5| “Die Furcht gehört zu den Symptomen unserer Zeit... Tatsächlich hängen wachsender Automatismus und Furcht ganz eng zusammen, und zwar insofern, als der Mensch zugunsten technischer Erleichterungen sich in der Entscheidung beschränkt. Das führt zu mannigfaltiger Bequemlichkeit. Notwendig muß aber auch der Verlust an Freiheit zunehmen.
Die Absicht in allen Systemen richtet sich auf... Zähmung und Dressur im Sinne des Kollektivs. Daß aber gerade das Kollektiv als das Unmenschliche auftritt, gehört zu den Erfahrungen, die wenigen erspart bleiben.
Die Menschen sind im Kollektiven und Konstruktiven auf eine Weise eingebettet, die sie sehr schutzlos macht. Sie geben sich kaum darüber Rechenschaft, wie ganz besonders stark in unserer Zeit der Aufklärung die Vorurteile geworden sind. Dazu kommt das Leben aus Anschlüssen, Konserven und Leitungen; die Gleichschaltungen, Wiederholungen, Übertragungen. – Plötzlich kommt dann die Ächtung, oft wie aus heiterem Himmel: Du bist ein Roter, Weißer, Schwarzer, ein Russe, Jude, Deutscher...
Wenn man in diesen Jahren an jedem beliebigen Punkt Europas mit Bekannten oder Unbekannten im Gespräch zusammensitzt, so wird... man bald erkennen, daß fast alle diese Männer und Frauen von einer Panik erfaßt sind... daß sie sich mit einer Art Besessenheit in ihre Furcht hineinstürzen... und bei voller Freiheit schon darauf sinnen, durch welche Mittel und Listen sie sich die Gunst des Niederen erwerben können, wenn es zur Herrschaft kommt. Und mit Entsetzen ahnt man, daß es keine Gemeinheit gibt, der sie nicht zustimmen werden, wenn es gefordert wird.
Nun sind aber dieselben Menschen nicht nur ängstlich, sondern fürchterlich zugleich. Die Stimmung wechselt von der Angst zu offenem Hasse, wenn sie jenen schwach werden sehen, den sie eben noch fürchteten. – Die Panik wird sich noch verdichten, wo der Automatismus zunimmt... sie wird durch Netze verbreitet, die mit dem Blitz wetteifern. Schon das Bedürfnis, mehrere Male am Tag Nachrichten aufzunehmen, ist ein Zeichen der Angst.”
6| “Die Welt ist so beschaffen, daß immer wieder das Vorurteil, die Leidenschaften Blut fordern werden, und man muß wissen, daß sich das niemals ändern wird... ewig unterhält die Dummheit ihr Tribunal. Man wird hinausgeführt, weil man die Götter verachtete, dann weil man ein Dogma nicht anerkannte... Dieser Prozeß ist ewig, und die Banausen, die in ihm als Richter saßen, trifft man auch heute an jeder Straßenecke, in jedem Parlament.”
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