Kleist,die arme Socke. Aus einer alten und weit verzweigten Adels- und Offiziersfamilie stammend, war von Anfang nichts anderes als eine militärische Laufbahn für ihn vorgesehen. Sein Vater diente in Frankfurt/Oder als Stabsoffizier in einem preußischen Infanterieregiment. Er starb 1788. Söhnchen Heinrich, gerade mal zehn Jahre alt, kam zu einem Erzieher in die Hauptstadt Berlin, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, mit 14, ließ ihn die Mutter als Offiziersanwärter in das prestigeträchtige Regiment Garde in der Residenz Potsdam eintreten. Heinrich von Kleist, nach Aussage seines Hauslehrers Christian Ernst Martini ein “nicht zu dämpfender Feuergeist”, wurde von der Drillmaschinerie der preußischen Armee in die Mangel genommen.
Mit 15 mußte er in den Krieg, den Krieg der europäischen Reaktion gegen die revolutionäre französische Volksarmee. Später nahm er mit seinem Regiment an der Belagerung der Republik Mainzer Jakobiner teil. Nach Beendigung des Feldzugs wurde Kleist zum Fähnrich befördert und schob fortan Garnisonsdienst. An seinen alten Lehrer Martini schrieb er nach vier Jahren Drill und Exerzieren:
“... wurde mir der Soldatenstand, dem ich nie von Herzen zugetan gewesen bin, weil er etwas durchaus Ungleichartiges mit meinem ganzen Wesen in sich trägt, so verhaßt, daß es mir nach und nach lästig wurde, zu seinem Zwecke mitwirken zu müssen. Die größten Wunder militärischer Disziplin... wurden der Gegenstand meiner herzlichsten Verachtung. Wenn das ganze Regiment seine Künste machte, schien es mir als ein lebendiges Monument der Tyrannei... In solchen Augenblicken mußte natürlich der Wunsch in mir entstehen, einen Stand zu verlassen, in welchem ich... immer zweifelhaft war, ob ich als Mensch oder als Offizier handeln mußte; denn die Pflichten beider zu vereinen, halte ich bei dem jetzigen Zustande der Armeen für unmöglich.” (Brief vom 19.3.1799)
Die klare Unterscheidung zwischen Mensch und Offizier – für einen Mann aus solcher Familie und solchem Umfeld aller Ehren wert!
Trotzdem hat die jahrelange Zurichtung durch die preußische Militärmaschine und ihren Offiziersgeist im Gemüt des jungen Mannes – Kleist war erst 21, als er den Dienst quittierte – tiefe Spuren hinterlassen. Es gibt doch kaum eine Novelle oder ein Drama von ihm, in denen nicht gekämpft oder Krieg geführt würde: Der Zweikampf, Michael Kohlhaas, Prinz Friedrich von Homburg, Die Herrmannsschlacht, Penthesilea.
Das gilt vordergründig auf der Handlungsebene, es gilt aber auch grundlegender für Kleists Art, zu denken, zu schreiben oder zu leben: Konflikte werden von ihm in seinen Texten stets polarisierend auf die Spitze und ins Extrem getrieben, zu unversöhnlichen Antagonismen, in denen die gegeneinander stehenden Kräfte aufeinander losgehen, um den anderen zu vernichten und auszulöschen.
“Wenn euer Landesherr käme, und spräche, ich will mich, mit dem ganzen Troß derer, die mir das Szepter führen helfen, vernichten – vernichten, versteht Ihr, welches allerdings der größte Wunsch ist, den meine Seele hegt”, sagt Kohlhaas, “so würde ich zu ihm sprechen: du kannst mich auf das Schafott bringen, ich aber kann dir weh tun, und ich wills!”
In seinem ersten vollendeten Drama, der Familie Schroffenstein, ruft der alte Schroffensteiner:
“Sie haben mich zu einem Mörder
gebrandmarkt boshaft, im voraus. – Wohlan,
so sollen sie denn recht gehabt auch haben.”
Und handelt entsprechend.
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