Montag, 4. Mai 2009
Hali
Auf dem Weg entlang der Südküste zurück nach Osten fährt man durch all diese grandiosen Landschaften, die so atemberaubend großartig sind, daß sie auch Nicht-Islandreisenden schon vielfach auf der Leinwand vorgeführt wurden, in isländischen Kinofilmen aus dem historischen Fach etwa wie z.B. Hrafn Gunnlaugssons Wikingerfilmen “Der Flug des Raben” u.a.m., die größtenteils am Fuß der Eyjafjöll gedreht wurden, Hollywood-Fellschuh-und-Keule-Produktionen à la “Beowulf” mit Szenen an den heute verlandeten Inselbergen wie Ingólfshöfði und besonders natürlich in zahllosen Werbespots. Selbst James Bond kurvte schon vor der Gletscherlagune Jökulsárlón herum, und den Hinweis auf neue, recht eigenwillige
Modeaufnahmen dort habe ich gerade dem Hermetischen Café von
kid37 entnommen.
Auch im Fahrtenbuch gab es schon Aufnahmen etwa von der beeindruckenden Steilwand des Lómagnúpur, die senkrecht 500 Meter hoch auf der Küstenebene steht, bevor es hinausgeht auf den 40 Kilometer breiten Sander vor Skaftafell, oder aus der Gletscherlagune oder von den einsamen Höfen, die so vereinzelt in dieser ungezügelten Natur liegen (siehe unter Themen: Island). Bei gutem Wetter ist wegen seines unvergleichlichen Panoramas vielleicht der am schönsten gelegene Hof an der gesamten Südküste Hali í Suðursveit. Es war bis 1974 auch einer der isoliertesten Höfe im ganzen Land. Gleich hinter ihm ragen Berge auf, die als Barriere Europas größten Gletscher, den Vatnajökull, zurückhalten, der sich dahinter korsikagroß und früher unüberquerbar ausbreitet. Links und rechts fließen seine unberechenbaren, ständig ihren Lauf ändernden breiten und reißenden Gletscherströme ab, die erst vor einer Generation überbrückt werden konnten. Davor mußten sie auf eigens dafür gezüchteten und abgerichteten “Wasserpferden” durchschwommen werden. Gleich vor der Haustür dehnt sich der endlose Ozean; aber der von den Gletscherflüssen unablässig ins Meer getragene Sand bildet überall vor der Küste Untiefen und Bänke, so daß an diesem gesamten Küstenstrich die Anlage eines Hafens vollkommen unmöglich war. Wir könnten uns sicher nicht vorstellen, wie das Leben auf diesem Hof noch bis weit ins 20. Jahrhundert ausgesehen hat, wenn nicht ausgerechnet von diesem Hof einer der drei besten und der vielleicht originellste Schriftsteller Islands stammte: Þórbergur Þórðarson.
Sein Name ist bei uns fast völlig unbekannt, denn sein Werk ist derart eigenwillig, daß es als unübersetzbar galt. Dabei waren seine Briefe an Laura von 1924 ein Skandalerfolg sondergleichen in Island und gelten heute als das (gattungssprengende) Werk, das neben Laxness‘ Der große Weber von Kaschmir die isländische Literatur des 20. Jahrhunderts eröffnete. Þórbergur war sein Leben lang Sozialist, daneben auch Esperantist und Spiritist (was ihm keineswegs unvereinbar erschien), und er war der erste Isländer, der Freiluftgymnastik und Joga praktizierte. Die meisten seiner Bücher, die sich fast nie einer der üblichen Gattungen zuordnen lassen (einen Roman hat er sein Leben lang nicht geschrieben), sind bis zu einem gewissen Maß autobiographisch geprägt und doch keine rein autobiographischen Werke. In Steinarnir tala (“Die Steine reden”) von 1956 erzählte er jedoch ausufernd von seiner Kindheit auf dem einsamen Hof am Rand des Weltmeers und der Gletschereinöden:
“Hali war ein Grassodenhaus wie auch andere Höfe in der Skaftafellssýsla. Die Gebäude standen eins neben dem anderen, die Giebelwände zeigten nach Süden (zum Meer) und die rückwärtigen Wände zur Bergwand. Es war ein schöner Anblick unten von der Hauswiese, sie dort Seite an Seite stehen zu sehen, als würden sie sich aneinander wärmen. Und man sah ihnen gleich an, daß sie gut miteinander auskamen. Wenn es dunkel wurde, sah es so aus, als schliefen sie, eins ans andere gelehnt, ein.”
Wenn auch inzwischen hinter Wellblech verkleidet, steht der Hof von Hali heute noch. Mittlerweile ist ein kleines, schmuckes Museum für den großen Sohn des Hofs hinzugekommen, und der Mann, der da manchmal Kaffee ausschenkt, sieht Þórbergurs Bruder zum Verwechseln ähnlich. Schließlich ist er sein Enkel und heutiger Bauer auf dem Hof.
Wenn das Wetter schön ist und die Aussicht freigibt, hat man von hier in der absolut klaren Luft einen Blick, der Hunderte von Kilometern umfaßt, von den markanten Zacken des Vesturhorn im Osten den Horizont auf dem offenen Nordatlantik entlang bis zum Massiv von Islands höchstem Berg im Öræfajökull im Westen. Ich war am Morgen schon vor 7 unterwegs, und der Wind schlief noch.
Modeaufnahmen dort habe ich gerade dem Hermetischen Café von
kid37 entnommen.
Auch im Fahrtenbuch gab es schon Aufnahmen etwa von der beeindruckenden Steilwand des Lómagnúpur, die senkrecht 500 Meter hoch auf der Küstenebene steht, bevor es hinausgeht auf den 40 Kilometer breiten Sander vor Skaftafell, oder aus der Gletscherlagune oder von den einsamen Höfen, die so vereinzelt in dieser ungezügelten Natur liegen (siehe unter Themen: Island). Bei gutem Wetter ist wegen seines unvergleichlichen Panoramas vielleicht der am schönsten gelegene Hof an der gesamten Südküste Hali í Suðursveit. Es war bis 1974 auch einer der isoliertesten Höfe im ganzen Land. Gleich hinter ihm ragen Berge auf, die als Barriere Europas größten Gletscher, den Vatnajökull, zurückhalten, der sich dahinter korsikagroß und früher unüberquerbar ausbreitet. Links und rechts fließen seine unberechenbaren, ständig ihren Lauf ändernden breiten und reißenden Gletscherströme ab, die erst vor einer Generation überbrückt werden konnten. Davor mußten sie auf eigens dafür gezüchteten und abgerichteten “Wasserpferden” durchschwommen werden. Gleich vor der Haustür dehnt sich der endlose Ozean; aber der von den Gletscherflüssen unablässig ins Meer getragene Sand bildet überall vor der Küste Untiefen und Bänke, so daß an diesem gesamten Küstenstrich die Anlage eines Hafens vollkommen unmöglich war. Wir könnten uns sicher nicht vorstellen, wie das Leben auf diesem Hof noch bis weit ins 20. Jahrhundert ausgesehen hat, wenn nicht ausgerechnet von diesem Hof einer der drei besten und der vielleicht originellste Schriftsteller Islands stammte: Þórbergur Þórðarson.
Sein Name ist bei uns fast völlig unbekannt, denn sein Werk ist derart eigenwillig, daß es als unübersetzbar galt. Dabei waren seine Briefe an Laura von 1924 ein Skandalerfolg sondergleichen in Island und gelten heute als das (gattungssprengende) Werk, das neben Laxness‘ Der große Weber von Kaschmir die isländische Literatur des 20. Jahrhunderts eröffnete. Þórbergur war sein Leben lang Sozialist, daneben auch Esperantist und Spiritist (was ihm keineswegs unvereinbar erschien), und er war der erste Isländer, der Freiluftgymnastik und Joga praktizierte. Die meisten seiner Bücher, die sich fast nie einer der üblichen Gattungen zuordnen lassen (einen Roman hat er sein Leben lang nicht geschrieben), sind bis zu einem gewissen Maß autobiographisch geprägt und doch keine rein autobiographischen Werke. In Steinarnir tala (“Die Steine reden”) von 1956 erzählte er jedoch ausufernd von seiner Kindheit auf dem einsamen Hof am Rand des Weltmeers und der Gletschereinöden:
“Hali war ein Grassodenhaus wie auch andere Höfe in der Skaftafellssýsla. Die Gebäude standen eins neben dem anderen, die Giebelwände zeigten nach Süden (zum Meer) und die rückwärtigen Wände zur Bergwand. Es war ein schöner Anblick unten von der Hauswiese, sie dort Seite an Seite stehen zu sehen, als würden sie sich aneinander wärmen. Und man sah ihnen gleich an, daß sie gut miteinander auskamen. Wenn es dunkel wurde, sah es so aus, als schliefen sie, eins ans andere gelehnt, ein.”
Wenn auch inzwischen hinter Wellblech verkleidet, steht der Hof von Hali heute noch. Mittlerweile ist ein kleines, schmuckes Museum für den großen Sohn des Hofs hinzugekommen, und der Mann, der da manchmal Kaffee ausschenkt, sieht Þórbergurs Bruder zum Verwechseln ähnlich. Schließlich ist er sein Enkel und heutiger Bauer auf dem Hof.
Wenn das Wetter schön ist und die Aussicht freigibt, hat man von hier in der absolut klaren Luft einen Blick, der Hunderte von Kilometern umfaßt, von den markanten Zacken des Vesturhorn im Osten den Horizont auf dem offenen Nordatlantik entlang bis zum Massiv von Islands höchstem Berg im Öræfajökull im Westen. Ich war am Morgen schon vor 7 unterwegs, und der Wind schlief noch.
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