Oh ja, der Kaiserdom zu Königslutter, vom Stifter, Kaiser Lothar III. von Süpplingenburg, als Entsprechung oder Gegenstück zum Kaiserdom der Salier in Speyer zur Grablege einer neuen Dynastie sächsischer Kaiser bestimmt, ist ein für seine Bauzeit einzigartiges und herausragendes Bauwerk.
„Das erste Großgewölbe nördlich des Harzes” besaß mit einer Länge von 75 Metern und 18 Metern Höhe damals durchaus majestätische Ausmaße. Heute ist man andere Dimensionen gewöhnt. Für den Bau und seine künstlerische Ausgestaltung ließ der Kaiser eigens Steinmetze und mit Nikolaus von Verona einen bekannten Baumeister und Bildhauer aus der traditionsreichen Schule der Magistri Comacini aus Oberitalien holen, deren Arbeiten er auf seinem ersten Italienzug im Jahr 1133 kennengelernt hatte. Leicht verrätselt und stolz hat sich Meister Nikolaus selbst an der Außenwand des Ostchors im sogenannten „Königslutterer Jagdfries” ein Denkmal gesetzt. Zu recht, denn er hat seine Arbeit in einer bis dahin im Norden Deutschlands unbekannten Qualität ausgeführt. Das gilt sowohl für die handwerkliche Sorgfalt und Perfektion, mit der die Quader aus Elmkalkstein gesetzt und verfugt wurden, als auch für die künstlerische Qualität der Bauskulpturen.
Bald nach dem Tod des Kaisers 1137 oder spätestens nach dem seiner Gemahlin, der Kaiserin Richenza 1141 – beide wurden in der noch unfertigen Klosterkirche in Königslutter beigesetzt –, dürften die Italiener abgereist sein. Zwar hatten sie den Gesamtgrundriß der Kirche festgelegt und auch schon die Ostteile sowie den Nordflügel des Kreuzgangs einschließlich der Kapitelle und des Frieses an der Apsis gebaut, doch dann wurde ihr Plan nur noch auf eine abgespeckte, billigere und ortsüblichere Weise umgesetzt: Statt eines Deckengewölbes, das in den östlichen Jochen der Seitenschiffe bereits baulich vorbereitet war, wurde eine einfache Hallendecke aus Holz eingezogen, und das Westwerk erhielt einen sogenannten „Sächsischen Westriegel”, der wahrscheinlich aus Breitwohntürmen des sächsischen Adels hervorgegangen war. Den hatten die Italiener bestimmt nicht vorgesehen.
Das dahingegangene Kaiserpaar wohl auch nicht. Es hinterließ keinen männlichen Erben, und so wurde es nichts mit einer Dynastie der Supplinburger, aber von diesem Wunsch hatte sich Lothar wohl schon lange vor seinem Tod verabschiedet. Zwar hatte er im besten Alter von 25 die erst 13-jährige Richenza von Northeim geheiratet, die ihm als Erbin zweier bedeutender sächsischer Familien (der Northeimer Grafen väterlicherseits und der Brunonen mütterlicherseits) reichen Grundbesitz in verschiedenen Teilen Sachsens einbrachte, der zur Basis seiner Hausmacht wurde, nachdem ihn König Heinrich V. 1106 mit dem sächsischen Herzogtum belehnt hatte, einen Stammhalter aber schenkte sie ihm nicht.
Lothar war bereits 40, als Richenza eine Tochter zur Welt brachte, die nach Richenzas Mutter Gertrud getauft wurde. Auf weitere Nachkommen rechnete Lothar wohl nicht mehr, und so benutzte er 1125 seine verwöhnte Tochter für einen heimlichen Deal auf Gegenseitigkeit:
Als Führer der sächsischen Adelsopposition bekämpfte Lothar offen seinen Lehnsherrn, den König. Heinrich V. aber litt bereits an Krebs, und als er sich mit nur 39 Jahren in Utrecht aufs Sterbebett legte, übergab er seine Güter seinem Neffen, Herzog Friedrich von Schwaben aus der Familie der Staufer. Die Versammlung zur Wahl eines neuen Königs in Mainz nahm jedoch einen überraschenden Ausgang. Denn in einem zweiten Wahlgang wurde nicht der quasi designierte und mit dem verstorbenen König verwandte Staufer gewählt, sondern durch einen vom welfischen Bayernherzog Heinrich dem Schwarzen herbeigeführten Parteiwechsel der bayerischen Wahlmänner der zunächst für chancenlos erachtete Sachsenherzog Lothar. – Keine zwei Jahre später verheiratete Lothar seine gerade 12 Jahre und damit heiratsfähig gewordene Tochter Gertrud von Süpplingenburg mit dem Sohn und Nachfolger Heinrichs des Schwarzen, Heinrich dem Stolzen.
Als Ehemann der Tochter des vorletzten Sachsenherzogs, Magnus Billung, hatte sich Heinrich der Schwarze von Bayern einst berechtigte Hoffnungen auf eine Belehnung auch mit dem sächsischen Herzogtum gemacht, doch hatte König Heinrich V. ihm den damals noch recht unbedeutenden Lothar vorgezogen. Indem Lothar nach seiner Königswahl Heinrich den Stolzen zu seinem Schwiegersohn erkor, ebnete er dem Welfen nun den Weg zur Nachfolge im Herzogtum Sachsen und womöglich auch auf dem deutschen Königsthron. Mit seiner Gefälligkeit bei der Königswahl in Mainz hatte Heinrich der Schwarze den Welfen das einzige in greifbare Nähe geholt, was ihnen noch fehlte: der Aufstieg zur allerhöchsten Würde, zum römisch-deutschen Kaisertum.
Doch bei der Wahl nach dem Tod des Süpplingenburgers vermochten die Staufer den Spieß umzukehren. Diesmal wurde wiederum nicht der mit dem verstorbenen König am nächsten verwandte Kandidat, also der Welfe Heinrich, gewählt, sondern diesmal entschieden sich die Fürsten für den bereits einmal als Gegenkönig aufgetretenen Staufer Konrad III. Heinrich der Stolze sei ihnen bereits zu mächtig und zu überheblich gewesen, hielt Bischof Otto von Freising, ein Halbbruder Konrads III., in seiner Chronica fest. Heinrich habe sich gebrüstet, daß seine Besitzungen längst „a mari usque ad mare”, von Meer zu Meer reichten, von Dänemark bis Sizilien.
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