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Donnerstag, 1. November 2012
Borgå

Alte Speicher am Borgå

Borgå, idyllische kleine Stadt an Fluß und Küste, die früher ein so wichtiger Ort für Finnland war. Im Mittelalter drangen hier die schwedischen “Kreuzfahrer” ins Land ein, die die heidnischen Finnen und Samen christianisieren, vor allem aber kolonisieren und brandschatzen wollten, und später gingen von hier alle erjagten Pelze aus dem Binnenland über die Ostsee nach Tallinn (damals Reval) und damit in das große Ostseehandelsnetz der Hanse ein.
Borgå wurde eine so bedeutende Handelsstadt, daß sie von dänischen Piraten überfallen und von russischen Marodeuren mehrfach niedergebrannt wurde.
Nachdem 1710 Wiborg verloren war, wurde Borgå Bischofssitz mit angeschlossenem Gymnasium und der ersten öffentlichen Bibliothek des Landes, und nach der Annexion Finnlands berief Zar Alexander I. 1809 einen Landtag der Stände nach Borgå ein und legte in der Domkirche aus dem 15. Jahrhundert seinen Eid auf die Wahrung der schwedischen Gesetze, Sprache, Konfession und Stände in einem autonomen Großfürstentum Finnland ab. – Es war das erste Mal im Leben des Zaren, daß ihm Bauern aufrecht gegenüberstanden und nicht mit dem Gesicht zu Boden vor ihm auf den Knien lagen. Und anders als seinen russischen Leibeigenen gestand der Zar seinen neuen finnischen Untertanen auch aus bäuerlichem Stand den aufrechten Gang zu.
Den Zaren mit Namen Alexander bewahrt die Stadt bis heute ein dankbares Angedenken.

Borgå, Neubausiedlung

Im Auftrag von Nikolaus I. entwarf Carl Ludwig Engel, der auch das Stadtzentrum von Helsinki schuf, den Plan zu einem gänzlich neuen, großzügigen Stadtteil Borgås, der Empirestadt.

Eines der stattlichsten Holzhäuser dort bezog der finnische Nationaldichter Johan Ludvig Runeberg, als er 1837 den Posten eines Lateinlehrers am Gymnasium übernahm. Nach einem frühen Schlaganfall mit Ende fünfzig lebte er noch vierzehn Jahre gelähmt in diesem Haus, das sein Sohn mit allem Inventar der Stadt als Museum stiftete. Zuerst hatte Runeberg serbische Volkslieder ins Schwedische übersetzt, bevor er sich 1848 daran machte, mit “Fähnrich Stahls Erzählungen” ein sehr volkstümliches finnisches Nationalepos aus 35 Balladen und Geschichten zu schreiben. Heute ist das nationale Pathos darin völlig ungenießbar.
“Warum durfte ich nicht fallen, als so mancher Held fiel
als die mutige finnische Armee ihre hohen Stunden hielt...”

in der Altstadt von Borgå

Schwamm über Runebergs Dichtungen! Heute hat die finnische Literatur weitaus Besseres zu bieten und zwei Weltkriege später auch einen sehr viel nüchterneren Blick auf die Auswirkungen von Krieg auf die finnische Seele:

“Für Birgitta war Raunio mit Sicherheit ein typischer finnischer Mann mittleren Alters, von der Wirtschaftskrise gebeutelt und auf emotionaler Ebene nicht fähig, innere und äußere Konflikte auszuhalten [...] Raunio hatte sein Dasein durch die Arbeit und den sozialen Erfolg legitimiert. Die damit verbundenen Anforderungen hatten in ihm die Freude und das Spielerische getötet, weil das etwas für Kinder war. Er repräsentierte den Persönlichkeitstyp, der den finnischen Bürgerkrieg zum blutigsten in ganz Europa gemacht hatte. Wahrscheinlich würde Raunio noch vor seinem sechzigsten Geburtstag an einem Herzinfarkt sterben.”

(Juha Seppälä: Leitern, übersetzt von Stefan Moster, die horen, 232)

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