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Montag, 18. Mai 2009
Kaltes Grausen in Kärnten
Das Erste ist das deutlich südlichere Licht. Es pfeilt umher wie die bereits eingetroffenen Schwalben. Die wojwodinische Herzogin, auch soeben eingeflogen, doch aus Nordwesten, lädt sich in der Sonne auf wie eine Eidechse. Ärmelloses, weißes Top, Audrey-Hepburn-Sonnenbrille, und schon ist die vollendete Südländerin aus ihrer Puppe in ihre natürliche Umgebung geschlüpft.
Nach einem “Verlängerten” (vulgo Kaffee) im Innenhof des Hotels “Zum Goldenen Brunnen” geht es hinaus in die Stadt, und da schwant uns bald, welches Klima hier wirklich herrscht. Es macht uns trotz der sommerlichen Temperatur frösteln. Ein Vereinsschild im Durchgang zum Hof warnt uns schon vor:
Aber daß eine sogenannte Volkspartei mit solchen Parolen im Jahr 2009 Wahlkampf machen kann, überstieg unser Vorstellungsvermögen.
Ich frage unsere nette Begleiterin aus dem Musil-Haus, ob die Nachricht vom Tod Haiders vielleicht bloß ein im Ausland lanciertes Gerücht gewesen sei und der Kerl hier weiter sein Unwesen treibe, doch sie meint: “Der ist schon tot, aber das hat sich hier noch nicht rumgesprochen.”
Die Mitarbeiter des Hauses bekunden im Lauf des Tages einer nach dem anderen eine Art Festungsmentalität: “Das politische Klima hier in Kärnten ist katastrophal, aber wir können denen doch nicht gänzlich das Feld überlassen. Also halten wir die Stellung und versuchen, Zeichen dagegen zu setzen.” So veranstalteten sie zum 8. Mai einen Abend mit Erinnerungen slowenischer Kärntner Widerstandskämpfer gegen das Naziregime. (Wie heißt es in Uwe Johnsons Klagenfurt-Buch über Österreichs Beitritt zum Dritten Reich:
Stimmberechtigt waren 4.484.000 Österreicher
Für Hitler stimmten 4.453.000 Nazis.)
Obwohl die Slowenen überwiegend ebenfalls Katholiken sind, drängt sich der Eindruck auf, viele deutschsprachige Kärntner wähnen sich noch immer (oder wieder) unmittelbar an der “Türkengrenze” und in einem Abwehrkampf zur Rettung des christlichen Abendlands begriffen. Grenzermentalität, Schwarzweißdenken, Stammtischphilosophie. Was zeigt schließlich das größte Denkmal der Stadt? Einen Herkules, der allem Fremden in Gestalt eines Lindwurms immerzu kräftig mit der Keule auf den Kopf kloppt. Dialog auf Kärntnerisch? Die Gegenreformation scheint hier noch immer gesiegt zu haben.
Zwar hatte Erzherzog Karl II. im Brucker Libell von 1578 den Lutheranern auf Druck des Adels praktisch Religionsfreiheit zusichern müssen, worauf binnen zwanzig Jahren fast ganz Kärnten zu den Protestanten übergetreten war, die auch sogleich mit dem Bau des Dom St. Peter-und-Paul in Klagenfurt begannen. Nur ein Jahr später aber beschlossen Karl, sein Bruder Ferdinand von Tirol und der Bayernherzog Wilhelm auf einer gemeinsamen Konferenz in München bereits, die Rekatholisierung ihrer Länder mit aller Macht zu betreiben. Karls von den Jesuiten erzogener Sohn Ferdinand II. (ab 1619 deutscher Kaiser) legte sogar ein Gelübde darauf ab, den Protestantismus mit allen Mitteln zu bekämpfen, und setzte es mit großer Härte in die Tat um: "Besser eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer”, lautete sein landesväterlicher Wahlspruch, den er auch gegen die reformierten böhmischen Stände anwandte und gegen sie den Krieg begann, der zum Dreißigjährigen wurde. In Kärnten erzwang seine “Reformationskommission” die Re-Konversion zum Katholizismus. Wer sich nicht umtaufen lassen wollte, wurde später “in die von den Türkenkriegen verwüsteten Gebiete Siebenbürgens und des Banats abgesiedelt.” (Wikipedia) - Abgesiedelt! Abgeschoben, abgewickelt... wir kennen diese inhumanen Bürokrateneuphemismen mit “ab-“ zur Genüge.
In Klagenfurt war seit damals der neugegründete Orden der Ursulinen für die Grundschulbildung der Kinder zuständig. Sie unterwiesen die “Dienstmagden undt einfältige Weiber”, “wass einen Christen zu wissen obliget”.
Wenn man sich in der Stadt so umsieht und -hört, glaubt man bald, es habe sich dort seit den Tagen der Ursulinenschülerin Ingeborg Bachmann nicht viel geändert:
“Man müßte überhaupt ein Fremder sein, um einen Ort wie Klagenfurt länger als eine Stunde erträglich zu finden” (Brief vom 25.7.1970)
Nach einem “Verlängerten” (vulgo Kaffee) im Innenhof des Hotels “Zum Goldenen Brunnen” geht es hinaus in die Stadt, und da schwant uns bald, welches Klima hier wirklich herrscht. Es macht uns trotz der sommerlichen Temperatur frösteln. Ein Vereinsschild im Durchgang zum Hof warnt uns schon vor:
Aber daß eine sogenannte Volkspartei mit solchen Parolen im Jahr 2009 Wahlkampf machen kann, überstieg unser Vorstellungsvermögen.
Ich frage unsere nette Begleiterin aus dem Musil-Haus, ob die Nachricht vom Tod Haiders vielleicht bloß ein im Ausland lanciertes Gerücht gewesen sei und der Kerl hier weiter sein Unwesen treibe, doch sie meint: “Der ist schon tot, aber das hat sich hier noch nicht rumgesprochen.”
Die Mitarbeiter des Hauses bekunden im Lauf des Tages einer nach dem anderen eine Art Festungsmentalität: “Das politische Klima hier in Kärnten ist katastrophal, aber wir können denen doch nicht gänzlich das Feld überlassen. Also halten wir die Stellung und versuchen, Zeichen dagegen zu setzen.” So veranstalteten sie zum 8. Mai einen Abend mit Erinnerungen slowenischer Kärntner Widerstandskämpfer gegen das Naziregime. (Wie heißt es in Uwe Johnsons Klagenfurt-Buch über Österreichs Beitritt zum Dritten Reich:
Stimmberechtigt waren 4.484.000 Österreicher
Für Hitler stimmten 4.453.000 Nazis.)
Obwohl die Slowenen überwiegend ebenfalls Katholiken sind, drängt sich der Eindruck auf, viele deutschsprachige Kärntner wähnen sich noch immer (oder wieder) unmittelbar an der “Türkengrenze” und in einem Abwehrkampf zur Rettung des christlichen Abendlands begriffen. Grenzermentalität, Schwarzweißdenken, Stammtischphilosophie. Was zeigt schließlich das größte Denkmal der Stadt? Einen Herkules, der allem Fremden in Gestalt eines Lindwurms immerzu kräftig mit der Keule auf den Kopf kloppt. Dialog auf Kärntnerisch? Die Gegenreformation scheint hier noch immer gesiegt zu haben.
Zwar hatte Erzherzog Karl II. im Brucker Libell von 1578 den Lutheranern auf Druck des Adels praktisch Religionsfreiheit zusichern müssen, worauf binnen zwanzig Jahren fast ganz Kärnten zu den Protestanten übergetreten war, die auch sogleich mit dem Bau des Dom St. Peter-und-Paul in Klagenfurt begannen. Nur ein Jahr später aber beschlossen Karl, sein Bruder Ferdinand von Tirol und der Bayernherzog Wilhelm auf einer gemeinsamen Konferenz in München bereits, die Rekatholisierung ihrer Länder mit aller Macht zu betreiben. Karls von den Jesuiten erzogener Sohn Ferdinand II. (ab 1619 deutscher Kaiser) legte sogar ein Gelübde darauf ab, den Protestantismus mit allen Mitteln zu bekämpfen, und setzte es mit großer Härte in die Tat um: "Besser eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer”, lautete sein landesväterlicher Wahlspruch, den er auch gegen die reformierten böhmischen Stände anwandte und gegen sie den Krieg begann, der zum Dreißigjährigen wurde. In Kärnten erzwang seine “Reformationskommission” die Re-Konversion zum Katholizismus. Wer sich nicht umtaufen lassen wollte, wurde später “in die von den Türkenkriegen verwüsteten Gebiete Siebenbürgens und des Banats abgesiedelt.” (Wikipedia) - Abgesiedelt! Abgeschoben, abgewickelt... wir kennen diese inhumanen Bürokrateneuphemismen mit “ab-“ zur Genüge.
In Klagenfurt war seit damals der neugegründete Orden der Ursulinen für die Grundschulbildung der Kinder zuständig. Sie unterwiesen die “Dienstmagden undt einfältige Weiber”, “wass einen Christen zu wissen obliget”.
Wenn man sich in der Stadt so umsieht und -hört, glaubt man bald, es habe sich dort seit den Tagen der Ursulinenschülerin Ingeborg Bachmann nicht viel geändert:
“Man müßte überhaupt ein Fremder sein, um einen Ort wie Klagenfurt länger als eine Stunde erträglich zu finden” (Brief vom 25.7.1970)
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