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Samstag, 31. Oktober 2015
Die Bescheidenheit der Welfen

Um Himmels Willen die Welfen! Die haben sich schon in früher Zeit, d.h. im 12. Jahrhundert, in ihrer Historia Welforum als die ersten von allen Adelsfamilien einen Stammbaum zurechtbasteln lassen, der sämtliche anderen nördlich der Alpen wie bedeutungslose Newcomer aussehen läßt.
Indem ihre klerikalen Schreiberlinge den Leitnamen des Geschlechts, Welf, mit catulus, dann catilina ins Lateinische übersetzten, konnten sie im Handumdrehen an die konstruierte Legende andocken, derzufolge die Franken Nachkommen von entkommenen Trojanern seien, wie es z.B. im Annolied hieß, das um 1000 im Kloster Siegburg entstand:
„Troiêri vuorin in der werilte / wîdin irri after sedile” (Die Trojaner irrten auf der Suche nach Wohnsitzen weit in der Welt umher). „Enêas irvaht im Walilant (Äneas erfocht sich Welschland). „Franko gesaz mit den sînin / vili vere nidir bî Rîni / dâ worhtin si duo mit vroudin / eini luzzele Troii”, Franko ließ sich mit den Seinen / weit weg am Rhein nieder / Da erbauten sie mit Freuden / ein kleines Troja...
Durch Äneas waren die Römer Nachfahren der Trojaner, und durch den Eponym Franko wurden die Franken flugs ebenfalls zu solchen erklärt.

Ein Vorfahr des ersten Welf, so beginnt dann die um 1170 entweder am Hof Herzog Welfs VI. von Spoleto oder in der Umgebung Heinrichs des Löwen geschriebene Historia Welforum, habe die Tochter eines römischen Senatoren namens Catilina geheiratet, und der edle Römer habe seinen Namen an das Kind der beiden, seinen Enkel, weitergegeben. Der Name sei dann eingedeutscht worden zu Welf. Die Welfen stammten also nach ihrer hauseigenen Überlieferung im Frauenstamm von einem purpurgewandeten römischen Senator ab. Damit konnten nicht einmal die regierenden Staufer mithalten.

Der erste historisch faßbare Vertreter des Welfengeschlechts war ein fränkischer Graf namens Ruthard mit Gutsbesitz im Elsaß oder in Lothringen, der dem fränkischen König Pippin bei der Eingliederung Alemanniens diente und dafür mit der Grafschaft im Argengau am Nordostufer des Bodensees belohnt wurde. So kamen die Welfen nach Süddeutschland, zeichneten sich dort wohl als treue Sachwalter der Karolinger aus und wurden dafür bestens belohnt, denn gleich zwei Enkelinnen Graf Ruthards heirateten direkte Nachkommen Karls des Großen: eine Welfin namens Judith wurde mit Karls Sohn und Nachfolger, Kaiser Ludwig dem Frommen, verheiratet und Kaiserin, und ihre Schwester Hemma heiratete einen Sohn Ludwigs des Frommen aus erster Ehe, König Ludwig II. („der Deutsche”) von Ostfranken (Austrien).
„Später werden Chronisten nicht weniger als neun verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Karolingern und Welfen feststellen, worauf die Welfen nicht einmal besonders stolz sind”, schrieb Paul Barz in seiner Biografie Heinrichs des Löwen. „In ihren Augen haben eher die Karolinger Grund, auf ihre Verbindung mit den Welfen stolz zu sein. Denn Minderwertigkeitsgefühle sind in ihren Kreisen unbekannt.”

Das kann man wohl sagen. Obwohl die ganze Familienherrlichkeit auch schon vier Generationen vor Welf VI. hätte zu Ende sein können. Genau vor 960 Jahren, im November 1055 starb nämlich mit Welf III., Herzog von Kärnten, der letzte Welfe im Mannesstamm und hinterließ keinen Erben. Sein gesamtes Eigentum hatte er auf dem Sterbebett dem von ihm gegründeten Kloster Weingarten vermacht. Damit wären die Welfen eigentlich von der historischen Bildfläche verschwunden.

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