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Samstag, 16. Mai 2009
Die Wärme des Vergangenen
Köln ist ja so hässlich wie nur was. Aber durch eine Stadt mit solchen historischen Tiefendimensionen zu wandeln, schließt nicht nur einem empfänglichen Schriftsteller aus Island vielfältigste Eindrücke und Erfahrungsräume auf. Die kerzenerleuchteten Krypten tief in dem von Schutt und Erde ausgefüllten Untergrund der Stadt, die mürben Mauersteine, die dunklen Holzbalken der alten Häuser, die Zeit und Kriege überdauerten, haben die Ausdünstungen, Düfte und Gerüche vieler tatsächlich gelebter Leben in sich angereichert. Ein solches Maß an Sättigung werden Aluminium, Glas und Waschbeton heutiger Fassaden nie erreichen. Sie werden nicht erst in Jahrhunderten abgerissen werden oder zerfallen, und ihre glatten Oberflächen weisen einen schon heute zurück und verweigern jede andere sinnliche Erfahrbarkeit als Kühle. Man wird ihrer rasch müde, und ich schreibe “man”, weil ich mit diesem Gefühl nicht allein stehe:
“Ich bin der Moderne so müde”, schrieb vor ein paar Tagen
Melancholie modeste
in ihrem Blog, aus dem ich hier zitieren darf. Und ich möchte daraus zitieren, weil sie so genau ein Gefühl in Worte kleidet, das mich bei unserem Spaziergang durch Köln ebenso befiel wie sie in Berlin:
“Ich habe die Gehirnkunst so satt, diese Installationen, Objekte, Collagen, all diese Dinge, die auf den denkenden Betrachter angewiesen sind, um die Aura zu gewinnen, die Kunst von irgendetwas Beliebigem unterscheidet, das man in Baumärkten kauft.
Ich mag eure Pilzgerichte nicht mehr essen, sage ich mir und fahre am Hamburger Bahnhof vorbei. Die Galerien von Mitte interessieren mich nicht, und die Keller von Kreuzberg und Friedrichshain - geschenkt. In der Gemäldegalerie am Potsdamer Platz ziehe ich Kreise, langsam, anwachsend vor dem stummen Staunen der Jungfrau, blass, vor goldenem Grund. Die bläuliche Andacht der Heiligen. Die Veduten Italiens mit ihren unfassbaren Wassern. Die Oberflächen fahre ich entlang mit meinen Augen, spüre die Kühle Florentiner Kontore und die Risse im Stein auf der Flucht nach Ägypten. Die fröhlich-rotwangige Kälte der Niederländer. Die knisternden Stoffe, ach: die atmende, erregende Berührbarkeit längst versunkener Haut. Gerührt fahre ich auf den blauen Adern Flanderns entlang Richtung Süden, lehne die Wange in die blutenden Wunden Christi, und stehe - fremd, aber vertraut wie vor lange vermissten Verwandten - vor den verhangenen Himmeln des Rokoko, den gebrochenen Farben.”

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