Find more about Weather in Piran, LJ
Dienstag, 10. März 2015
Stadt, Land, Meer, Vulkan

Gegen die rissige, blättrige Borke der Bäume steht auch hier die Betonglätte der Stadt, mit einem Unterschied: Überall, selbst mitten im Zentrum öffnen sich immer wieder Sichtachsen, die den Blick freigeben auf eine völlig ungezähmte Natur, auf den eisig grünblau anrollenden Nordatlantik, auf grobstollig zerklüftete Lavafelder, kaum mehr als 1000 Jahre alt, auf schnee- und eisgepanzerte Berge, auf nicht von Menschenhand Geschaffenes. Das Andere von uns, die Natur, ist allgegenwärtig und nah. Besonders unter diesen winterlichen Verhältnissen läßt sie die ausgesetzte kleine Stadt am Sund trotz emsiger menschlicher Bautätigkeit noch viel kleiner und verletzlicher aussehen. Die Natur in Reichweite da draußen läßt dich immer wieder unterschwellig spüren, daß ihre Kräfte jederzeit ausreichen würden, das Leben hier zum Erliegen zu bringen.
Gerade erst wurde der jüngste Vulkanausbruch im Landesinneren für beendet erklärt, der seit dem letzten August ein halbes Jahr lang angedauert hat. Er goß fast anderthalb Kubikkilometer neue Lava über 85 Quadratkilometer vorher vergletscherten Hochlands. Es war der größte Vulkanausbruch in Europa seit 230 Jahren. (Nebenher setzte er im Anfang täglich 150.000 Tonnen Schwefeldioxid frei – zehnmal mehr als ganz Europa sonst produziert.) Doch mit seinem Ende ist für die Isländer keine Entwarnung verbunden. Denn mit dieser gewaltigen Lavamenge ist nicht mehr als etwa 1 Prozent des Magmas an die Oberfläche gedrungen, das unter dem Eis in diesem einen Vulkansystem brodelt.
‟Es ist höchst wahrscheinlich, daß der Rest demnächst noch von sich hören läßt”, erklärte der führende isländische Vulkanologe neulich in einem Vortrag. Ein in seiner Art vergleichbarer kleinerer Ausbruch in der jüngeren Vergangenheit sei zehn Jahre lang nicht zur Ruhe gekommen. Der ‟Muttervulkan” Bárðarbunga liegt ein paar Hundert Kilometer von Reykjavík entfernt unter dem Eis des Vatnajökull, aber was heißt das schon? Alle Berge, alles Land hier ist vulkanischen Ursprungs. Die Esja ist alt und erloschen, Vífilsfell erhob sich in der letzten Eiszeit, auf der Hellisheiði gleich vor der Stadt überzeugte ein Vulkanausbruch die Menschen erst vor 1000 Jahren davon, daß es vielleicht doch besser sei, sich christlich taufen zu lassen, und an ebendieser Stelle zapft man bis heute geothermische Energie aus der Lava. Ebenso gilt das Vulkansystem in Krísuvík auf der Halbinsel Reykjanes südwestlich der Stadt als noch aktiv. An der Oberfläche ist heute alles ruhig, aber diese Berge sind noch nicht von Jahrmillionen der Erosion abgeschliffen worden, sie sind noch rauh, kantig, schroff; man sieht ihnen die Kraft noch an, die in ihnen schlummert. Sie strahlt bis in die Stadt hinein.

... link (0 Kommentare)   ... comment