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Montag, 13. Juni 2011
H.P. Berlage und das Haager Gemeentemuseum





Wie man auf dem Foto vielleicht noch lesen kann, ist die Aufnahme schon zwei Jahre alt, aber sie paßt dennoch ganz gut, weil der Architekt des Haager Gemeentemuseums, Hendrik Petrus Berlage, seine Laufbahn nämlich 1893 mit einer Schrift über “Baukunst und Impressionismus” begann. Zuvor hatte er bei Gottfried Semper in Zürich studiert, verwarf aber als selbständiger Architekt den Historismus in der Baukunst als unzeitgemäß und verlogen. In seiner Schrift formulierte er dagegen Grundzüge für eine zeitgemäßere Bauweise für eine von ihm erhoffte demokratische Gesellschaft; sie solle einfach, allgemeinverständlich und erschwinglich sein.
Ein bißchen Ironie steckt schon darin, daß die ersten großen Aufträge, die der Sozialist Berlage erhielt, in Bauten für einen Versicherungskonzern (De Nederlanden in Den Haag, Kerkplein, von 1897) und die Amsterdamer Börse (1898-1903) bestanden. Beide gelten noch immer als bedeutende Architekturdenkmäler. Besonders De Beurs van Berlage wird als erstes modernes Gebäude in den Niederlanden und Vorbild für die “Amsterdamer Schule” angesehen und steht auf der Liste der “1000 wichtigsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts”.


Die Art, wie Berlage in den Jahren 1915-20 den Wunsch des Reeders, Erzhändlers und Kriegsgewinnlers Anton Kröller nach einem Jagdschloß im Zeichen des heiligen Hubertus umsetzte, kann ich fast nur als hintersinnig-ironische Desavouierung des Bauherrn gelten lassen. (Für den “Hausfreund” von Kröllers deutscher Ehefrau Helene Müller, der Tochter eines Essener Stahlbarons, die das Vermögen in die Ehe brachte, richtete Berlage eigens ein Apartment in der ersten Etage ein, von dem eine kleine, geheime Treppe direkt in das Schlafzimmer von Frau Kröller-Müller hinabführte. Der Grundriß in Form eines riesigen Hirschgeweihs setzte dem Großhändler mit Poposcheitel und Walroßschnauzbart dann auch von außen deutlich sichtbar Hörner auf.)

Das Gemeentemuseum ist dagegen Berlages letztes großes Projekt, und es wurde erst ein Jahr nach seinem Tod 1935 fertiggestellt. Für viele ist es aber gerade sein vollendetstes Bauwerk. Auf geometrischem Grundriß ist es voll und ganz nach einer Maßzahl gebaut, der 11, die in christlichen Zusammenhängen häufig als symbolische Zahl für die Übertretung der zehn Gebote und dann allgemein als Symbol der Überschreitung vollendeter Systeme verstanden wird. Jeder Pfeiler, jede Mauer des Museums steht auf einem rechtwinkligen Raster mit einer Kantenlänge von 1,10 Metern, und in allen Maßen des Gebäudes kommen die 11 oder ihre Vielfachen vor. Auch die eigens hergestellten gelben Klinkersteine der Fassade wurden passend auf Maß gefertigt, so daß am ganzen Bau nicht ein gekürzter oder zerschnittener Stein zu sehen ist. Das Gemeentemuseum ist ein auch im Detail vollendetes Gesamtkunstwerk der klassischen Moderne.

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