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Sonntag, 1. Juni 2008
Ba‘al Zebûb
Wir tranken unsere kleinen Schälchen zweimal leer, gaben dann dem Gefühl, hier als Eindringlinge oder Fremdkörper betrachtet zu werden, nach und zahlten einen deutlich überhöhten Betrag. Als sich meine Augen unter dem Türrahmen an die gleißende Helle draußen gewöhnten, ging mir auf einmal auf, dass wir längst erreicht hatten, was wir im Oman vor allem sehen wollten: Wüste. Da draußen lag sie ja, umgab uns längst überall jenseits des schmalen Teerbands der Straße. Ein flaches Geröllfeld, das sich endlos in jede Richtung erstreckte, als wäre hier schon einmal grob das Kiesbett für einen späteren Riesenflughafen planiert worden, ehe man die Baumaschinen zu einem anderweitigen Einsatz abtransportiert hatte. Die Wüste war eine öde, verlassene Baustelle. Millionen Sonnen hatten alle Farbe aus dem Gestein gebleicht, die Hitze sogar Fels geknackt und zerbröckelt, heiße Wüstenwinde hatten ihn zerrieben, geschliffen, zu Kies kleingemahlen und gleichmäßig über die große Leere verteilt. Vielleicht ist die Wüste der einzige Ort, an dem man das Nichts schon sehen kann, dass uns einmal erwartet. Vielleicht ist sie darum für so viele ein Ort philosophischer Betrachtung gewesen. Oder die Gegend, von der die drei strengsten Weltreligionen ihren Ausgang nahmen. “Mein Gott, wo ist Schatten?”, keucht der Held in Tajjib Salichs Zeit der Nordwanderung. “So ein Land bringt nichts als Propheten hervor.” Die übrigen Menschen standen verloren in der Geröllwüste, schauten um sich, erblickten überall nur das leere Nichts; sie schauderte, sie richteten ihre Blicke zum Himmel, weil er die einzige Dimension war, die nicht voll staubigem Kies lag, und beteten: “Ich falle vor Dir auf die Knie und bete dich an, ich will alle Gebote befolgen, die Du mir auferlegst, aber, please, get me out of here! Beam mich rauf, Scotty!”
Hier, wo es absolut nichts zu sehen gab, lag die Idee eines unsichtbaren Gottes näher als anderswo. Die größte denkbare Konkretion, aus unmittelbarer Anschauung entstanden, war noch die, dass Er vielleicht einmal in einem brennenden Dornbusch materialisierte, der sich, verdorrt allein auf dieser Plaine stehend, in der erstickend sengenden Hitze selbst entzündet hatte, die auch mir jetzt heiß die Haut spannte und in den Kopf stach. Eins wurde mir gleich bei diesem ersten Erleben klar: Die Wüste war etwas sehr Großes und Mächtiges. So oder so. Erhaben oder niederträchtig, gemein, vernichtend.
Von einer Abfalltonne neben dem Kaffeehaus kam eine Fliege angeschwirrt. Ihr Brummen das einzige Geräusch in der lastenden Stille. Es war eine recht große Fliege, Cynomyia mortuorum, haarig und mit einem metallischgrün schillernden Rückenpanzer. Sie landete auf meinem linken Unterarm wie ein Raubvogel auf dem Handschuh des Falkners und musterte mich unergründlich aus großen roten Facettenaugen.

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