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Dienstag, 13. Oktober 2015
Kirchhorst

Bis Hannover ging es sehr schnell. Ja, klar,„was heißt schon New York? Großstadt ist Großstadt; ich war oft genug in Hannover”, aber dann ging’s bei Kirchhorst von der Autobahn ab. Nur als Namensgeber des dortigen Autobahnkreuzes kennt man Kirchhorst heute noch, aber während des Zweiten Weltkriegs und danach war es der Wohnort Ernst Jüngers, an dem er einige Schicksalsschläge seines langen und an Erlebnissen wahrlich nicht armen Lebens einstecken mußte.
„Es gibt nur eine Maxime — nämlich die, daß man sich mit dem Tode befreunden muß”, schrieb er dort im Juni 1943 in sein Tagebuch und ging in den Garten. Am nächsten Tag trug er ein: „Der Weinstock hält sich durch die verholzten vor- und mehrjährigen Ranken mit festerem Griff als mit den noch grünenden. Das ist ein gutes Beispiel für die Rolle der abgestorbenen Organe im Plan der Natur. Das Tote wirkt mit, und zwar nicht nur historisch, sondern aktuell. Das »Tot-Mitwirkende« hat, wie hier das Holz, niemals bloßen Werkzeugcharakter, sondern der Nachklang des Lebens schwingt in ihm.”

Über ein Jahr später kehrte er aus Frankreich nach Kirchhorst zurück. „Sah unterwegs zu meinem Erstaunen, daß sich die Ruinen bereits begrünten; Gräser und Kräuter siedeln auf den Mauertrümmern im Inneren der Stadt.
Im Hause neue Flüchtlinge. Der Garten verwildert, die Zäune verfallen; die Flure sind mit Koffern und Kisten gefüllt.
Große Ölvorräte brannten jenseits des Moores unter bleigrauen Rauchwolken ab. Die nächtlichen Geräusche sind seit 1940 bedeutend bösartiger geworden; der Eindruck der Katastrophe wächst.
Ich bin zur Führungsreserve beurlaubt und warte das letzte Stadium des Ganges ab. Auch dieses ist hochgefährlich; so beginnen die Lemuren eine große Anzahl von Morden auszuführen, die schon auf den Zustand nach ihrem Tode berechnet sind. ” (16.9.1944)

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