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Dienstag, 19. Mai 2015
Matador * in Reykjavík

Alt-Reykjavík wächst weiter in die Erde, das neue weiter in den Himmel.


Um die Bewohner des gut erhaltenen, alten Holzhauses kann es einem nur leid tun, da um sie herum all diese erhofften Renditebringer wie Pilze aus dem Boden schießen; erst recht, wenn man weiß, daß sie vor dem Bau der neuen Hochhausfront einen unverstellten Blick auf die gleich dahinter beginnende weite Bucht von Reykjavík, die Berge jenseits davon und den offenen Atlantik genossen. Und sage jetzt keiner, dieser privilegierte Blick werde durch die neuen Blocks sozusagen demokratisiert, denn es ist vollkommen klar, für welche Klientel die neuen Luxusapartments gebaut werden. Sie machen im Gegenteil etwas zutiefst Undemokratisches sichtbar, nämlich daß sich innerhalb der jahrhundertelang fast egalitären Gesellschaft Islands neuerdings die Schere zwischen Arm und Reich sehr schnell immer weiter öffnet.

Als ich hier ankam, fragte ich den Taxifahrer, der mich zu meiner Unterkunft brachte, wie es denn nach der Krise von 2008 inzwischen so gehe. Seine Antwort: „Der Oberschicht geht es gut.” –
Das Wort Oberschicht (yfirstétt) kam früher in normaler Alltagskonversation so gut wie nicht vor. Jetzt gehört es zum selbstverständlichen Wortschatz. Ein isländischer Freund, dem ich von der Episode erzählte, relativierte den Sachverhalt und machte ihn zugleich noch gravierender. „Auch früher gab es natürlich auch bei uns schon eine Schicht von Bessergestellten, aber früher konnte im Prinzip jeder den Aufstieg in diese Oberschicht schaffen. Inzwischen ist der Abstand so groß geworden, daß das praktisch unmöglich ist.”

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