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Montag, 5. Oktober 2015
Durch die Alpen
Wie lange brauchte Hannibal für seine Überquerung der Alpen?
16 Tage, sagen die antiken Quellen, und das galt als absolute Meisterleistung. In weniger als 6 Stunden schafft man es heute locker. Egal, ob von Udine, Italien, oder Jesenice, Slowenien, aus, das Tal des Tagliamento oder den Oberlauf der Save hinauf zur Drau, ein paar Viadukte und Tunnel später ist man schon unter den Tauern durchgetaucht und im Salzachtal angelangt, sieht vielleicht ein wenig von den Eisriesen, rollt aber eigentlich schon der Grenze zu, und ist wenig später in Voralpendeutschland angekommen. Zigtausende vollbringen diese Leistung jeden Tag. Nichts Besonderes. Auch kein besonderes Erlebnis mehr, wie etwa damals im Sommer 1728:

„Wenn Titans erster Strahl der Gipfel Schnee vergüldet
Und sein verklärter Blick die Nebel unterdrückt,
So wird, was die Natur am prächtigsten gebildet,
Mit immer neuer Lust von einem Berg erblickt;
Durch den zerfahrnen Dunst von einer dünnen Wolke
Eröffnet sich zugleich der Schauplatz einer Welt.”

Titan kommt bei uns nur noch in Fahrradrahmen und Golfschlägern vor, und aus dem Tiguan erblickt man durch den zerfahrnen Dunst von einer dünnen (Diesel)wolke vor allem die Rücklichter der im Autobahntunnel Vorausfahrenden.
Da sah Albrecht von Haller auf seiner Alpenwanderung 1728 noch ganz anderes und schrieb darüber das erste Alpengedicht der deutschsprachigen Literatur:

„Ein angenehm Gemisch von Bergen, Fels und Seen
Fällt nach und nach erbleicht, doch deutlich, ins Gesicht,
Die blaue Ferne schließt ein Kranz beglänzter Höhen,
Worauf ein schwarzer Wald die letzten Strahlen bricht;
Bald zeigt ein nah Gebürg die sanft erhobnen Hügel,
Wovon ein laut Geblök im Tale widerhallt;
Bald scheint ein breiter See ein Meilen-langer Spiegel,
Auf dessen glatter Flut ein zitternd Feuer wallt;
Bald aber öffnet sich ein Strich von grünen Tälern,
Die, hin und her gekrümmt, sich im Entfernen schmälern.

Hier zeigt ein steiler Berg die Mauer-gleichen Spitzen,
Ein Wald-Strom eilt hindurch und stürzet Fall auf Fall.
Der dick beschäumte Fluß dringt durch der Felsen Ritzen
Und schießt mit gäher Kraft weit über ihren Wall.
Das dünne Wasser teilt des tiefen Falles Eile,
In der verdeckten Luft schwebt ein bewegtes Grau,
Ein Regenbogen strahlt durch die zerstäubten Teile
Und das entfernte Tal trinkt ein beständig Tau.
Ein Wandrer sieht erstaunt im Himmel Ströme fließen,
Die aus den Wolken fliehn und sich in Wolken gießen.

Bald, wann der trübe Herbst die falben Blätter pflücket
Und sich die kühle Luft in graue Nebel hüllt,
So wird der Erde Schoß mit neuer Zier geschmücket...
Der Birnen süß Geschlecht, die Honig-reiche Pflaume
Reizt ihres Meisters Hand und wartet an dem Baume...

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