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Sonntag, 8. Juni 2008
Geschöpfe des Windes

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Freitag, 6. Juni 2008
al-Wasil
Am späten Nachmittag waren wir mit dem Mann namens Raschid in al-Wasil verabredet, einem kleinen, staubigen Straßendorf am Rand der Ramlat al-Wahiba. Ein hilfsbereiter Angestellter am Hotelempfang in Nizwa hatte uns seine Telefonnummer gegeben, als er hörte, dass wir in die Wüste wollten. Raschid, sicher ein Verwandter von ihm (aber sprach das dagegen?), unterhalte ein kleines, bescheidenes Camp im Gebiet der großen Sanddünen und sei ein erfahrener Führer aus einer in der Wüste lebenden Bedufamilie.

Wir trafen etwas vor der verabredeten Zeit ein, parkten den Wagen im schmalen Schatten einer niedrigen Zeile von Lehmhäusern und warteten. Die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatten jede Tür und jedes Fenster gegen die stechende Sonne verschlossen. Ein einziges Mal öffnete sich eine schmale Pforte in einem beschnitzten doppelflügligen Portal, und eine Beduinenfrau schlüpfte heraus. Statt eines Schleiers trug sie die omanische Burqa und ein mit roten Bordüren schön verziertes Tuch. Am kleinen Finger einen massigen Goldring. Durch den Türspalt wurde im Hof kurz eine Kloschüssel sichtbar, dann schloss sich die Pforte. Wenig später kam ein gelbes Buschtaxi, auf dessen Ladefläche ein paar Halbwüchsige hockten. Ob wir auf Raschid warteten; er käme bald. Nach dieser Zwischenmeldung fuhren sie wieder davon.

Im Autoradio lief ein endlos schwebender Teppich von arabischer Popmusik, leise klopfende Rhythmustrommeln, an- und abschwellende Streicher, Habibi besingende Frauenstimmen, alles nicht unangenehm, einschläfernd im Hitzeatem der Wüste. Ich hielt mein kleines Reisethermometer aus dem Seitenfenster. Es schnellte von 41 ̊ im Schatten auf den Anschlag bei 53 ̊.
Dann bog ein weißer Landcruiser um die Hausecke und hielt hinter uns. Zwei Männer stiegen aus. Der Fahrer in gegürteter weißer Dischdascha und hell gemustertem Turban kam auf uns zu, den anderen in blauem Monteursoverall sah ich im Rückspiegel hinter unserem Wackenheck abtauchen. Der Weißgekleidete stellte sich als Raschid vor, ein junger Mann, vielleicht Anfang dreißig mit einem schmalen Kinnbart und wachen braunen Augen unter kräftigen Brauen. Er fragte, ob wir zu ihm umsteigen oder mit unserem eigenen Wagen fahren wollten. Letzteres. Gut. Unser Auto könnte es schaffen. (Kurze Pause.) Wir sollten ihm dann immer in seiner Spur folgen. Plötzlich ertönte vom Wagenheck ein lautes Zischen. Raschid sah mich völlig unbeteiligt an. “Dein Freund lässt uns schon mal die Luft aus den Reifen?”, fragte ich. Seine Lippen verzogen sich zu einem fast unmerklichen Lächeln, und er nickte. “Damit ihr euch nicht so leicht im Sand festfahrt.” “Ich weiß”, sagte ich. “Dann können wir ja losfahren.” “Fahren wir.”

Wir wendeten, bogen in eine schmale Gasse und kurvten zwischen den eng zusammenstehenden Häusern hindurch. An einem hielt Raschid noch einmal an und stieg aus. Er nahm zwei große Kanister von der Ladefläche und stellte sie unter einen aus der Hauswand ragenden Wasserhahn. “Hier könnt ihr auch noch mal Wasser zapfen”, sagte er. “Es kommt aus einem Tank in der Erde. Ist schön frisch und kühl.”
Hinter den letzten Häusern von al-Wasil endete die Straße im Sand. Er sah dunkel aus, wellig und fest wie trockenes Watt. Aber in der Ferne wölbte sich, rötlich in der Spätnachmittagssonne glühend, die erste hohe Sanddüne.


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Dienstag, 3. Juni 2008
Aufmerksamkeit am Rand der Wüste
Wir waren also in der Wüste gelandet.
Erstaunlich unaufgeregt, fast unbemerkt, als hätte sie sich leise angeschlichen. Auf dem frischen Asphaltband käme man mit genügend Wasser und Benzin in den Tanks wohl völlig unbehelligt hindurch. Mit eingeschalteter Klimaanlage würde sie vor den getönten Scheiben vorbeispulen wie einer der zahllosen langweiligen Dokumentarfilme auf Discovery Channel. Aber ein bisschen wollte ich mich schon von ihr behelligen lassen. Dafür war ich schließlich hierher gekommen. Doch hatte ich mir genügend Respekt angelesen, um nun nicht einfach aufs Geratewohl irgendeiner Fahrspur in die Wahiba-Sande zu folgen, in denen Thesiger immerhin auf die berüchtigten Treibsande der Umm al-Samim gestoßen war. “Ich war der erste Europäer, der sie sah. Den weißen Boden aus feinem Gipsstaub bedeckte eine sandbestreute Salzkruste. Weiter draußen ließ lediglich eine um weniges dunklere Färbung der Oberfläche den Sumpf erkennen, der darunter drohte. Ich tat einige Schritte nach vorn, aber Staiyun legte die Hand auf meinen Arm und sagte: ‛Geh nicht weiter! Es ist gefährlich!'”

Als wir in einer kleinen Oasensiedlung von der Hauptstraße abbogen, folgte uns ein betagter Pickup, der sogleich begann, mit der Lichthupe Zeichen zu geben, sobald wir den Ort hinter uns hatten. Soll er doch überholen, dachte ich und ließ mich nicht beirren. Nach wenigen Kilometern blinkte er wieder, scherte aus, überholte und wurde dann langsamer. Ein brauner Unterarm winkte aus dem Seitenfenster abwärts.
“Ein Polizeiauto ist das definitiv nicht”, sagte ks. misstrauisch.
“Nein. warten wir ab, was sie von uns wollen.”
Wir rollten aus, und aus dem blauen Pickup stieg ein wie ein Bauer gekleideter Mann in einer ziemlich schweißdunklen Dischdascha und einem nachlässig gewickelten Turban. Ich ließ das Seitenfenster herab.
Er trat heran und streckte mit einem ruhigen “Salam alejkum” die Hand zum Fenster herein. Ich ergriff sie mit einem Gegengruß, und er fragte in sehr gutturalem Englisch: “You go Wahiba Sands?”
“Yes.”
“You better not go this way. Bad road. Very bad. Leading nowhere. Only sand. No road. Very bad. You better go back. Take other road.”
Der nette Mann war uns also eigens nachgefahren, um uns vor einem gefährlichen Abstecher zu warnen. Welche Aufmerksamkeit Fremden gegenüber! Ich überlegte kurz, wieviele Bauern wohl in Deutschland einem Auto mit fremdem Nummernschild hinterherfahren würden, das in einen Feldweg einbog, der etwa in einem sumpfigen Wiesengelände endete. Ich bedankte mich und sagte, wir wären im nächsten Ort verabredet, um mit einem Führer in die Wüste zu fahren.
“Rashid good man”, sagte der Mann zufrieden und ging wieder zu seinem Wagen, stieg ein, wendete und fuhr in einer Staubwolke zurück.

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Sonntag, 1. Juni 2008
Ba‘al Zebûb
Wir tranken unsere kleinen Schälchen zweimal leer, gaben dann dem Gefühl, hier als Eindringlinge oder Fremdkörper betrachtet zu werden, nach und zahlten einen deutlich überhöhten Betrag. Als sich meine Augen unter dem Türrahmen an die gleißende Helle draußen gewöhnten, ging mir auf einmal auf, dass wir längst erreicht hatten, was wir im Oman vor allem sehen wollten: Wüste. Da draußen lag sie ja, umgab uns längst überall jenseits des schmalen Teerbands der Straße. Ein flaches Geröllfeld, das sich endlos in jede Richtung erstreckte, als wäre hier schon einmal grob das Kiesbett für einen späteren Riesenflughafen planiert worden, ehe man die Baumaschinen zu einem anderweitigen Einsatz abtransportiert hatte. Die Wüste war eine öde, verlassene Baustelle. Millionen Sonnen hatten alle Farbe aus dem Gestein gebleicht, die Hitze sogar Fels geknackt und zerbröckelt, heiße Wüstenwinde hatten ihn zerrieben, geschliffen, zu Kies kleingemahlen und gleichmäßig über die große Leere verteilt. Vielleicht ist die Wüste der einzige Ort, an dem man das Nichts schon sehen kann, dass uns einmal erwartet. Vielleicht ist sie darum für so viele ein Ort philosophischer Betrachtung gewesen. Oder die Gegend, von der die drei strengsten Weltreligionen ihren Ausgang nahmen. “Mein Gott, wo ist Schatten?”, keucht der Held in Tajjib Salichs Zeit der Nordwanderung. “So ein Land bringt nichts als Propheten hervor.” Die übrigen Menschen standen verloren in der Geröllwüste, schauten um sich, erblickten überall nur das leere Nichts; sie schauderte, sie richteten ihre Blicke zum Himmel, weil er die einzige Dimension war, die nicht voll staubigem Kies lag, und beteten: “Ich falle vor Dir auf die Knie und bete dich an, ich will alle Gebote befolgen, die Du mir auferlegst, aber, please, get me out of here! Beam mich rauf, Scotty!”
Hier, wo es absolut nichts zu sehen gab, lag die Idee eines unsichtbaren Gottes näher als anderswo. Die größte denkbare Konkretion, aus unmittelbarer Anschauung entstanden, war noch die, dass Er vielleicht einmal in einem brennenden Dornbusch materialisierte, der sich, verdorrt allein auf dieser Plaine stehend, in der erstickend sengenden Hitze selbst entzündet hatte, die auch mir jetzt heiß die Haut spannte und in den Kopf stach. Eins wurde mir gleich bei diesem ersten Erleben klar: Die Wüste war etwas sehr Großes und Mächtiges. So oder so. Erhaben oder niederträchtig, gemein, vernichtend.
Von einer Abfalltonne neben dem Kaffeehaus kam eine Fliege angeschwirrt. Ihr Brummen das einzige Geräusch in der lastenden Stille. Es war eine recht große Fliege, Cynomyia mortuorum, haarig und mit einem metallischgrün schillernden Rückenpanzer. Sie landete auf meinem linken Unterarm wie ein Raubvogel auf dem Handschuh des Falkners und musterte mich unergründlich aus großen roten Facettenaugen.

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Mittwoch, 28. Mai 2008
Kaffee??
Bahla und Jabrin sollten auf dieser kurzen Reise unsere westlichsten Punkte im Oman sein. Am nächsten Morgen drehten wir den panzerartigen Bug des Pfadfinders gen Osten (weg von Mekka) und fuhren auf einer Nebenstraße nahe den Ausläufern des Hajargebirges der Region al-Sharqiyah entgegen. Bald sollte er beweisen, wieviel Geländewagen wirklich in ihm steckte.
Als die Straße nach Süden abschwenkte und die Berge zurückblieben, ging das Land schnell in eine flache, völlig öde Schotterwüste über. Luftspiegelungen flimmerten über dem nur noch wenig befahrenen Asphalt. Es sah aus, als stünde er abschnittweise unter Wasser und würde uns sonst noch was vorgaukeln, bis die ersten Dromedare tatsächlich neben uns vorbeischritten und sich hier und da hochmütig eines der vereinzelten Blättchen von den dornigen Akazien zupften.

An einem alten, verfallenden Einzelgehöft hielten wir an. Umfassungsmauer, ein ehemals dreigeschossiger Turm, Wohnhaus, Ställe, alles aus ungebrannten Lehmziegeln erbaut, die unter der unbarmherzigen Hitze längst ins Bröckeln geraten waren. Aus Staub bist du geworden, zu Staub sollst du werden. Ohne umweltbelastende Rückstände. Das Baumaterial billig und an Ort und Stelle vorhanden, leicht zu bearbeiten, gut isolierend, einfach auszubessern. Sehr praktisch.

Bei al-Mudaybi macht ein Schild auf ein zum “Tourist-Restaurant” deklariertes Kaffeehaus aufmerksam. Wir steuern es an und lösen beträchtlichen Wirbel aus. Auf die glatt verputzte Fassade sind nicht nur Bruchsteine und dicke Quader gemalt, die gleiche künstlerisch inspirierte Hand hat auch noch hinzugefügt, was es in dieser Gegend am allerwenigsten gibt: üppiges Grün, Bäume, einen großen Teich mit zwei Fontänen. Fehlt nur noch ein kapitaler Jägermeisterhirsch, der sein Geweih aus dem finstern Tann reckt. Der Kellner, der unseren Wagen gehört hat und uns an der Tür empfangen will, prallt zurück und muss erst einmal seinen Bruder zur Unterstützung holen, ehe er verstehen kann, welche Extravaganz wir uns wünschen. - Kaffee.

So? Unglaublich! Kaffee?
- Ja, bitte. Ganz gewöhnlichen omanischen Kaffee mit Kardamom.
- Mit Milch?
- Nein. Mit Kardamom.
- Zucker?
- Danke, nein.

Wir nehmen auf einer Gruppe von Sitzpolstern am Boden Platz, obwohl es - wir befinden uns in einem “Tourist-Restaurant”! - auch einen Tisch mit ein paar Plastikstühlen gibt. Die beiden einzigen Gäste, zwei Einheimische, die in ihren Nachthemden an Wasserpfeifen nuckelten, erheben sich und verlassen indigniert das Lokal. Eine Frau im Kaffeehaus! Der Untergang des Morgenlands steht vor der Tür. Nein, ist gerade eingetreten.

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Sonntag, 25. Mai 2008
Nizwa
Nizwa am Abend. Eine sehr angenehme Stadt. Schöner als Maskat jedenfalls. Ein aufgeräumter Suk mit freundlichen, unaufdringlichen Verkäufern. Die Gassen um diese Tageszeit voller Menschen; Männern. Vor allem viele Grüppchen indischer Wanderarbeiter sind unterwegs, die sich im Suk gegenseitig fotografieren und Telefonkarten für ihre Handys kaufen. Wieder Blicke über Blicke auf ks., ihre weiße Bluse, ihre hellen Füße. Ungläubige Blicke, bewundernde Blicke, begehrliche Blicke. Auch die wenigen Frauen auf den Straßen reagieren fast immer auf sie; durchweg wohlwollend, erfreut, zustimmend oder kichernd.
Über allem thronen der dicke Rundturm der alten Stadtfestung, die in ihren Ursprüngen auf das 12. Jahrhundert zurückgehen soll, und die blau-goldene Kuppel der Moschee. Die Omanis nahmen mit als erstes Volk schon um 630 den von Mohammed verkündeten neuen Glauben an. Nizwa durfte sich als Sitz ihres Imam mit dem Titel “Perle des Islam” schmücken, und heute ist die Stadt ganz klar eine Perle des Oman.

Das Bild unten entstand in der Abenddämmerung als schneller Schnappschuss von einer Brücke über das Wadi, wo die Einwohner flanierten, und ist leider unscharf, lässt aber doch einige typische Dinge des Straßenbilds erkennen, vor allem die klare Trennung von Frauen (in Schwarz) und Männern (in Weiß).

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Samstag, 24. Mai 2008
Al-Jabrin
Nach einem ausgedehnten Frühstück im Tauchcenter verließen wir die Hauptstadt und durchquerten das Küstengebirge durch das flache, breite Tal von Samail auf einer vierspurigen Autobahn. In Fanja bogen wir ab, um uns eine erste ländliche Wadisiedlung anzusehen, aber Reichtum aus der Kapitale dividierte die Verhältnisse schon deutlich auseinander. Außer einfachen kleinen Lehmhäusern, die sich neben den Bewässerungsrinnen in den Schatten der Dattelpalmen duckten, gab es etliche neureiche Großbauten; komplett ummauert, mit gefliesten Torhäusern und “neobarock” verschnörkelten Portalen aus teilvergoldetem Schmiedeeisen.
Auf der Weiterfahrt rückten die Berge im Westen allmählich näher heran, steil in die Diagonale gekippte Sedimentschichten mit schroffen Kerben und Klüften dazwischen. Die Karte besagte, dass sie bis auf zweieinhalbtausend Meter ansteigen, aber wir sahen nur den unteren Teil davon, weil darüber längst wieder alles im Dunst einer zugleich sengenden und lastenden Hitze verschwamm.
Hinter dem Gebirge verließen wir die Autobahn und fuhren durch Nizwa nach Bahla und der alten Festung Al-Jabrin, die sich der regierende Imam im 17. Jahrhundert als befestigten Palast erbauen ließ. Der Torwächter kam uns auf der Zufahrtsstraße entgegen und wedelte mit den Händen bedauernd ab: Feierabend, anâ âsif. - Lâ yuhimmuka, macht nichts. Wir kamen zwar zu spät, aber es schadete nicht. Dafür waren wir ganz allein. Schweigen breitete sich um die glatten, zinnenbekrönten Mauern, die in dem späten verschleierten Sonnenlicht milde rötlich schimmerten. Die ärgste Hitze war gebrochen. Irgendwo zwischen den Dattelpalmen einer größeren Pflanzung räusperte sich dann doch ein alter Bauer vernehmlich, ehe er das Schott öffnete, um seinen Bäumen die abendliche Bewässerung zukommen zu lassen.

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