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Dienstag, 7. Dezember 2010
Das Kesseltreiben geht weiter
Die diplomatischen, aber mahnenden Worte von US-Botschafter Beyer in Bern scheinen in der Schweiz schnell gewirkt zu haben. Gestern gab die dem Schweizer Staat gehörende Schweizer Postfinance bekannt, das Konto von Wikileaks bei der Postbank aufzulösen. Die offizielle Begründung ist nicht einmal fadenscheinig, sie ist eine zynische Geringschätzung der Öffentlichkeit: Herr Assange habe keinen Wohnsitz in der Schweiz nachweisen können. - Als habe jemals irgendein ausländischer Diktator oder sonstiger krimineller Geldwäscher erst einen Wohnsitz in der Schweiz nachweisen müssen, bevor er sein schmutziges Geld auf einem Schweizer Nummernkonto deponieren durfte.
Jetzt aber steht politischer Wille hinter der Kontenauflösung: “Der Ständerat habe, so heisst es weiter, am 30. November 2010 eine Bestimmung in das Postgesetz aufgenommen, welche Postfinance Möglichkeiten verschaffe, Geschäftsbeziehungen aufzuheben, die dem «öffentlichen und dem sittlichen Empfinden» zuwiderliefen”, meldete die NZZ gestern. “Der Nationalrat habe die neue Gesetzgebung aber noch nicht verabschiedet, wird präzisiert. Das neue Gesetz ist jedenfalls noch längst nicht rechtskräftig. Der Verweis auf das «öffentliche und sittliche Empfinden» ist somit überflüssig; er greift bei der gültigen Rechtslage nicht.”
Aber auch wenn es noch gar keine rechtlich gültige Handhabe für dieses Manöver gibt, nimmt Postfinance schon einmal Interpretationsspielräume in den bestehenden Gesetzen für sich in Anspruch, und, ach, “Rechtslagen” kann die Legislative doch ganz schnell ändern, wenn der Gestank in ihrem Bau irgendwo nach draußen zu lecken beginnt.
Am 30. November hat der Schweizer Ständerat das Postgesetz geändert – gerade mal 2 Tage, nachdem Wikileaks begonnen hatte, die ersten Depeschen der US-Diplomaten öffentlich zugänglich zu machen. Da wurde nicht viel Zeit verloren. Ich bin schon gespannt auf den Tag, an dem man die US-Depeschen zu “Wikigate” zu lesen bekommt. Öffentlich hat US-Justizminister Holden jedenfalls schon einmal getönt, er habe “vergangene Woche eine Reihe von Dingen veranlasst, damit wir diese Leute verantwortlich machen können”, zitiert Spiegel Online in der gerade eintreffenden Meldung von der Festnahme Assanges in London.
Auch das Kreditkartenunternehmen MasterCard hat sich inzwischen den Vorstößen der US-Regierung gebeugt, Wikileaks finanziell den Hahn zuzudrehen. Natürlich trifft die Sperrung der Kontos Wikileaks. Nach Angaben des Guardian sollen sich auf dem Schweizer Konto bei Postfinance 37.000 $ Spendengelder befinden. PayPal hat ein Guthaben von mehr als 60.000 $ an Spendengeldern bei sich eingefroren. Wikileaks kann also Spenden in Höhe von annähernd 100.000 $ nicht abrufen. So strafen (westliche, demokratische) Staaten, wenn jemand das Recht auf Informationsfreiheit da in Anspruch nimmt, wo es ihnen nicht genehm ist, und treten Grundrechte, deren universelle Gültigkeit, sie anderen so gern ins Gesicht schreien, selbst mit Füßen.

Was Julian Assange im Fall seiner Auslieferung an die USA zu erwarten hätte - Schweden hat in solchen Fällen eine umfangreiche Tradition; ich erinnere nur an die etwa 150 baltischen Flüchtlinge, die Schweden 1946 an Stalin ausgeliefert hat - zeichnet sich "drüben" schon ab:
- Peter King, Abgeordneter der Republikaner und designierter Vorsitzender des Ausschusses für Heimatschutz im US-Repräsentantenhaus, forderte in einem offenen Brief an Außenministerin Clinton, Wikileaks zur terroristischen Vereinigung zu erklären.
- Ins gleiche Horn stößt die notorisch bekannte Zeremonienmeisterin der Tea Party, Sarah Palin, und schreibt auf ihrer Facebookseite: "Er [Assange]ist ein antiamerikanischer Agent, an dessen Händen Blut klebt... Warum wird er nicht mit der gleichen Intensität verfolgt, wie wir El Kaida und Taliban-Führer verfolgen?"
- Ihr innerparteilicher Konkurrent, Mike Huckabee, sagte in einem Fernsehinterview: “Wer auch immer in unserer Regierung diese Informationen preisgegeben hat, ist des Landesverrats schuldig, und ich bin der Ansicht, alles andere als die Todesstrafe wäre eine zu milde Strafe.

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