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Montag, 28. April 2008
Die eigentlich kontemplative Landschaft


Kann man sich dem ästhetischen Reiz eines solchen Spiels von Linien und Farben entziehen? Der Reduktion auf so Weniges, dass es in sich vollkommen wirkt? Was fehlt hier? Alles. Oder Nichts. Je nach Einstellung des Betrachters.
Menschen, die eine Zeitlang in der Wüste lebten und sich gedanklich mit ihr auseinandersetzten, beobachten oft eine Veränderung, die sie der Wüste selbst zuschreiben. Exemplarisch vollzieht Erhart Kästner in seinem Zeltbuch von Tumilat, geschrieben nach der englischen Kriegsgefangenschaft in der ägyptischen Wüste, diese Entwicklung: “Eigentlich hatte ich mir die Wüste gedacht als unabsehbare Menge gesiebten sauberen Sands. Die Wirklichkeit war verzweifelt weniger schön. Es war eben wüst, weiter nichts. So weit man sah, war verkommenes Land... Steine und Lehm und Sand waren von Millionen glühenden Sonnen verbacken zu diesem graugelben Einerlei”, schildert er seine Enttäuschung, als er das Kriegsgefangenenlager in der ägyptischen Sahara zum ersten Mal verlassen durfte.
Später dann lernte er die Wüste mit ganz anderen Augen zu sehen, denn es ist nicht die Wüste, sondern das sie betrachtende Auge bzw. das das Gesehene interpretierende Bewusstsein, was sich ändert. “Wüste. Land, das nichts mehr empfing und nichts schenkte... ausgeschieden aus dem Kreis des Lebens... So war nicht der Tod, der kommt und schrecklich ist oder sanft. So war nur Gestorbensein, das weit weg vom Menschlichen ist... jenseits von allem”, summiert Kästner an anderer Stelle noch einmal seine ersten Eindrücke, ehe er dann fortfährt: “Man irrt, wenn man glaubt, man wisse nach solch einem Anblick, was Wüste eigentlich sei. - Mit der Zeit, freilich nach vielen Monaten erst, vollzog sich ein Wandel... Das Dasein in der Wüste war nichts. Aber in dieses Nichts stürzten Bilder hinein.”
Das Fazit am Ende: “Wenn ich mein Leben noch einmal lebte und wegließe, was stumpf war und schal und verfehlt: ich ließe diese Zeiten nicht weg... Kaum daß ich mich erinnern kann, irgendwann gestillter gelebt zu haben als in jenen Tagen... Ich sah, daß die Wüste die eigentlich kontemplative Landschaft ist. - Wir gingen mit Heiterkeit durchs Leben... Nie verließ mich das Gefühl einer heiteren Sensation. Alles war unverbindlich wie das Wohnen im Zelt. Hier war das Zelt wahr und lebendig über Jahrtausende hin.”



Kästners Zeitgenosse auf der anderen Seite der Front, Antoine de Saint-Exupéry, erlebte und empfand es offenbar ähnlich: “Drei Jahre Dienst in der Wüste haben sie mir ausgiebig zu kosten gegeben. Sie ist gar nicht schrecklich”, erklärt er im Wüstenkapitel von Sand Wind und Sterne. “Zuerst ist sie nur Leere und Schweigen, denn sie gibt sich nicht zu Liebschaften von einem Tage her.” “Das aber ist sie: die Sandmassen schienen uns erst so öde! Eines Tages aber fürchten wir einen Kriegszug der Aufständischen, und plötzlich entdecken wir, daß der Sand ein weiter, faltiger, verhüllender Mantel ist.” (Genau so empfand gegen Ende seiner Durchquerungen des Leeren Viertels auch Wilfred Thesiger.)
“Nun ist die Sahara in uns, und da erst zeigt sie sich”, sagt Saint-Ex stellvertretend für all diese Wüstenreisenden: “Ihr nahekommen, das bedeutet nicht, eine Oase besuchen. Vielmehr bedeutet es, an einen Brunnen tief und brünstig zu glauben.”
Er muss es wissen, denn 1935 war er mit seinem Flugzeug in der libyschen Wüste bruchgelandet und danach vor Durst fast umgekommen, bis ihn und seinen Copiloten, nach tagelangem Marsch ohne Wasser und Essen schon halluzinierend, ein Bedu fand. - Bereut hat auch er seinen Entschluss zu (abenteuerlichem) Leben dennoch nicht. “Wenn ich diesmal davonkäme”, schrieb er, “ich finge mein Fliegerleben nochmals an. Ich muß leben, und in den Städten gibt es kein menschenwürdiges Dasein. Mir geht es nicht um die Sache der Fliegerei. Für mich ist das Flugzeug kein Zweck, es ist ein Mittel. Mit dem Flugzeug verläßt man die Städte und ihre seelenlose Rechnerei. Man lebt mit Winden, Sternen, Nacht und Sand.”

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