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Montag, 28. Dezember 2009
Weihnachten '09
2. Feiertag. Et hillije Kölle morgens um 7. Die Stadt schläft den christlichen Schlaf des Weihnachtsfriedens,
der Dom erwacht, die Natur kämpft anmutig auf Leben und Tod.





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Mittwoch, 23. Dezember 2009
“Ohne schön zu seyn anziehend” Projekt Heiraten als Therapie
Wenn die Beziehung zu Mutter und Tochter Wolzogen zumindest in Schillers Phantasien ein erstes Dreiecksverhältnis bildete, so entwickelte sich das zweite zu den von Kalbs als ein durchaus reales weiter. Im Herbst 1787 kam nämlich Heinrich von Kalb auf Urlaub auf sein väterliches Gut Kalbsrieth, nur etwa 50 km nördlich von Weimar, und seine Frau hielt sich abwechselnd dort und dann wieder in der Stadt auf. In dieser delikaten Situation suchte Schiller für die Zeiten, in denen seine Geliebte bei ihrem Mann weilte, offenbar weitere Ablenkung. Körner schrieb er, die Wahrheit nachträglich etwas frei gestaltend, am 8.12.87:
“Während daß Frau von Kalb in Kalbsrieth sich aufhielt, bekam ich solche Aufforderungen von meiner Schwester und der Dame, auf deren Gut ich war, nach Meiningen zu kommen, daß ich meinen Interims-Wittwerstand in Weimar endlich aufopfern mußte.” (Interims-Wittwerstand ist natürlich auch ein aufschlußreiches Wort dafür, wie Schiller sein Verhältnis zu Charlotte von Kalb sah.) “Die Dame hat sich große Rechte auf meine Dankbarkeit erworben; sie bittet mich in mehr als zwanzig Briefen, solang ich in Weimar bin, unaufhörlich um diesen Besuch... Ich war also wieder in der Gegend, wo ich von 82 bis 83 als ein Einsiedler lebte... Jezt nach fünf Jahren kam ich wieder, nicht ohne manche Erfahrungen über Menschen, Verhältnisse und mich. Jene Magie war wie weggeblasen. Ich fühlte nichts. Keiner von allen Plätzen, die ehemals meine Einsamkeit interessant machten, sagte mir jezt etwas mehr.”
Meiningen/Wolzogen scheint also endgültig abgehakt zu sein und nicht einmal mehr als Notnagel genügend Attraktivität für Schiller zu besitzen, und Charlotte weilt bei ihrem Mann in Kalbsrieth, eine Zeit, Trübsal zu blasen, könnte man vermuten. Aber nein, die Situation schafft vor allem Raum für neue Bekanntschaften.
“In Rudolstadt habe ich mich auch einen Tag aufgehalten, und wieder eine recht liebenswürdige Familie kennen lernen”, heißt es im gleichen Brief weiter. “Eine Frau von Lengenfeld lebt da mit einer verheiratheten und einer noch ledigen Tochter. Beide Geschöpfe sind (ohne schön zu seyn) anziehend und gefallen mir sehr.”
Sogleich setzt eine Veränderung im Verhältnis zur bisherigen Favoritin ein: “Hier in Weimar habe ich Charlotte und ihren Mann wiedergefunden. Er ist ganz der alte, wie ich aus dem ersten Anblick urtheilen konnte; denn ich habe ihn nur einmal gesprochen. Sie ist gesund und sehr aufgeweckt. (Ich weiß nicht, ob die Gegenwart des Mannes mich lassen wird, wie ich bin. Ich fühle in mir schon einige Veränderung, die weiter gehen kann.)”

Mitte November bereits hatte Schiller einen selten hellsichtigen Brief über sich selbst und sein Verhältnis zu Frauen geschrieben:
“Ich glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seinen Liebling, seine zweite Tochter nicht abzuschlagen, selbst jezt nicht, da ich nichts habe. Das Mädchen kenne ich nicht, gar nicht, aber siehst Du, ich würde sie ihm heute abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie verdiente. Es ist sonderbar, ich verehre, ich liebe die herzliche empfindende Natur, und eine Kokette, jede Kokette kann mich fesseln. Jede hat eine unfehlbare Macht auf mich, durch meine Eitelkeit und Sinnlichkeit; entzünden kann mich keine, aber beunruhigen genug. Ich habe hohe Begriffe von häuslicher Freude, und doch nicht einmal soviel Sinn dafür, um mir sie zu wünschen. Ich werde ewig isolirt bleiben in der Welt, ich werde von allen Glückseligkeiten naschen, ohne sie zu genießen. Auf die Wieland zurückzukommen: ich sage Dir, ich glaube, daß mich ein Geschöpf, wie dieses, glücklich machen könnte, wenn ich soviel Egoismus hätte, glücklich seyn zu können, ohne glücklich zu machen, und an dem leztern zweifle ich sehr. Bei einer ewigen Verbindung, die ich eingehen soll, darf Leidenschaft nicht seyn, und darum hab ich bei diesem Falle mich schon verweilt. Ich kenne weder das Mädchen, noch weniger fühle ich einen Grad von Liebe, weder Sinnlichkeit noch Platonismus – aber die innigste Gewißheit, daß es ein gutes Wesen ist, daß es tief empfindet und sich innig attachiren kann, mit der Rücksicht zugleich, daß sie zu einer Frau ganz vortrefflich erzogen ist, äußerst wenig Bedürfnisse und unendlich viel Wirthschaftlichkeit hat.” (19.11.87)
Nun gut, das junge Fräulein Wieland, wohl Maria Karolina, 1770 geboren und also heiratsfähige 17 Jahre alt - man findet sich in “Wielands Kinder-Fabrick” (wie es Göthes Mutter einmal in einem Brief an Herzogin Anna Amalia ausdrückte) nicht so leicht durch. Nicht weniger als 14 Kinder brachte seine Frau zur Welt, von denen allerdings nur 7 groß wurden - eine junge Wieland-Tochter also kam persönlich nicht in Betracht, aber sonst läßt Schiller hier recht genaue Vorstellungen von einer zukünftigen Ehe erkennen, und in seinem nächsten Neujahrsbrief an Körner hat das Unternehmen Heirat weitere gedankliche Fortschritte gemacht:
“Dass ich jezt so vielen Werth auf Gründlichkeit lege, führt Dich vielleicht auf die Vermuthung, dass ich für ein Etablissement arbeite. Das ist dennoch der Fall nicht, aber mein Schicksal muß ich innerhalb eines Jahres ganz in der Gewalt haben und also für eine Versorgung qualifiziert seyn... ich muß eine Frau dabei ernähren können, denn noch einmal, mein Lieber, dabei bleibt es, dass ich heirathe. Könntest Du in meiner Seele so lesen, wie ich selbst, Du würdest keine Minute darüber unentschieden seyn. Alle meine Triebe zu Leben und Thätigkeit sind in mir abgenützt; diesen einzigen habe ich noch nicht versucht. Ich führe eine elende Existenz, elend durch den inneren Zustand meines Wesens. Ich muß ein Geschöpf um mich haben, das mir gehört, das ich glücklich machen kann und muß, an dessen Daseyn mein eigenes sich erfrischen kann. Du weißt nicht, wie verwüstet mein Gemüth, wie verfinstert mein Kopf ist... Freundschaft, Geschmack, Wahrheit und Schönheit werden mehr auf mich wirken, wenn eine ununterbrochene Reihe feiner wohlthätiger häuslicher Empfindungen mich für die Freude stimmt und mein erstarrtes Wesen wieder durchwärmt. Ich bin bis jetzt ein isolierter fremder Mensch in der Natur herumgeirrt, und habe nichts als Eigenthum besessen. Alle Wesen, an die ich mich fesselte, haben etwas gehabt, das ihnen theurer war als ich, und damit kann sich mein Herz nicht behelfen. Ich sehne mich nach einer bürgerlichen und häußlichen Existenz, und das ist das Einzige, was ich jezt noch hoffe.”
In einem Brief an den zweiten Leipziger Freund, Ferdinand Huber, (vom 20.1.1788) wird er noch deutlicher:
“Du glaubst nicht, wie sehr ich seit 4 oder 5 Jahren aus dem natürlichen Geleise menschlicher Empfindungen gewichen bin; diese Verrenkung meines Wesens macht mein Unglück, weil Unnatur nie glücklich machen kann; aber ich kann sie auf keinem Wege verbeßern; auf keinem der mir bekannt ist, durchaus auf keinem vielleicht; aber Einen habe ich noch nicht versucht und ehe ich die Hoffnung ganz sinken lasse, muß ich noch diese Erfahrung machen. Diß ist eine Heurath. Glaube mir, daß ich Dir keinen Roman auftische. Wenn andre meinesgleichen durch häußliche Feßeln für weiter Plane der Wirksamkeit verloren gehen, so ist Häußlichkeit just das einzige, was mich heilen kann, weil es mich zur Natur, zur sehr prosaischen Alltagsnatur zurückführt, von der ich erstaunlich weit abseits gerathen bin. Weder Du noch Körner – und wer also sonst? könnt die Zerstörung ahnden, welche Hypochondrie, Überspannung, Eigensinn der Vorstellung, Schicksal meinetwegen in dem innern meines Geists und Herzens angerichtet haben.”
Außer an die Geschichte der Niederlande, die ihm endlich das nötige Geld und eine feste Stellung einbringen soll (“Erstens. Ich muß von Schriftstellerei leben, also auf das sehen, was einträgt... Mit der Hälfte des Werths, den ich einer historischen Arbeit zu geben weiß, erreiche ich mehr Anerkennung in der sogenannten gelehrten und in der bürgerlichen Welt als mit dem größten Aufwand meines Geistes für die Frivolität einer Tragödie.” Er spekuliert bereits auf eine Jenaer Professur), denkt Schiller vor allem an eins: er will heiraten. Alle anderen “Triebe” sind schon fad geworden, “diesen einzigen habe ich noch nicht versucht”. Und ein Jahr gesteht er sich für die Brautschau noch zu; mit 30 will er unter der Haube sein.
Seine bisherige Geliebte, Frau v. Kalb, steht dafür, wie sich inzwischen definitiv erwiesen hat, nicht zur Verfügung, und schon ist Schiller bereit, sie ein zweites Mal und diesmal endgültig abzuschreiben. Was bei der inzwischen leicht überspannten Frau wahre Verzweiflungsstürme ausgelöst haben soll. Schillers heiratserpichte Suchscheinwerfer beginnen indeß erneut zu kreisen, und gegen Ende des Winters ‘88 gerät neue Beute in ihren Lichtkegel. Nicht zufällig, denn genau zu diesem Zweck wurde sie auf den Wildwechseln Weimars ins Schußfeld gestellt. Dabei ist sie eigentlich schon waidwund geschossen von Amors Pfeilen. “Meine Schwester konnte wohl in jedem Sinne eine wünschenswerte Verbindung für Schiller sein”, schrieb Karoline von Wolzogen (geb. v. Lengefeld, geschiedene v. Beulwitz) in ihrer Schiller-Biographie über ihre Schwester Charlotte und über die Anbahnung ihres Verhältnisses zu dem heiratswütigen Poeten in Weimar, dem sie anläßlich einer Aufführung der Räuber vier Jahre zuvor bereits vorgestellt worden waren. Doch damals in Mannheim war Charlotte ein 17jähriger Backfisch auf der Rückreise aus der Schweiz gewesen, und die Schwestern hatten sich allenfalls gewundert, daß “ein so gewaltiges und ungezähmtes Genie ein so sanftes Äußeres haben könne”. Den folgenden Winter hatte Charlotte bei ihrer Patentante, der Frau von Stein, in Weimar verbracht, um “in die Gesellschaft eingeführt” und womöglich von der Herzogin als Hofdame engagiert zu werden. Stattdessen lernte sie einen schottischen Captain namens Henry Heron auf seiner Kavalierstour kennen, und verliebte sich so heftig in ihn, daß ganz Weimar davon wußte. Ostern 1785 gestand er ihr seine Liebe und zeigte ihr gleichzeitig den Befehl, der ihn zum Militärdienst nach Indien abberief. Abflug Heron.
“Ihr Gemüt war wund und bewegt durch eine herzliche Neigung, die sie angeben musste, da äußere Umstände ungünstig waren. Der edle und liebenswürdige Mann, dem ihre Neigung zugewandt war, sprach seine Liebe in allem schmerz der Hoffnungslosigkeit aus und nährte so die Empfindung, die für ihn sprach. Seine Verhältnisse trugen ihn im Militärdienst über das Meer nach einem andern Weltteile, und die Wehmut eines solchen Abschieds tönte lange in dem Wesen meiner Schwester nach. Um sie zu erheitern, veranlassten wir einen Aufenthalt von einigen Monaten in Weimar”,
erklärt Karoline mit der für eine Schiller-Biographie gebotenen höflichen Umschreibung. von Knebel Schwesterchen war nämlich inzwischen 22 und gehörte dringend “versorgt”, weil der Vater früh verstorben und die verwitwete Mutter vergleichsweise mittellos zurückgeblieben war. Die ältere Tochter Karoline selbst war darum schon mit 16 ohne jede Rücksicht auf Gefühle dem begüterten Freiherrn Friedr. Wilh. von Beilwitz verheiratet worden. Nun also war die kleine, schüchterne und noch immer an Liebeskummer laborierende Charlotte dran. Pech nur für die Mutter, daß sie an dem gut gestellten, aber 22 Jahre älteren Prinzenerzieher Karl Ludwig von Knebel unerklärlicherweise wenig Gefallen fand. Da konnte sie das gewaltige, ungezähmte Genie mit dem sanften Äußeren schon eher vom Kummer über den entflogenen Reiher ablenken. Auf einem Maskenball im Karneval begegneten sie und das Genie sich Anfang Februar 1788 wieder. Als Haupt”event” wurde Schillers wenige Tage vorher zum Geburtstag der Herzogin Louise verfaßtes genial gereimtes Gedicht Die Priesterinnen der Sonne szenisch aufgeführt. Seine vorletzte Strophe lautet:

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Montag, 21. Dezember 2009
Winteranfang

Da wir inzwischen so viele, zu viele Menschen auf diesem zu klein gewordenen Erdball sind, und die sich auch noch vor allem in einer Weltgegend zusammenballen, die Hälfte nämlich in China, Indien, Indonesien, Pakistan und Bangladesh, ist die Erde ins Trudeln geraten. Heute wird die Sonne ihren Zenit nicht senkrecht über dem Äquator erreichen, sondern um ganze 23,4̊ südlich davon. Das - es muß anscheinend gesagt werden - ist keine unbedeutende, sondern eine spürbare Abweichung, sie beschert uns hier auf der Nordhalbkugel den kürzesten Tag des Jahres und, offenbar für viele jedes Jahr wieder überraschend, den Anbruch des Winters.
So staune ich wieder einmal, wie unvorbereitet oder ineffizient öffentliche Dienste in den vermeintlich so smart organisierten Niederlanden dem für sie anscheinend völlig unvorhersehbaren Winter”einbruch” gegenüberstehen. Gestern fielen vielleicht zehn, na gut, fünfzehn Zentimeter Neuschnee. Am Abend meldeten sogar die Nachrichten in Deutschland, daß bei den Nachbarn in Holland nahezu das gesamte öffentliche Leben zum Erliegen gekommen sei: keine Züge, keine Flüge, in vielen Städten kein öffentlicher Nahverkehr. Die Nacht war ruhig und sternklar. Und heute morgen? Der gesamte Berufsverkehr in der Hauptstadt Den Haag spulte und schlingerte durch den inzwischen notdürftig zusammengefahrenen Schneematsch. Einige der unvermeidlichen Radfahrer eierten mitten auf der Fahrbahn umher, weil eben an den Straßenrändern, in den Nebenstraßen, auf den Radwegen und Bürgersteigen noch völlig unvermindert der gesamte Schnee von gestern lag.
Gibt‘s hier keine Räumdienste? Sind sie eingespart oder privatisiert worden? Darf Winter jetzt nicht mehr vorkommen, weil er aufgrund seines hierzulande statistisch eher geringen Auftretens bei den Kostenkalkulationen der Kommunen, der Bahn und der Flughafenbetreiber als nicht zu berücksichtigender Kostensteigerungsfaktor eliminiert wurde?
Immerhin, nach diesem kürzesten Tag und der folgenden längsten Nacht des Jahres rückt uns die Sonne Tag für Tag ein Stückchen näher. In drei Monaten wird sie voraussichtlich die Tag- und Nachtgleiche wieder herstellen. Dann könnte es zu einem jetzt noch unvorhersehbaren Frühlingseinbruch kommen.

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Sonntag, 20. Dezember 2009
Trigonometrie, eine berechnende Wissenschaft
Es schneit und schneit und schneit. Selbst hier in den flachen Niederlanden fällt der Schnee so dicht und von einem kräftigen Wind schräg verwirbelt, dass man kaum die nächsten Häuser sieht, geschweige denn das Meer da draußen hinter den grauweißen Vorhängen. Was kann man an einem solchen Adventssonntag besseres tun, als den Kamin anzuzünden und mit einem schönen “Courtship plot” in Jane-Austen-Manier fortzufahren?

Während also Goethe sich mit “der Kauffmann” in der Sixtinischen Kapelle die Hälse verrenkte und anschließend ermüdet “auf dem päpstlichen Stuhle einem Mittagsschlaf” nachgab, versuchte der entlaufene Regimentsphysikus und Skandalautor Friedrich Schiller unterdessen auf dem glatt gebohnerten Parkett des Duodezfürstentums Sachsen-Weimar-Eisenach Fuß zu fassen und rutschte so manches Mal darauf aus, wenn nicht die Freifrau von Kalb in den Gepflogenheiten bei Hofe besser bewandert wäre. Entgegen seiner ersten Äußerung scheint es aber doch ein paar Anlaufschwierigkeiten zwischen ihnen gegeben zu haben:
“Ich habe Dir nicht geschrieben, welche sonderbare Folge meine Erscheinung auf sie [Charlotte] gehabt hat. Vieles, was sie vorbereitete kann ich jetzt auch nicht wol schreiben. Sie hat mich mit einer heftigen bangen Ungeduld erwartet. Mein letzter Brief, der ihr meine Ankunft gewiß versicherte, setzte sie in eine Unruhe, die auf ihre Gesundheit wirkte”, teilt er Körner Anfang August 1787, mit. “Ihre Seele hieng nur noch an diesem Gedanken – und als sie mich hatte war ihre Empfänglichkeit für Freude dahin. Ein langes Harren hatte sie erschöpft, und Freude wirkte bei ihr Lähmung. Sie war fünf sechs Tage nach der ersten Woche meines Hierseyns fast jedem Gefühl abgestorben, nur die Empfindung dieser Ohnmacht blieb ihr und machte sie elend. Ihr Daseyn war nur noch durch convulsivische Spannung des Augenblicks hingehalten. Du kannst urtheilen, wie mir in dieser Zeit hier zu muthe war. Ihre Krankheit, ihre Stimmung und dann die Spannung, die ich hierherbrachte. Die Aufforderung, die ich hier hatte! Jetzt fängt sie an sich zu erhohlen, ihre Gesundheit stellt sich wieder her und ihr Geist wird freier. Jetzt erst können wir einander etwas seyn. Aber noch genießen wir uns nicht in einem zweckmäßigen Lebensplan, wie ich mir versprochen hatte. Alles ist nur Zurüstung für die Zukunft. Jetzt erwarte ich mit Ungeduld eine Antwort von ihrem Mann auf einen wichtigen Brief den ich ihm geschrieben”.
Zehn Tage später trifft schon die Antwort aus dem pfälzischen Zweibrücken ein: “Herr von Kalb hat mir geschrieben. Er kommt zu Ende Septembers, seine Ankunft wird das weitere mit mir bestimmen. Seine Freundschaft für mich ist unverändert, welches zu bewundern ist, da er seine Frau liebt und mein Verhältniß mit ihr nothwendig durchsehen muß.” - Schade, daß die eigentlich interessanten Briefe so oft “verloren” gehen. Was mag Schiller dem Ehemann seiner Geliebten geschrieben haben? Er selbst sagt, daß es wichtig gewesen sei, und spricht von “Zurüstung für die Zukunft” und “zweckmäßigem Lebensplan”. Das läßt fast vermuten, er habe von Kalb die Scheidung vorgeschlagen, um anschließend selbst Charlotte heiraten zu können. Zumindest muß er der Meinung gewesen sein, daß sein Verhältnis zu Frau von Kalb inzwischen ein solches Ausmaß angenommen hatte (oder ein Ausmaß an öffentlicher Bekanntheit), daß er es für angebracht hielt, den betroffenen Ehemann davon in Kenntnis zu setzen. Nein, es muß mehr gewesen sein als nur das, denn Schiller macht ja die eigene Zukunft von v. Kalbs Reaktion abhängig: “seine Ankunft wird das weitere mit mir bestimmen.”
Der über sein prächtiges Paar Hörner aufgeklärte Ehemann reagierte jedoch anders, als es im Sinn des verliebten Pärchens war. Weder forderte er den Beschmutzer seiner Ehre auf Pistole oder Säbel (wie man es von einem erfahrenen Soldaten vielleicht hätte gewärtigen müssen) noch überließ er dem (implizit für nicht satisfaktionsfähig erklärten) Nebenbuhler das Feld, sondern erklärte, daß er seine Frau liebe und deshalb ihr Verhältnis “notwendig durchsehen”, sprich tolerieren wolle. Ein großzügiger Mann, der Herr von Kalb auf Kalbsrieth. Was blieb ihm auch anderes übrig?
Es ist bekannt, daß der Major a.D. auf der Suche nach einem neuen Offizierspatent in Soldaten- und pfälzischen Hofkreisen einen recht teuren Lebenswandel führte. Sein ebenfalls verschwenderischer Bruder, der ehemalige Weimarer Kammerpräsident Johann v. Kalb, brachte aber, nachdem ihn wegen Unfähigkeit im Amt Göthe 1782 als Finanzminister abgelöst hatte, mehr und mehr das gesamte Vermögen beider Familien durch. (Er war zufällig mit Charlottes Schwester Lore verheiratet.) Und so war Heinrich v. Kalb auf die persönliche Schatulle seiner Frau angewiesen. Da mußte er bei ihrer romantischen Affäre mit einem dahergelaufenen armen Poeten eben einmal durch die Finger sehen.
Nach dem tatsächlichen Ende dieser Affäre sollte Frau von Kalb mit Schillers Worten zunehmend “materieller” werden (was sich vielleicht mit pragmatisch übersetzen läßt), und sie scheint das eheliche Zusammenleben mit ihrem Mann eine Zeitlang gar nicht einmal so unerträglich gefunden zu haben. Jedenfalls brachte sie ihm noch einmal einige Kinder zur Welt, bevor sich die Mittdreißigerin 1797 plötzlich ebenso schwärmerisch dem jüngeren Jean Paul an den Hals werfen sollte wie “einstmals Schiller”. Darauf zog sich Ehemann Heinrich endgültig auf sein Landgut Trabelsdorf zurück und lebte dort mit seiner Köchin, die ebenfalls drei Kinder von ihm bekam, bis wirklich alles Geld aufgebraucht war. Im April 1806 jagte er sich eine Kugel durch den Kopf.

19 Jahre vorher, im Sommer 1887 aber hat er sich, ob nun aus emotionaler Gleichgültigkeit, materieller Berechnung oder wirklicher Großzügigkeit, anscheinend bereiterklärt, fortan das zu führen, was man später eine “offene Ehe” nennen wird, und seine Frau mit ihrem Geliebten zu teilen.
Kirsten Jüngling, Mitautorin des Buchs Schillers Doppelliebe, ist der Meinung, dieses Arrangement sei gar nicht einmal gegen dessen Interessen gewesen, denn immerhin sei er ja schon einmal (aus Mannheim) vor Charlotte geflohen, und so hätte der Riegel, den Heinrich von Kalb einer ernsten Verbindung Charlottes mit Schiller vorlegte, diesen keineswegs gehindert, “sich romantischen Vorstellungen von einer Dreiecksbeziehung hinzugeben, denn Herr von Kalb blieb ihm gewogen, auch noch als er von des Dichters Beziehung zu seiner Frau wusste.” (Das Parlament 13/2005) Vielleicht erhöhte es für Schiller sogar den Reiz. Bei den Damen von Wolzogen bestand das wohl überwiegend imaginäre Dreieck aus zwei Damen um einen Mann; hier nun stand eine Frau zwischen zwei Männern. Variatio delectat.

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Donnerstag, 17. Dezember 2009
Das Klatschweib Schiller und die Stars von Weimar
“Der einzige Grund für das Unglück des Menschen ist, dass er nicht still in seinem Zimmer sitzenbleiben kann.” Diesen bekannten, von Pascal kolportierten Ausspruch habe ich schon einmal für selten dämlich erklärt, und ich tue es gern wieder, kann mir auch kaum anderes vorstellen, als daß er von einem ansonsten klugen Menschen wie Pascal im Affekt eines spontan aufwallenden Ärgers geäußert wurde. Wo wäre die Menschheit stehen geblieben, wenn sie es aufgegeben hätte, sich untereinander zu besuchen? Was für fremdenscheue, monadische Inzuchtsiedlungen wären entstanden, welche kulturellen und auch technischen Fortschritte wären unterblieben? Das braucht man doch gar nicht weiter auszuführen. Bewegung, Austausch, Verkehr ist den Menschen notwendig, und entgegen dem Eindruck, den das Goethe-und-Schiller-Denkmal, festgemauert in seiner Weimarer Erde, erweckt, waren auch die Menschen damals viel häufiger unterwegs und wechselten die Orte und Wohnsitze, als man sich das gemeinhin so vorstellt in jener Zeit vor Erfindung von Auto, Flugzeug, Eisenbahn. Hölderlin lief zu Fuß von Schwaben nach Thüringen, von dort in die Schweiz, nach Südfrankreich und über Paris wieder zurück, Herder kam aus Riga und auf dem Umweg über eine ausgedehnte Frankreich- und Belgienreise nach Weimar, Herr von Kalb hatte als Soldat wie Tausende andere Deutsche an den Kolonialkriegen in Nordamerika teilgenommen, Goethe reiste durch ganz Italien, und Schiller schrieb dem Dresdner Freund Körner (dem Vater von Theodor Körner übrigens) am 23. Juli 1787 aus Weimar:
“Vorgestern Abend kam ich hier an. Am nehmlichen Abend sah ich Charlotten. Unser erstes Wiedersehen hatte soviel gepreßtes, betäubendes, daß mirs unmöglich fällt, es euch zu beschreiben. Charlotte ist sich ganz gleich geblieben, biß auf wenige Spuren von Kränklichkeit, die der Paroxysmus der Erwartung und des Wiedersehens für diesen Abend aber verlöschte und die ich erst heute bemerken kann. Sonderbar war es, daß ich mich schon in der ersten Stunde unsers Beisammenseins nicht anders fühlte als hätt ich sie erst gestern verlassen. So einheimisch war mir alles an ihr, so schnell knüpfte sich jeder zerrissene Faden unsers Umgangs wieder an... Charlotte ist eine große sonderbare weibliche Seele, ein wirkliches Studium für mich, die einem größeren Geist als der meinige ist, zu schaffen geben kann. Mit jedem Fortschritt unsers Umgangs entdecke ich neue Erscheinungen in ihr, die mich, wie schöne Parthien in einer weiten Landschaft überraschen, und entzücken... Die Situation des H. v. Kalb am Zweibrückischen Hofe, wo er eine Carriere machen dürfte, wenn der Curfürst v. d. Pfalz sterben sollte, läßt sie vielleicht 10 biß 15 Jahre über ihren Aufenthalt frey gebieten... Hier ist wie es scheint schon ziemlich über mich, und mich und Charlotten gesprochen worden. Wir haben uns vorgesetzt, kein Geheimniß aus unserem Verhältniß zu machen”.
Sie ist fast krank vor Erwartung und gelähmt vor Wiedersehensangst, er hat sie damals verlassen, aber schon in der ersten Stunde ihres Beisammenseins fühlt es sich so an, als seien sie nie getrennt gewesen. Sicher, der Bereich des Erotischen kann sehr weitgespannt sein, und Sexualität ist nur eine Möglichkeit unter vielen, um zwischen zwei Menschen Nähe herzustellen. Aber wer nach diesen Äußerungen Schillers immer noch unbedingt meinen will, das von ihm selbst hier explizit so genannte Verhältnis zu Charlotte von Kalb sei nur ein rein platonisches gewesen, der verschließt sich doch sehenden Auges der lectio facilior.

Diese Weimarer Briefe an seinen wirklich vertrauten Freund Körner gehören überhaupt zu den aufschlußreicheren der Zeit, denn in ihnen nennt Schiller was ihm begegnet und widerfährt ziemlich unverblümt beim Namen. “Dieser Tage habe ich in großer adlicher Gesellschaft einen höchst langweilig Spaziergang machen müssen. Das ist ein nothwendiges Übel, in das mich mein Verhältniß mit Charlotten gestürzt hat – und wieviel flache Creaturen kommen einem da vor.” (12.8.87) Viel Klatsch breitet der erhabene Klassiker (der er damals aber natürlich noch nicht ist) in ihnen aus, und er vergißt nie zu erwähnen, was über ihn selbst geredet wird, denn das wurde ihm im kleinen Weimar natürlich umgehend hinterbracht. Umgekehrt ist er sich auch selbst nicht zu schade, rechte Klatschgeschichten über die anderen Weimarer Celebritäten zu verbreiten oder sie zu karikieren.
Wieland: “Sein Äuseres hat mich überrascht. Was er ist hätte ich nicht in diesem Gesichte gesucht – doch gewinnt es sehr durch den Augenblicklichen Ausdruck seiner Seele, wenn er mit Wärme spricht... Sehr gerne hört er sich sprechen, seine Unterhaltung ist weitläufig und manchmal fast biß zur Pedanterei vollständig, wie seine Schriften, sein Vortrag nicht fließend, aber seine Ausdrücke bestimmt. Er sagte übrigens viel alltägliches, hätte mir nicht seine Person, die ich beobachtete, zu thun gegeben, ich hätte oft Langeweile fühlen können.” (24.7.87)
Im gleichen Brief über die 48jährige Herzogin Anna Amalia (ja, genau die, nach der die unter ihrer Regentschaft gegründete Weimarer Bibliothek benannt wurde): “Sie selbst hat mich nicht erobert. Ihre Physiognomie will mir nicht gefallen. Ihr Geist ist äuserst borniert, nichts interessiert sie, als was mit Sinnlichkeit zusammenhängt”.
“Am vorigen Sontag war ich zu Bertuch zu einem sehr weitläuftigen Soupeer geladen, wo ich mich unter einer höchst abgeschmackten Menschenklasse, den Räthen und Räthinnen von Weimar, sehr übel berathen fand. In einer solchen Dürre des Geistes war Bertuch für mich ein wohlthuendes Wesen und das ist viel gesagt... Nächst ihm gefällt mir Bode noch ziemlich, aber ich traue ihm eben so wenig.” (14.9.87)
“Ueber die hiesigen Menschen hat mir Bode manche und drollige Aufschlüsse gegeben. Ich erzählte ihm meine jetzige Lage mit Wieland. Das wäre ganz in der Ordnung sagte er. Klopstok habe ihn nach Wieland einmal gefragt, darauf habe er ihm folgende Antwort gegeben. Er wünsche Wielands wegen, daß er auf eine halbe Stunde Jesus Christus beim jüngsten Gericht seyn dürfe. – Was würde er dann thun,“ fragte Klopstock. – Wieland müsse vor ihm, alle seine Schriften unter dem Arm, erscheinen, um sein Urtheil zu hören. – Sind Sie Herr Wieland aus Weimar, würde er zu ihm sagen – Ja – Nun Herr Wieland, sehen sie, dahin ligt rechts und dorthin links. Gehen Sie nun wohin es ihnen beliebt – wohin es Ihnen beliebt; aber nehmen sie sich nur in Acht. Das sage ich ihnen. Geben Sie wohl acht! – Die Satyre ist sehr fein, wenn man Wieland kennt, sein Lavieren zwischen gut und Übel” (10.9.87).
“Von den hiesigen großen Geistern überhaupt kommen einem immer närrische Dinge zu Ohren. Herder und seine Frau leben in einer egoischen Einsamkeit und bilden zusammen eine Art von heiliger ZweiEinigkeit, von der sie jeden Erdensohn ausschließen. Aber weil beide stolz, beide heftig sind, so stößt diese Gottheit zuweilen unter sich selbst aneinander. Wenn sie also in Unfrieden gerathen sind, so wohnen beide abgesondert in ihren Etagen, und Briefe laufen Treppe auf, Treppe nieder, biß sich endlich die Frau entschließt in eigner Person in ihres Ehgemals Zimmer zu treten, wo sie eine Stelle aus seinen Schriften recitiert, mit den Worten: „Wer das gemacht hat, muß ein Gott seyn, und auf den kann niemand zürnen“ – Dann fällt ihr der besiegte Herder um den Hals und die Fehde hat ein Ende.” (29.8.87)
Als Person aber macht Herder wiederholt einen angenehmen, guten und klugen Eindruck auf ihn, viel positiver als der langweilige und auch noch eitle Wieland. “Herder würde mir von allen der liebste seyn, wenn Herder aus sich heraustreten könnte um der Freund eines Freunds zu seyn. Beim ersten Anblicke und vollends bei einem warmen Gespräch ist es der liebenswürdigste Mensch unter dem Himmel. Dein ganzes Herz will ihm entgegen fliegen aber man sagt dass er es immer wieder zurückzuwerfen weiß.” (14.9.87)
Angelika Kauffmann, Selbstporträt 1784Von Göthe (so schreibt Schiller ihn selbst) kaum etwas, denn der ist gar nicht da, sondern verlustiert sich gerade auf seiner Italienreise im römischen Salon der gefeierten Malerin Angelika Kauffmann, der, laut Herder, “vielleicht kultiviertesten Frau Europas”, und ärgert sich höchstens einmal über die “Literatoren, wie sie hier in Abbétracht herumwandern”. Am schlimmsten war die Konversation mit ihnen, “wenn Dante zur Sprache kam. Ein junger Mann von Stande und Geist und wirklichem Anteil an jenem außerordentlichen Manne nahm meinen Beifall und Billigung nicht zum besten auf, indem er ganz unbewunden versicherte, jeder Ausländer müsse Verzicht tun auf das Verständnis eines so außerordentlichen Geistes, dem ja selbst die Italiener nicht in allem folgen könnten.”
Ach ja, wer würde sie nicht wiedererkennen, unsere stets sympathisch uneitlen italienischen Freunde.

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Dienstag, 15. Dezember 2009
35 Jahre Hölderlin-Gedächtnis-Lauf
Gönnen wir Presidente Berlusconi seine Zeit im Krankenhaus. Vielleicht kommt er außer zur Genesung auch, obwohl wenig Hoffnung ist, einmal zur Besinnung.
Wie kriege ich nun aber die Kurve zurück zu meinem Briefroman in Fortsetzungen aus der deutschen Klassik? Am besten über einen tagesaktuellen Gedenktag: Heute vor 35 Jahren lief Werner Herzog in Paris ein. Zu Fuß nach einer dreiwöchigen Wanderung durch ein verregnetes und manchmal auch verschneites winterliches Deutschland und Frankreich. Am Abend des ersten Wandertages, dem 23. November 1974, hatte er schon in seinem Notizbuch festgehalten: "Nach diesen wenigen Kilometern zu Fuß weiß ich, daß ich nicht bei Troste bin, das Wissen kommt von den Sohlen."
In München aufgebrochen, erreichte er nach fünf Tagen die Donau, nach weiteren fünf Tagen, in denen er den tief verschneiten Schwarzwald überquerte, den Rhein. Noch viele Tage, an denen er bis zur Erschöpfung lief, folgten. "Was heute eine Extremform des medialen Spaziergehens ist, umweht hier der Hauch der Lenzschen Verwirrung", hieß es dazu vor zwei Jahren in der ZEIT. Und wozu das Ganze? War es wieder nur eine dieser verrückten Aktionen wie die in seinen Filmen, für die Herzog so berühmt ist? Er selbst sagt, es steckte mehr dahinter. Es war eine magische Handlung, eine Art schamanistischer Zauberheilung.
"Ende November 1974 rief mich ein Freund aus Paris an und sagte mir, Lotte Eisner sei schwer krank und werde wahrscheinlich sterben. Ich sagte, das darf nicht sein, sie wird nicht sterben, ich erlaube das nicht. - Meine Schritte gehen fest. Und jetzt zittert die Erde. Wehe! Sie darf nicht. Sie wird nicht. Wenn ich in Paris bin, lebt sie."
Drei Wochen später und nach rund 800 zu Fuß zurückgelegten Kilometern sollte er Recht behalten, bei seinem Eintreffen in Paris war Lotte Eisner, die wichtige Filmkritikerin, "der einzige noch lebende Mensch auf dieser Erde, der das Kino von seiner Geburtsstunde an kennt, jeden, der jemals seit Beginn des Films Bedeutung hatte, auch persönlich", noch am Leben. (Sie sollte erst neun Jahre später sterben.)
Freitag, 13.12. 1974. Am Morgen hatte ich den Rand von Paris erreicht, aber bis zu den Champs Elysees war es noch einmal ein halber Tag, ich ging bis dort hin, auf Füßen, die so müde waren, daß ich keine Besinnung mehr hatte.
Samstag, 14.12. Im nachhinein noch dieses: ich ging zur Eisnerin, sie war noch immer müde und von der Krankheit gezeichnet. Irgendwer mußte ihr wohl am Telefon gesagt haben, daß ich zu Fuß gekommen war, ich wollte es nicht sagen. Ich war verlegen und legte meine wehen Beine auf einen zweiten Sessel hoch, den sie mir hinschob. In der Verlegenheit ging mir ein Wort durch den Kopf, und da die Situation ohnedies seltsam war, sagte ich es ihr. Zusammen, sagte ich, werden wir Feuer kochen und Fische anhalten. Da sah sie mich an und lächelte ganz fein und weil sie wußte, daß ich einer zu Fuß war und daher ungeschützt, verstand sie mich. Einen feinen, kurzen Moment lang ging etwas Mildes durch meinen todmüden Körper hindurch. Ich sagte, öffnen Sie das Fenster, seit einigen Tagen kann ich fliegen."
Für seinen, im Positiven, verrückten Einfall kannte Herzog vielleicht ein historisches Vorbild: Im Dezember 1801 verließ Friedrich Hölderlin Deutschland und wanderte zu Fuß von Nürtingen über den Hochschwarzwald und durch Frankreich ("auf den gefürchteten überschneiten Höhen der Auvergne, in Sturm und Wildnis...") mehr als 1000 Kilometer bis nach Bordeaux, wo er eine neue Stelle als Hofmeister antrat. Mitte Mai 1802 geht er schon wieder zurück. Am 7. Juni überschreitet er bei Kehl den Rhein. "Doch erst drei bis vier Wochen später" wundert sich Bertaux, "taucht er in der schwäbischen Heimat auf" ("leichenblaß, abgemagert, von hohlem wildem Auge, langem Haar und Bart, und gekleidet wie ein Bettler", heißt es in den zeitgenössischen Berichten). "Doch seit vierzig Jahren", fährt Bertaux fort, "drängt sich mir eine von der Hölderlin-Forschung nie in Betracht gezogene Hypothese immer zwingender auf: Hölderlins Rückkehr aus Bordeaux, sein drei- bis vierwöchiges Verschwundensein... sowie sein verwirrtes Auftauchen in der Heimat könnten mit dem Tode von Susette Gontard zu tun haben. - Diese Hypothese ist von Adolf Beck zurückgewiesen worden, jedoch ohne stringente Begründung... Allerdings ist hier der Angelpunkt des gesamten Problems; hier entscheidet sich in erster Instanz, ob Hölderlin geisteskrank gewesen ist oder nicht."

Heute vor 35 Jahren beendete Werner Herzog, erfolgreich und keineswegs geisteskrank, seine lange Wanderung in den Spuren Hölderlins.

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aktuell:
Wir unterbrechen unsere laufende Weimarer Klassik-Soap für eine aktuelle Meldung.

War es der halbwegs vernünftig gebliebenen Hälfte des italienischen Wahlvolks nicht seit längerem zu wünschen, daß einmal ein Beato Campochiaro, eine italienische Ausgabe von Beate Klarsfeld, die Bühne Berlusconis stürmen würde? Jetzt ist es passiert. Halb Italien freut sich (und nicht nur halb Italien), und daß Massimo Tartaglia aus Mailand ein Geistesgestörter sein soll, dürfte in meinen Augen entweder eine Schutzbehauptung oder die übliche Diffarmierungsreaktion aus dem Berlusconi-Lager sein.



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Freitag, 11. Dezember 2009
Aus 2 mach 3, mach 4... Zahlen- und andere Spiele
“Aber das Herz nimmt keine Rücksicht auf unsere äußere Lage und Schillers Gemüt war besonders so sehr für die Liebe geschaffen, dass es ihm Bedürfnis war, an jedem Ort, wo er länger verweilte, einen Gegenstand seiner Neigung zu suchen. Er hatte sich in Mannheim schon längst an den wackeren Buchhändler Schwan eng angeschlossen, und pflegte wohl aus den Schauspielen die eben fertig gewordenen Szenen ihm vorzulesen, mit besonderem Nachdruck, wenn seine Tochter zugegen war. Margaretha Schwan wird als ein sehr schönes Mädchen geschildert, mit großen, ausdrucksvollen Augen, von sehr lebhaftem Geist und ausgezeichneter Bildung, mehr zur Welt, Literatur und Kunst, als zur stillen Häuslichkeit hingezogen. In dem gastfreien, von Literaturfreunden viel besuchten Haus ihres Vaters hatte sie die Kunst gelernt, ihre Vorzüge geltend zu machen. Sie war damals neunzehn Jahr alt, und besorgte das Hauswesen, da ihre Mutter kurz vorher gestorben war. Durch jene literarischen Unterhaltungen, bei denen aber der Vater immer zugegen war, oder auf Lustpartien in die Umgegend, lernten sich die jungen Leute näher kennen. Als nun Schillers Phantasie für Lotte von Wolzogen allmählich verschwunden war, da trat, aber erst im Herbst 1784 und dem folgenden Winter, die interessante „Schwanin“ seinem Herzen nahe und immer näher.” (Karl Hoffmeister: Schillers Leben, 1846)
Die in einem Brief an Henriette von Wolzogen beiläufig erwähnte “Schwanin” bedeutete Schiller zeitweilig also doch mehr als nur eine “vortrefliche Person” für ein paar “angenehme Stunden”. Doch ebenso rasch wie er für sie entflammte, erlosch sein Interesse auch wieder, nachdem er im Frühling 1785 nach Leipzig übergesiedelt war. Brieflich hielt er von dort aus zwar noch bei ihrem Vater um die Hand der jungen Frau an, aber der Buchhändler schrieb betrübt an den Rand: “Laura in Schillers Resignation ist niemand anders als meine älteste Tochter. Ich gab derselben diesen Brief zu lesen und sagte Schillern er möchte sich gerade an meine Tochter wenden. Warum aus der Sache nichts geworden, ist mir ein Räthsel geblieben. Glücklich wäre Schiller mit meiner Tochter nicht gewesen.”
Das Rätsel läßt sich wohl leicht aufklären: Der aufgehende Stern am Dichterhimmel hatte mittlerweile anderweitige Ambitionen und Optionen. Denn eine andere machte ihm inzwischen Avancen, und zwar eine Dame von Stand und keine Buchhändlerstochter, zudem eine Dame, der man nachsagte, über bedeutenden Reichtum zu verfügen.
Anfang Juni 1784 hatte Schiller Henriette von Wolzogen von einer neuen Bekanntschaft Mitteilung gemacht: “Vor einem Monat waren Hr. und Fr. v. Kalb hier, und machten mir in ihrer Gesellschaft einige sehr angenehme Tage. Die Frau besonders zeigt sehr viel Geist, und gehört nicht zu den gewönlichen FrauenzimmerSeelen. Sie ließen mich wenig von ihrer Seite... Jezt sind sie weiter nach Landau – haben aber versprochen, öftere Besuche hier abzulegen.” Und das taten sie denn bald auch. Zumindest Frau von Kalb. Da es angeblich nicht gern gesehen war, wenn Offiziersfrauen in der Garnison ihrer Männer wohnten, nahm Frau von Kalb noch 1784 Wohnung in Mannheim, das lag ja nur etwa 50 Kilometer oder sechs Stunden mit der Postkutsche von Landau, der Garnison ihres Mannes, entfernt, aber nur wenige Hundert Meter von Schillers Unterkunft. Sie war erst ein Jahr verheiratet und ging mit Hölderlins späterem Schüler Fritz schwanger, war aber mit ihrem Mann alles andere als glücklich. Ebenso wie Henriette von Wolzogen war Charlotte von Kalb eine geborene Marschalk von Ostheim, ihr Stammgut Waltershausen lag nur 25 Kilometer südlich von Bauerbach, die beiden Cousinen waren befreundet, und so hatte Charlotte von Kalb sicher schon vorher von Schiller gehört. Nachdem ihr Bruder Friedrich als letzter männlicher Erbe des Waltershausener Familienzweigs 1782 bei einem Duell an der Göttinger Universität ums Leben gekommen war, hatte sie ein Jahr später “den Bruder ihres Schwagers, Heinrich von Kalb, ohne Wunsch und Neigung auf Betreiben anderer geheiratet, und nun schwanden ihr die Tage ohne Einsicht noch Absicht hin“, wie es Fritz Jonas, Herausgeber von Schillers Briefen, mitfühlend formulierte. Während ihr Mann am liebsten in Kameradenkreisen pokulierte, hielt ihr Schiller am Kindbett Händchen. Daß das selbst dem groben Klotz von Kalb zu denken gab, mag aus einem recht eigentümlichen Zusatz in seiner Geburtsanzeige an den eigenen Vater hervorgehen: “heut Nachmittag halb 3 Uhr wurde meine Frau von einem sehr großen, muntern, hübschen und der Familie ähnlich sehenden Buben glücklich entbunden.” -
“Daß das Verhältnis [zwischen Schiller und Ch. von Kalb] schon im Herbst 1784 erotisch gefärbt ist, läßt sich im Hinblick auf Charlottes unglückliche Ehe zumindest vermuten”, vermutet auch Peter-André Alt in seiner Schillerbiographie. Jedenfalls ließ sie seinetwegen ihre Beziehungen spielen und verschaffte ihm Zutritt zu hochadligen Gesellschaften, auf denen er aus seinen Manuskripten vorlesen durfte. Nach einer solchen Lesung in der landgräflich-hessischen Darmstädter Residenz ernannte der anwesende Herzog Carl August von Sachsen-Weimar Schiller auf seine “leise Bitte” hin zum “Weimarischen Rat”, was immerhin eine öffentliche Anerkennung bedeutete.
Seine finanziellen Probleme löste es in keiner Weise, und als seine sich häufenden Schulden Schiller an den Rand des Schuldturms brachten, erinnerte er sich einiger junger Leute, die ihm einmal ein Paket mit kleinen Zeichen ihrer Verehrung geschickt hatten. Im Februar 1785 ging der Theaterdichter in glühenden Worten auf eine von ihnen zuvor ausgesprochene Einladung ein.
“Unterdessen... fliege ich zu Ihnen, meine Theuersten, und weiß, daß ich in diesem Augenblik der Glüklichere bin. Jezt erst fange ich an, meine Phantasie, die unruhige Vagabundin, wieder lieb zu gewinnen, die mich aus dem traurigen Einerlei meines hiesigen Auffenthalts so freundschaftlich weg, und zu Ihnen führt... O meine Besten, Ihre freiwillig mir entgegenkommende Liebe hat einen merkwürdigen Einfluß auf die wirkliche Lage meines Herzens gehabt... und diese 12 Tage ist eine Revolution mit mir und in mir vorgegangen, die dem gegenwärtigen Briefe mehr Wichtigkeit gibt, als ich mir habe träumen lassen – die Epoche in meinem Leben macht. Ich kann nicht mehr in Mannheim bleiben. In einer unnennbaren Bedrängniß meines Herzens schreibe ich Ihnen, meine Besten. Ich kann nicht mehr hier bleiben... Mit dem Theater hab ich meinen Contract aufgehoben; also die oekonomische Rüksicht meines hiesigen Aufenthalts bindet mich nicht mehr. Außerdem verlangt es meine gegenwärtige Connexion mit dem guten Herzog von Weimar, daß ich selbst dahin gehe und persönlich für mich negotiire, so armselig ich mich auch sonst bei solcherlei Geschäften benehme. Aber vor allem anderen lassen Sie michs frei heraussagen, meine Theuersten, und lächeln Sie auch meinetwegen über meine Schwächen – ich muß Leipzig und Sie besuchen. O meine Seele dürstet nach neuer Nahrung – nach besseren Menschen... Meine poetische Ader stokt, wie mein Herz für meine bisherigen Zirkel vertroknete. Sie müssen sie wieder erwärmen. Bei Ihnen will ich, werde ich alles doppelt, dreifach wieder seyn, was ich ehemals gewesen bin, und mehr als das alles, o meine Besten, ich werde glüklich seyn. Ich wars noch nie. Weinen Sie um mich, daß ich ein solches Geständniß thun muß... Werden Sie mich wohl aufnehmen?... Ich bin fest entschlossen, wenn die Umstände mich nur entfernt begünstigen, Leipzig zum Ziel meiner Existenz, zum beständigen Ort meines Auffenthalts zu machen.”
Zwei Wochen später schiebt er noch eine unbedeutende Mitteilung aus den häßlichen Niederungen der materiellen Existenz nach:
“Ob ich gegen Sie offen seyn darf, wird vermuthlich keine Frage mehr seyn. Ich bin es, und das ist vielleicht das erste und entschiedendste Unterpfand meiner ausgezeichneten Freundschaft”, schreibt er am 28.2.85 nach Leipzig. “Wenn ich neben der leidenschaftlichen Begierde Sie und Ihre Lieben von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und in Ihrem Zirkel zu existieren, noch eine Ursache meiner Leipziger Reise in Anschlag bringen darf, so ist es diese, theils mich mit dem Herzog v. Weimar auf einen gewissen Fuß zu arrangieren, theils durch das bestmöglichste Employ meiner Arbeiten meine Umstände in Ordnung zu bringen... Sehen Sie bester Freund welche wichtige Veranlassung mein Finanzsystem hergibt daß ich nach Leipzig reise – die Wünsche meines Herzens, welche früher entschieden als jene alle, nicht mitgerechnet. Aber ich kann Mannheim nicht verlassen, ohne wenigstens 100 Dukaten verschleudern zu müssen... Ich glaube mein theurer, ich habe Sie jezt mit meiner ganzen Situation bekannt genug gemacht. Jezt meine Bitte. Ist es nicht möglich daß Sie mir (auf Ihren oder meinen Nahmen – von Buchhändlern oder von andern Juden) ohngefehr 300 Thaler Vorschuß verschaffen können?”
Ist der Kerl nicht unglaublich? So viel Chuzpe muß man erst einmal aufbringen. Aber Frechheit siegt bekanntlich, und Schiller bekam das Geld tatsächlich und zog - die zärtlichen Empfindsamkeiten der Freifrau von Kalb auf einmal hintanstellend - im April 1785 nach Leipzig um, dem “Ziel seiner Existenz” und “beständigen Ort seines Auffenthalts”. Dann weiter nach Dresden.
Wo es ihm zunächst so gut ging, daß es die berühmte Hymne An die Freude aus ihm hervorschleuderte, wo er im Kreis der beiden jungen Brautpaare, die ihn bei sich wohnen ließen und auch sonst aushielten, aber auch bald gewisse emotionale Defizite verspürte, bis er im Karneval einen Maskenball besuchte, der ihn anschließend zu sehr viel schlechteren Reimen hinriß:
Henriette von Arnim
Mein erster Anblick war – Betrug.
Doch unsern Bund, geschlossen unter Scherzen
Bestätigte die Sympathie der Herzen
Ein Blick war uns genug;
Und durch die Larve, die ich trug,
Las dieser Blick in meinem Herzen
Das warm in meinem Busen schlug!
Der Anfang unsrer Freundschaft war nur – Schein!
Die Fortsetzung soll Wahrheit sein.
Als Henriette von Arnim, die schwarzäugige Zigeunerin vom Maskenball, die im wirklichen Leben als Kammerzofe am Dresdner Hof diente, ihm dann tatsächlich bald ein paar Wahrheiten offenbarte, konnte Schiller damit ausgesprochen schlecht umgehen. In dem ersten von ihr erhaltenen Brief gestand sie, daß es vor (oder außer) ihm schon einen anderen Mann bei ihr gegeben habe, und im zweiten und letzten wirft sie ihm seine mit zweierlei Maß rechnende Reaktion aus gekränkter Eitelkeit vor:
“Sie rechnen mir das, zum Verbrechen an, was Sie sich doch auch schon vorzuwerfen hätten. Freilich sich selbst rechnen Sie nichts zum Vorwurf, was aber bei mir Staats Verbrechen heißt [...] jede Stelle Ihres Briefes beweist mir daß bei Ihnen der Stolz noch sehr über die Liebe herrscht; denn [...] das wissen Sie nur zu gut, daß Sie bei mir zuerst Liebe erweckt haben, und aus Gefälligkeit taten Sie vielleicht als wenn Sie auch etwas empfänden, nun aber sind Sie es überdrüssig, Ihre Zeit an so ein armseliges Geschöpf (wie ich in Ihren Augen sein mag) zu verschwenden, und wollen nun nach und nach an den Rückzug denken.”
Der wurde ihm jedenfalls von den Freunden, besonders von Minna Körner immer wieder dringend nahegelegt. “Von jetzt an fehlte Schiller jeden Abend an unserem Teetische; ich dachte es mir gleich, wo er seine Abende zubringe und sagte es ihm auf den Kopf zu. Er machte kein Geheimnis daraus, gestand mir sogar zu, dass er sich in allem Ernste um [ihre] Hand ... bewerbe”, schrieb Minna Jahre später Schillers Schwägerin und erster Biographin, Karoline von Wolzogen. “Da mir die Leichtfertigkeit der Mutter und ihrer Tochter nicht unbekannt war, ließ ich es an Warnungen nicht fehlen; es war vergeblich. Unser Freund war ganz toll und blind verliebt, und selbst nachdem ich ihm die Überzeugung verschafft hatte, dass er nicht der Alleinbegünstigte in jener Familie sei, ließ er sich nicht abwendig machen.”
In den Augen der guten Dresdener Gesellschaft war Henriette von Arnim also eine Leichtfertige oder Kokotte. Auch suggerierte Minna Körner Schiller, vor allem Henriettes Mutter würde ihn nur benutzen, um wohlsituiertere Heiratskandidaten für die Tochter endlich aus der Reserve zu locken. Um ihn ein wenig abzukühlen, besorgte sie Schiller ein anderes Quartier außerhalb der Stadt. Das ganze Frühjahr über seufzte er über die seiner Kreativität feindliche Einsamkeit in dem von dichten Wäldern umstandenen Kaff Tharandt, bis ihm der Geduldsfaden riß. Er wollte raus aus dieser Wäldereinsamkeit, am besten dorthin, wo der Bär steppte oder der Papst boxte, und wo konnte das anders sein als in - Berlin? New York, Rio, Tokyo? Quatsch, Weimar.
Von dort lag ihm neuerdings auch eine Einladung vor, von einer gewissen Freifrau von Kalb.

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