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Montag, 14. April 2008
Traum eines Reiseleiters (II)
Es war Mittag. Die Sonne stand so hoch über den in der Hitze pochenden Köpfen der Absitzenden, daß ihre Schatten nicht einmal die eigenen Fußspitzen bedeckten. Die Luft über dem Wüstenboden warf Schlieren wie über einer heißen Herdplatte. Trockener Glutwind blies unaufhörlich Sandkörner in schweißverkrustete Gesichter, in die Augen, zwischen die Zähne. Lippen sprangen rissig auf. In den Mundwinkeln von Metzgers Frau blühten Herpesbläschen.
Hähnlein-Schäfer ließ von den Fahrern, denen die Backen von golfballgroßen Kathkugeln schwollen, den Landrover vor den Laster spannen; doch beim Versuch, das Abschleppen mit eigener Kraft zu unterstützen, gruben sich dessen Antriebsräder noch tiefer in den feinen Sand.
"Ausgraben!" kommandierte der Reiseleiter kratzig. "Und die Sandbleche unterschieben."
Die Fahrer staunten ihn kathselig mit glasigen Augen an und rührten keinen Finger.
"Da kommt Hilfe", rief eine Dame vom Rücksitz des Landrovers und wies durch das geöffnete Seitenfenster nach Norden. Auf dem Grat der hitzeflirrenden Düne waren die silbrigen Schemen dreier Wagen aufgetaucht, die nun mit wehenden Staubfahnen den Hang herabgeprescht kamen.
"Und ich hatte schon Angst, wir müßten in dieser Hitze Stunden ohne Wasser ausharren", seufzte eine ältere Frau unter einem getigerten Kopftuch erleichtert. Statt der empfohlenen Plastikflaschen hatte sie lieber ihr Kosmetikköfferchen unter der Sitzbank verstaut.
"Ach was", schnaubte ein rüstiger Frühsiebziger mit silbergrauem Bürstenhaarschnitt verärgert. "Ein wenig echtes Wüstenerleben hätten sie uns ruhig noch gönnen können. Darum haben wir alten
Kameraden schließlich gerade diese Reise gebucht, nicht wahr Hans?!"
Der Angesprochene nickte: "Ja, so eine Kameradschaft wie damals in der Wüste, Kriegsgefangenschaft beim Tommi, Lager Tumilat, Ägypten, also so was finden Sie heute nicht mehr."
"Die Wüste wächst: weh dem, der Wüsten birgt!" warf ein pensionierter Studienrat, Philosophie und Erdkunde, vom LKW herab warnend ein und klappte seine Reiselektüre zu.
"Mit Zitaten um sich werfen kann jeder", schnappte der drahtige Silbergraue mit der Bürste.
"Bitte sehr."
"Jedermann braucht etwas Wüste."
"Wer soll das gesagt haben?"
"Der große Sven Hedin."
"Der selbsternannte Möchtegernentdecker und Nazisympathisant?"
"Lassen Sie doch bitte Ihre Streitgespräche", bat eine alleinstehende Dame in khakifarbenem Tropenanzug und Goldsandaletten, die das Näherkommen der Autos verfolgt hatte. "Wir wollen unsere Retter doch freundlich empfangen."
Als sich der Staubwirbel der erst unmittelbar vor ihnen bremsenden Landcruiser legte, sahen sich die Mitglieder der Reisegruppe von einer Horde Bewaffneter in Wickelröcken und langen Westen umringt. Außer dem traditionellen Krummdolch im Gürtel trug jeder eine Kalaschnikoff.

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