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Dienstag, 15. April 2008
Traum eines Reiseleiters (III)
"Scheiße, Banditen!" knirschte der Reiseleiter halblaut durch die Zähne. "Verhalten Sie sich bitte ganz ruhig, meine Damen und Herrn, und überlassen Sie die Verhandlungsführung mir."
"Mit Banditen verhandelt man nicht!" brauste der Silbergraue auf und trat dem nächsten Stammeskrieger rüstig in den Weg. Umstandslos bekam er einen Hieb mit dem Gewehrkolben in die Magengegend. Er klappte zusammen wie ein Schnappmesser.
"Nomadisches Denken steht im Zeichen von Grenzüberschreitung", memorierte der Philosophielehrer aus seiner Lektüre. "Es ist der Tendenz nach ironisch und daher antiessentialistisch und antifundamentalistisch; es unterminiert traditionelle hierarchische Machtstrukturen, dekonstruiert etablierte Bewußtseinslagen und lebt aus der Anerkennung kultureller Vielfalt."
"Ach, hören Sie doch auf! Das ist ja geschmacklos", zischte Metzgers Frau hinter vorgehaltener Hand.
"Das ist die Meinung eines amerikanischen Professors der Jumänities, der sich mit dem postkolonialen Blick beschäftigt", verteidigte sich der Studienrat.
Einer der Bewaffneten trat auf die Gruppe zu, richtete sein Gewehr auf die alleinstehende Dame in Khaki und legte ihr die Mündung der Kalaschnikoff in die sonnenverbrannte Halsgrube. Darunter schimmerte eine geschmackvolle Kette großer echter Perlen.
"Um Gottes willen, geben Sie ihm den Schmuck!" rief der Reiseleiter und erhielt für die vorlaute Einmischung einen Kolbenstoß in den Nacken, daß er taumelnd zu Boden sank.
Der Anführer der Beduinen spie einen Schwall von Anweisungen, denen seine Männer mit den Gewehrläufen Anschaulichkeit und Nachdruck verliehen. Widerstandslos händigten die Reisenden ihnen Geldbörsen, Kameras und Schmuckstücke aus. Selbst das Köfferchen unter der Sitzbank, das, wie sich zeigte, die gesamte Schmuckkollektion seiner Besitzerin enthielt, wurde gefunden und geleert. Der neben ihm auf dem Fahrzeugboden kauernde Chauffeur war mit einem verächtlichen Tritt und einer saftiggrünen Ladung Speichel bedacht worden.

"You, you and ... you", sagte der Scheich, nachdem die Beute in seinem Toyota verstaut war, und deutete mit der Spitze einer quastenverzierten Reitgerte auf drei der Herren, die sich schützend vor ihre Ehefrauen gestellt hatten. Alle hielten die Luft an und erwarteten atemlos, was jetzt folgen sollte.
"You hostage", blaffte der Scheich in rostigem Englisch.
"And you", fuhr er mit einer wegwischenden Armbewegung den Rest der Gruppe an, "you pay ransom! Go!"

Einen Augenblick lang war zu hören, wie der ewige Wind schmirgelnd Sandkörner aneinanderrieb. Keiner, sagten sie hinterher übereinstimmend, habe gewußt, was in diesem Augenblick in Hähnlein-Schäfer vorgegangen sei. Sich den schmerzenden Nacken reibend, sei er mühsam in die Höhe gekommen und habe sich, wobei fast so etwas wie müder Überdruß in seiner Stimme gelegen haben soll, den Banditen im Austausch gegen die anderen als Geisel angeboten. Sein Unternehmen würde die Schonung der Reisegäste honorieren und für ihn ein erhöhtes Lösegeld zahlen.
Der Scheich sah ihn abwägend an und nickte dann. Der puterrote Metzger und die beiden anderen wurden zu ihren Frauen zurückgestoßen. Statt ihrer ergriffen die Beduinen Hähnlein-Schäfer und führten ihn zu einem der Wagen. Durch aufwirbelnden Sand stoben die Landcruiser davon, verschmolzen mit dem Graugelb der Wüste und lösten sich als zartes Silberzittern in Luftspiegelungen auf.

Von den Behörden erfuhr die Gruppe später, eine Armeepatrouille habe die Fahrzeuge verlassen am Rand des Leeren Viertels gefunden. Die Banditen hatten sich, um keine Spuren zu hinterlassen, anscheinend zu Fuß in der unendlichen Ödnis der Verfolgung entzogen. Die Leiche von Hähnlein-Schäfer war etwa drei Tagesmärsche weiter im Wüstensand gefunden worden. Die gebrochenen Augen bereits verschrumpelt wie sonnengedörrte Datteln. Als man seinen Leichnam aufhob, um ihn nach Sana'a zu überführen, fiel aus der Oberschenkeltasche seiner Trekkinghose ein sandraschelndes Exemplar der Sieben Säulen der Weisheit.

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