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Sonntag, 18. November 2012
Der Waldgang (VI. und letzte)

9| "Wenn hier vom Einzelnen gesprochen wird, dann ist der Mensch damit gemeint... der freie Mensch. – Dieser Mensch ist keine Ausnahme, stellt keine Elite dar. Er verbirgt sich vielmehr in jedem.

Wer Katastrophen entronnen ist, der weiß, daß er es im Grunde der Hilfe von einfachen Menschen verdankt, über die der Haß, der Schrecken, der Automatismus der Gemeinplätze nicht Macht gewann.

[Es ist] schließlich so, daß auf der Galeere, auf der wir leben, das Funktionale immer wieder von Menschen durchbrochen wird, sei es durch ihre Güte, sei es durch ihre Freiheit oder durch ihren Mut zur unmittelbaren Verantwortung. – Durch dieses Auftauchen aus den Funktionen leben wir.

Man kann sich jedoch nicht darauf beschränken, im oberen Stockwerk das Wahre und das Gute zu erkennen, während im Keller den Mitmenschen die Haut abgezogen wird... und zwar aus dem Grunde, weil das unerhörte Leiden von Millionen Versklavter zum Himmel schreit. – Um solche Dinge schwindelt man sich nicht herum.

10| “Der Mensch... muß die Punkte kennen, an denen er sich seine souveräne Entscheidung nicht abkaufen lassen darf.
Jeder Komfort muß bezahlt werden. Die Lage des Haustiers zieht die des Schlachttiers nach.
Das zeigt sich in den Phasen stärkster Bedrohung, in denen die Apparate den Menschen nicht nur im Stich lassen, sondern ihn in einer Weise umstellen, die ohne Aussicht scheint. Dann hat er zu entscheiden, ob er die Partie verloren geben oder sie aus innerster und eigener Kraft fortsetzen will. In diesem Fall entschließt er sich zum Waldgange."

(Ernst Jünger: Der Waldgang)


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