, neben der Adansonie oder Baobab in Senegal, ohne Zweifel einer der ältesten Bewohner unseres Erdballs. Der Drachenbaum, der nur in den angebauten Strichen der Canarien, auf Madera und Porto Santo vorkommt, ist eine merkwürdige Erscheinung in Beziehung auf die Wanderung der Gewächse. Auf dem Kontinent und Afrika ist er nirgends wild gefunden worden, und Ostindien ist sein eigentliches Vaterland. Auf welchem Wege ist der Baum nach Teneriffa verpflanzt worden?”

Anschließend fuhren wir hinab ans Meer, nach Orotava-Hafen, wie Humboldt schrieb, doch ist der Ort heute unter dem Namen Puerto de la Cruz bekannt, und da traf uns der Schlag.





Nach einem kurzen Rundgang durch diese künstlich angelegte Robbenkolonie und einer dazu passenden Abspeisung durch ein Touristenmenü, das in allen Urlaubersprachen Mittel- und Nordeuropas inklusive des Finnischen ausgehängt war, nur mit spanischer Küche nicht mehr das Geringste gemein hatte, entschlossen wir uns noch an Ort und Stelle, auf eine Besichtigung der Südküste der Insel mit der berühmten Playa de las Americas und anderen beliebten Ferienorten freiwillig zu verzichten.

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Samstag, 2. April 2011
Vue du Teide
"Die Küste war wie ein Garten angebaut. Ich möchte sie mit der Umgegend von Capua oder Valencia vergleichen, nur ist die Westseite von Teneriffa unendlich schöner wegen der Nähe des Pics, der bei jedem Schritt wieder eine andere Ansicht bietet. Der Anblick dieses Berges ist nicht allein wegen seiner imposanten Masse anziehend; er beschäftigt lebhaft den Geist und läßt uns den geheimnisvollen Quellen der vulkanischen Kräfte nachdenken. Ungeheure Seitenausbrüche, deren letzter im [vorigen] Jahre 1798 erfolgte, beweisen die fortwährende Thätigkeit eines nicht erlöschenden Feuers. Der Anblick eines Feuerschlundes mitten in einem fruchtbaren Lande mit reichem Anbau hat indessen etwas Niederschlagendes. Die Geschichte des Erdballes lehrt uns, daß die Vulkane wieder zerstören, was sie in einer langen Reihe von Jahrhunderten aufgebaut. Inseln, welche die unterirdischen Feuer über die Fluthen emporgehoben, werden durch dieselben Kräfte zerstört. Vielleicht waren Eilande, die jetzt nichts sind als Schlacken- und Aschenhaufen, einst so fruchtbar als die Gelände von Tacoronte und Sauzal. Wohl den Ländern, wo der Mensch dem Boden, auf dem er wohnt, nicht mißtrauen darf!"

(Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents)

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Mittwoch, 30. März 2011
La Matanza

“Auf unserem Wege zum Hafen von Orotava kamen wir durch die hübschen Dörfer Matanza und Victoria. Diese beiden Namen findet man in allen spanischen Colonien neben einander; sie machen einen widrigen Eindruck in einem Lande, wo alles Ruhe und Frieden atmet. Matanza bedeutet Schlachtbank, Blutbad, und schon das Wort deutet an, um welchen Preis der Sieg erkauft worden. In der neuen Welt weist er gewöhnlich auf eine Niederlage der Eingeborenen hin; auf Teneriffa bezeichnet Matanza den Ort, wo die Spanier von denselben Guanchen geschlagen wurden, die man bald auf den spanischen Märkten als Sklaven verkaufte.”

(Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1803 und 1804)



Zum Bild: Die südländische Sitte, Tote in solche Schließfächer einzumauern, weckt in mir immer ein leises Unbehagen. Mir fehlt da die Verbindung zur Erde. Der Rücklauf, der Wiedereingang ins Organische wird unterbrochen oder zumindest noch einmal hinausgeschoben.

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Dienstag, 29. März 2011
Ins Tal von Tacoronte


“Zwischen der Stadt Laguna, und dem Hafen von Orotava und der Westküste von Teneriffa kommt man zuerst durch ein hügligtes Land mit schwarzer thonigter Dammerde, in der man hin und wieder kleine Augitkrystalle findet. Wahrscheinlich reißt das Wasser diese Krystalle vom anstehenden Gestein ab, wie zu Frascati bei Rom. Leider entziehen eisenhaltige Flötzschichten den Boden der geologischen Untersuchung.
Wenn man ins Tal von Tacoronte hinabkommt, betritt man das herrliche Land, von dem die Reisenden aller Nationen mit Begeisterung sprechen. Ich habe im heißen Erdgürtel Landschaften gesehen, wo die Natur großartiger ist, reicher in der Entwicklung organischer Formen; aber nachdem ich die Ufer des Orinoko, die Cordilleren in Peru und die schönen Thäler von Mexiko durchwandert, muß ich gestehen, nirgends ein so mannigfaltiges, so anziehendes, durch die Vertheilung von Grün und Felsmassen so harmonisches Gemälde vor mir gehabt zu haben.
Das Meeresufer schmücken Dattelpalmen und Cocosnußbäume; weiter oben stechen Bananengebüsche von Drachenbäumen ab, deren Stamm man ganz richtig mit einem Schlangenleib vergleicht. Die Abhänge sind mit Reben bepflanzt, die sich um sehr hohe Spaliere ranken. Mit Blüthen bedeckte Orangenbäume, Myrten und Cypressen umgeben Capellen, welche die Andacht auf freistehenden Hügeln errichtet hat. Ueberall sind die Grundstücke durch Hecken von Agave und Cactus eingefriedigt. Unzählige kryptogamische Gewächse, zumal Farne, bekleiden die Mauern, die von kleinen klaren Wasserquellen feucht erhalten werden.

La Baranda, Casa del vino

Im Winter, während der Vulkan mit Eis und Schnee bedeckt ist, genießt man in diesem Landstrich eines ewigen Frühlings. Sommers, wenn der Tag sich neigt, bringt der Seewind angenehme Kühlung. Die Bevölkerung der Küste ist hier sehr stark; sie erscheint noch größer, weil Häuser und Gärten zerstreut liegen, was den Reiz der Landschaft noch erhöht. Leider steht der Wohlstand der Bewohner weder mit ihrem Fleiße, noch mit der Fülle der Natur im Verhältniß. Die das Land bauen, sind meist nicht Eigenthümer desselben; die Frucht ihrer Arbeit gehört dem Adel, und das Lehnssystem, das so lange ganz Europa unglücklich gemacht hat, läßt noch heute das Volk der Canarien zu keiner Blüthe gelangen."
(Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1803 und 1804)


Tegueste

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Freitag, 25. März 2011
San Christobal de la Laguna
“Am 20. Juni vor Sonnenaufgang machten wir uns auf den Weg nach Villa de la Laguna, die 682 m über dem Hafen von Santa Cruz liegt.” (680 Höhenmeter, das ist schon was. Wir nahmen die Straßenbahn.) “Der Hügel, auf dem die Stadt liegt, gehört dem System von Basaltgebirgen an, die einen weiten Gürtel um den Pic von Teneriffa bilden. Der Basalt von Laguna ist nicht säulenförmig, sondern zeigt nicht sehr dicke Schichten, die nach Ost unter einem Winkel von 30 – 40 Grad fallen. Nirgends hat er das Ansehen eines Lavastroms, der an den Abhängen der Pics ausgebrochen wäre.
Außer einigen baumartigen Euphorbien, Cacalia Kleinia und Fackeldisteln (Cactus), welche auf den Canarien, wie im südlichen Europa und auf dem afrikanischen Festland verwildert sind, wächst nichts auf diesem dürren Gestein. Unsere Maulthiere glitten jeden Augenblick auf stark geneigten Steinlagern aus. Indessen sahen wir die Ueberreste eines alten Pflasters. Bei jedem Schritt stößt man in den Colonien auf Spuren der Thatkraft, welche die spanische Nation im sechzehnten Jahrhundert entwickelt hat.
Je näher wir Laguna kamen, desto kühler wurde die Luft, und dies thut um so wohler, da es in Santa Cruz zum Ersticken heiß ist.
Die fortwährende Kühle, die in Laguna herrscht, macht die Stadt für die Kanarier zu einem köstlichen Aufenthaltsorte. Auf einer kleinen Ebene, umgeben von Gärten, am Fuße eines Hügels, den Lorbeeren, Myrten und Erdbeerbäume krönen, ist die Hauptstadt von Teneriffa wirklich ungemein freundlich gelegen.
Laguna ist in seinem Wohlstand herabgekommen, seit die Seitenausbrüche des Vulkans den Hafen von Garachico zerstört haben und Santa Cruz der Haupthandelsplatz der Inseln geworden ist; es zählt nur noch 9000 Einwohner, worunter gegen 400 Mönche in sechs Klöstern. Manche Reisende behaupten, die Hälfte der Bevölkerung bestehe aus Kuttenträgern. Die Stadt ist mit zahlreichen Windmühlen umgeben, ein Wahrzeichen des Getreidebaus in diesem hochgelegenen Striche. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß die nährenden Grasarten den Guanchen bekannt waren. Geröstetes Gerstenmehl (gofio) und Ziegenmilch waren die vornehmsten Nahrungsmittel dieses Volkes, über dessen Ursprung so viele systematische Träumereien ausgeheckt worden sind. Diese Nahrung weist bestimmt darauf hin, daß die Guanchen zu den Völkern der alten Welt gehörten, wohl selbst zur caucasischen Race, und nicht, wie die andern Atlanten (Ich lasse mich hier auf keine Verhandlung über die Existenz der Atlantis ein und erwähne nur, daß nach Diodor von Sicilien die Atlanten die Cerealien nicht kannten, weil sie von der übrigen Menschheit getrennt worden, bevor überhaupt Getreide gebaut wurde), zu den Volksstämmen der neuen Welt; die letzteren kannten vor der Ankunft der Europäer weder Getreide, noch Milch, noch Käse.”
(Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1803 und 1804)

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Montag, 21. März 2011
Der Cicerone

So, der Mond rundete sich wieder, wir sind schon einen Monat hier; darum auf zu neuen Unternehmungen, meine Damen und Herrn! Höchste Zeit, daß wir die Hauptstadt Heiligkreuz einmal verlassen und etwas mehr von der Insel in Augenschein nehmen. Zu unserem Cicerone, so hießen die Fremdenführer mit Ahnung damals, haben wir uns einen vielversprechenden jungen Mann auserkoren, noch keine dreißig Jahre alt und im Begriff, zur Reise seines Lebens aufzubrechen. Seine Mutter trug den Mädchennamen Colomb, und ihn selbst hat man später einen zweiten Kolumbus genannt, persönlich bezeichnete er sich nach einem Studium u.a. in Göttingen früh als “Nomade zwischen den Wissenschaften”, alles Referenzen, die ihn uns wärmstens empfahlen. Er selbst führte sich bei uns mit den folgenden Worten ein:

“Von früher Jugend auf lebte in mir der sehnliche Wunsch, ferne, von Europäern wenig besuchte Länder bereisen zu dürfen... Dinge, die wir nur aus den lebendigen Schilderungen der Reisenden kennen, haben ganz besonderen Reiz für uns; Genüsse, die uns nicht erreichbar sind, scheinen uns weit lockender, als was sich uns im engen Kreise des bürgerlichen Lebens bietet.”

Genug, junger Mann, das genügt. Sie sind engagiert.
“Im März 1799 wurde ich dem Hofe von Aranjuez vorgestellt. Der König nahm mich äußerst wohlwollend auf”, vollendete er noch, nicht ohne Stolz.
Vom Ersten Staatssekretär hatte er einen Paß erhalten, der ihm volle Reisefreiheit in allen spanischen Besitzungen gewährte und ihn ermächtigte, überall Beobachtungen und Messungen vorzunehmen und Proben zu sammeln, “die ich zur Förderung der Wissenschaft gut finde. Nie hat die spanische Regierung einem Fremden größeres Vertrauen bewiesen. - Und wir sind niemals einer Spur von Mißtrauen begegnet, haben uns nie über menschliche Ungerechtigkeit zu beklagen gehabt.” Und das alles, obwohl Spanien sich damals im Weltkrieg mit England befand.

“Der Augenblick, wo man zum erstenmal von Europa scheidet, hat etwas Ergreifendes. Getrennt von den Wesen, an denen unser Herz hängt, im Begriff, gleichsam den Schritt in ein neues Leben zu tun, ziehen wir uns unwillkürlich in uns selbst zusammen, und über uns kommt ein Gefühl des Alleinseins, wie wir es nie empfunden.
Wir brauchten zur Überfahrt von Coruña nach den Kanarien dreizehn Tage.
Am 19. morgens sahen wir den Berggipfel Naga, aber der Pic von Teneriffa blieb fortwährend unsichtbar. Das Land trat nur undeutlich hervor, ein dicker Nebel verwischte alle Umrisse. Als wir uns der Reede von Santa Cruz näherten, bemerkten wir, daß der Nebel, vom Winde getrieben, auf uns zukam. Das Meer war sehr unruhig, wie fast immer in diesen Strichen. Wir warfen Anker. Aber eben, da man anfing den Platz zu salutieren, zerstreute sich der Nebel völlig, und da erschien der Pic des Teide in einem freien Stück über den Wolken.”



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Mittwoch, 16. März 2011
Auditorio de Tenerife
Auditorio de Tenerife

Ich bin mir recht sicher, daß Señor Santiago Calatrava Valls mindestens eine Karnevalssaison auf Teneriffa und die ausgiebige Lust seiner Bewohner am Feiern miterlebt hat. Nachdem er dort bereits eine neue Messehalle gebaut hatte, bekam er 1989 den Auftrag, für Santa Cruz eine Konzert- und Kongreßhalle zu bauen. 2003 wurde das Gebäude eingeweiht. Vierzehn Jahre nach Auftragserteilung.




Calatrava dürfte seine Dauerbaustelle für fast anderthalb Jahrzehnte einige Male mit unguten Gefühlen besucht haben, aber das Endergebnis kann sich wahrlich sehen lassen. Wegen ihrer Lage und ihrer elegant geschwungenen Form hat man die Halle oft neben Jørn Utzons Sydneyer Opernhaus gehalten und sie wegen ihres hohen Sonnensegels mit einem Segelboot oder einer überschlagenden Welle verglichen.




Für das leuchtende Weiß der Außenwände hat Calatrava, auch als Hommage an Gaudí, Bruchstücke weißer Keramik (Trencadís) verwendet.







Seit letzter Woche bin ich überzeugt, daß Calatrava, der Architekt des Kunst- und Wissenschaftszentrums in Valencia, des “Turning Torso” in Malmö und vieler anderer schöner Bauwerke (selbst über die Kanäle bei Hoofddorp in Holland hat er drei Brücken gespannt, deren Schwung nichts mit der schweren Nässe des Haarlemmermeers gemein hat), daß Calatrava dem Auditorio de Tenerife eine Narrenkappe aufgesetzt hat.


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Dienstag, 15. März 2011
Remain of the Nights



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