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Montag, 25. Mai 2015
KEX | Neue Reykjavíker Kaffeehauskultur


Nachdem nun auch endlich der letzte Nightlife-Spotter vom Hintertupfinger Tagblatt ganz neu entdeckt hat, daß in den Reykjavíker Wochenendnächten „aber sowas von die Post abgeht”, tritt das Thema seit einiger Zeit im einschlägigen Lifestylegazettenwald etwas in den Hintergrund. Ich erinnere mich, daß das Kundenmagazin für den Mini, „The MINI International”, schon in einem seiner ersten Jahrgänge, also vor mindestens zehn Jahren, ein ganzes Heft über Reykjavík und sein fideles Nachtleben gemacht hat. Damals galt es im Ausland noch als Neuigkeit, daß sich Damon Albarn in eine Reykjavíker Bar eingekauft hatte, eben weil in dem 100.000-Seelendorf zwei Strich unter dem Polarkreis aber sowas von... (Der Guardian hatte schon im Jahr 2000 berichtet.)
Gut also, wenn das Thema endlich als abgefrühstückt gilt und wenigstens zu anderen Zeiten als freitags- und samstagsnachts auch einmal etwas mehr Ruhe und weniger Gedränge in den wirklich zahlreichen Kneipen und Bars in der Reykjavíker Innenstadt eintritt, denn manchmal, z.B. nach einem stundenlangen Rundgang bei ungemütlichem Wetter, möchte man doch einfach irgendwo einkehren und zum Aufwärmen einen Tee oder Kaffee trinken.

Ich bedauere es übrigens sehr, daß auch Reykjavík längst von dieser Barista-Angeberei heimgesucht wird; denn bevor diese Quacksalber ihre „Kreationen” mit allen möglichen ungenießbaren Additiven zusammendampften, -rührten und -schüttelten, gab es überall auf der Insel noch die gute alte, gastfreundliche Tradition des Nachfüllens: Man bezahlte für einen Kaffee und durfte nach Belieben immer wieder nachnehmen. Arme Rucksacktouristen und Studierende nutzten das manchmal weidlich aus, doch skandinavischer Anstand gebot als ungeschriebene Regel, nicht mehr als noch zweimal die Luft aus der Tasse zu lassen. Zugegeben, diese schwarze Brühe in den Glaskolben, die mit zunehmender Verweildauer auf den elektrischen Warmhalteplatten verbitterte, hatte im fortgeschrittenen Stadium mit Kaffee nicht mehr viel zu tun, doch dann trat die Cafetière, auf Wikipediadeutsch auch zutreffend Pressstempelkanne genannt, ihren Siegeszug an und kam natürlich binnen kurzer Zeit nach Island. Fortan bekam man in den meisten besseren Cafés der Hauptstadt (wie etwa im damaligen Sólon Íslandus) beim Bestellen eines Kaffees gleich eine volle Presskanne auf den Tisch gestellt. Seitdem sich aber immer mehr Menschen statt an Kaffee unbedingt an „Lattemackjato”, oder wie all das gepantschte Zeug auch schickerweise genannt werden soll, den Mund verbrennen möchten, ist diese schöne Gastfreiheit leider passé.



Kaffee und das was als solcher unter diversen Pseudonymen ausgegeben wird ist aber immer noch das Nationalgetränk der Isländer, und der Möglichkeiten, in Reykjavík seinen Koffeinpegel aufzufüllen, sind mehr als man in einem üblichen Islandurlaub ausprobieren kann. Der Isländer, der auf seiner Insel weit draußen im Nordatlantik immer nur im Kreis fahren kann, ohne je ein anderes Land zu erreichen, liebt wie andere Erdenbürger auch die Abwechslung, und darum müssen in jeder Saison Dutzende neuer Kneipen, Bars, Cafés eröffnet werden, damit die Isländer wie ein Schwarm Wanderheuschrecken in die neusten Trendlokale einfallen können (worauf die Clubs aus dem Vorjahr leise und unauffällig schließen, umbauen und im übernächsten Jahr als brandneue, heiße Location ihre Pforten wieder öffnen). Außenstehende Touristen und andere Zugereiste können angesichts der Vielfalt dieser stets wieder anderswo ins Kraut schießenden Kneipen-, Bar- und Kaffeehausflora natürlich nicht wissen, wo „man” gerade hingeht und sich trifft, und vielleicht ist das ja ein von einheimischer Seite nicht ganz unbeabsichtigter Nebeneffekt dieser isländischen Kaffee-und-Kneipentranshumanz.
Nicht weiter verwunderlich auch, daß in einem Land, das abgesehen von Fischfabriken und Aluminiumhütten kaum eigene Industrie kennt, so etwas wie Fabriklofts als letzter Schrei der Innenarchitektur gelten. Dem entsprechend angesagt ist seit mittlerweile schon einiger Zeit das in einer ehemaligen Keksfabrik mit kunterbuntem Shabby chic eingerichtete KEX, aus dem die beigesellten Aufnahmen stammen.

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Bedeutet
das umgekehrt, dass man als Besucher von Lokationen, die nicht mehr "in" sind (aber bestimmt auch gemütlich, oder?), plötzlich ganz alleine seinen Kaffee trinken muss? In beschaulicher Ruhe etwa seine Zeitung oder ein Buch lesen kann?

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Kann schon mal vorkommen,
daß man vorübergehend als einziger Gast in einem Café sitzt, wenn man's drauf anlegt, aber meist ist doch auch der eine oder andere kaffeesüchtige Isländer da.


Kaffi Vest, Reykjavík

Wie z.B. hier in dem ganz neuen und recht netten Kaffi Vest etwas außerhalb des eigentlichen Zentrums in der Weststadt gleich gegenüber von dem dortigen Freibad. Vielleicht das erste richtige Stadtteilcafé in Island.

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