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Dienstag, 27. August 2013
"Bomben auf Damaskus"

Man kann nicht einmal in Ruhe seinen Reisebericht fertig schreiben, denn jetzt muß es ganz schnell gehen: Nachdem der unberechenbare Diktator Saddam Hussein, ach nein, Syriens Assad diesmal, wider Erwarten UNO-Inspektoren ins Land und sogar an den Tatort sehr wahrscheinlicher Giftgaseinsätze gelassen hat, müssen die Hegemonialmächte schnell vollendete Tatsachen schaffen, bevor am Ende noch herauskommt, daß womöglich doch nicht Assads Armee das Gas eingesetzt hat. Wie in Libyen erprobt, preschen Englands und Frankreichs Außenminister schon seit Tagen mit Vorverurteilungen vor, ihr amerikanischer Kollege hat gestern nachgelegt:
“the administration has attempted to defuse calls for a military response by emphasizing the need for scientific verification that chemical weapons had in fact been used. That caution was nowhere to be found in Kerry's remarks on Monday”, meldet Foreign Policy. “White House Press Secretary Jay Carney underscored the White House view that chemical weapons were used and that Assad was responsible. "There is very little doubt in our minds that the Syrian regime is culpable," he said.”
“Wenn die Bomben auf Damaskus zu fallen beginnen”
, faßt das Magazin zusammen, “Monday afternoon will be cited as the moment when the Obama administration laid out the moral case for military action in Syria.”

Umschlag von Strindbergs Drama "Nach Damaskus"

In derselben Ausgabe bringt FP einen weiteren Bericht zum Thema Giftgaseinsätze. Er beginnt mit einem ausdrücklichen Bezug auf die aktuelle Krise in Syrien:
“The U.S. government may be considering military action in response to chemical strikes near Damascus. But a generation ago, America's military and intelligence communities knew about and did nothing to stop a series of nerve gas attacks far more devastating than anything Syria has seen.
Jetzt freigegebene CIA-Unterlagen belegen laut FP, daß die US-Regierung in den 1980er Jahren über Giftgasangriffe der irakischen Armee Saddam Husseins (!) im Krieg gegen den Iran nicht nur stets bestens im Bilde war, sondern sie durch Überlassung von Luftaufnahmen und Aufmarschplänen sogar kriegsentscheidend unterstützt hat. “They show that senior U.S. officials were being regularly informed about the scale of the nerve gas attacks.”

“ In late 1987, the DIA [Defense Intelligence Agency] analysts in Francona's shop in Washington wrote a Top Secret Codeword report partially entitled "At The Gates of Basrah," warning that the Iranian 1988 spring offensive was going to be bigger than all previous spring offensives, and this offensive stood a very good chance of breaking through the Iraqi lines and capturing Basrah. The report warned that if Basrah fell, the Iraqi military would collapse and Iran would win the war.
President Reagan read the report and, according to Francona, wrote a note in the margin addressed to Secretary of Defense Frank C. Carlucci: "An Iranian victory is unacceptable."
Subsequently, a decision was made at the top level of the U.S. government (almost certainly requiring the approval of the National Security Council and the CIA). The DIA was authorized to give the Iraqi intelligence services as much detailed information as was available about the deployments and movements of all Iranian combat units. That included satellite imagery and perhaps some sanitized electronic intelligence. There was a particular focus on the area east of the city of Basrah where the DIA was convinced the next big Iranian offensive would come. The agency also provided data on the locations of key Iranian logistics facilities, and the strength and capabilities of the Iranian air force and air defense system. Francona described much of the information as "targeting packages" suitable for use by the Iraqi air force to destroy these targets.
The sarin attacks then followed.”

Wir dürfen gespannt darauf warten, wer sich letztlich als Urheber der Giftgaseinsätze bei Damaskus herausstellt, wenn in dreißig Jahren die CIA-Akten des Sommers 2013 freigegeben werden. “Verschwörungstheoretiker” und -praktiker haben jetzt noch freies Spiel.
Nein, noch eins: Wir müssen unserer Regierung klar machen, dass sie sich nicht schon wieder aus "Nibelungentreue" an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligen darf.

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Freitag, 23. August 2013
Anmerkung zum Wahlkampf, von Robert Musil
Ehemaliges Botschaftsgebäude in Cetinje, Montenegro

"Das jetzt geltende System sei das der Wirklichkeit und gleiche einem schlechten Theaterstück. Man sage nicht umsonst Welttheater, denn es erstehen immer die gleichen Rollen, Verwicklungen und Fabeln im Leben.
Vollends die erfolgreichen politischen Gestalter der Wirklichkeit haben viel mit den Schreibern von Kassenstücken gemein; die lebhaften Vorgänge, die sie erzeugen, langweilen durch ihren Mangel an Geist und Neuheit, bringen uns aber dadurch in jenen widerstandslosen schläfrigen Zustand, worin wir uns jede Veränderung gefallen lassen."

(Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, Erstes Buch, zweiter Teil)

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Dienstag, 30. Juli 2013
Schmetterlinge, eye-tracking und pre-crime surveillance
c)Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie, KB

Da sitze ich Einfaltspinsel tatsächlich und schreibe über Schmetterlinge.
Während gleichzeitig neben vielen anderen Vorgängen, gegen die man sich zur Wehr setzen müßte, durch den militärisch-informationstechnologischen Komplex der USA gerade die digitale Totalerfassung und Durchleuchtung jedes einzelnen von uns vollendet wird.
Gegen etwaige kritische Einwände zu dieser umfassenden Ausspähung aller Bürger durch in- und ausländische Geheimdienste – schließlich gilt laut Verfassung die Bindung der Exekutive an Recht und Grundgesetz als besonders zu schützendes Verfassungsprinzip – wichst der zockende Innenminister den falschen Trumpf eines von ihm allein konstruierten “Supergrundrechts” auf Sicherheit in die Stammtischgespräche, und die biderben Skatfreunde im Land wackeldackeln zustimmend: “Ja, wenn ma nix zum Verbergen hat, gell...”

Nein, ich mache jetzt kein Lamento drum, aber einen Hörtip (gefunden bei gnogongo) möchte ich gern weitergeben. Darin werden Ausblicke gegeben auf weitere Entwicklungen, die uns hinsichtlich Ausspähung, Kontrolle und erzwungener Anpassung via Internet in näherer Zukunft ins Haus stehen werden. “Naturwissenschaft- und Technikexperte” Ranga Yogeshwar stand zwar nach seinen bisherigen Auftritten im Fernsehen auf meiner persönlichen Sympathieskala nicht sehr weit oben, aber hören Sie sich mal das Gespräch an, das er Ende Juni im Rahmen der “Philcologne” mit Frank Schirrmacher geführt hat. Nachzuhören hier.
Danach erschien es mir, taktisch gesehen, gar nicht mal als das Dümmste, über Schmetterlinge zu schreiben.

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Donnerstag, 2. Mai 2013
Verdächtiger Hoeneß in Barcelona gesehen

O ja, für ein deutsches Fußballherz waren die beiden letzten Abende sehr vergnüglich und erhebend, daran kann es ja gar keinen Zweifel geben, auch wenn man nicht gleich in den Jubelchor einstimmt, der jetzt von Ex-Barcelona-Spieler Gary Linekers Smartphone (“We're witnessing the beginning of the end of an era for Barca, and the end of the beginning of an era for Bayern”) über die katalanische La Vanguardia bis zur Titelseite der französischen Sportzeitung L’équipe: “Sprechen Sie Deutsch?” den Anbruch einer neuen Ära im europäischen Fußball verkündet. Ausgerechnet das englische Hetzblatt The Sun entdeckt Bayern und Westfalen auf einmal als "angelsächsische Cousins".
Von der Kritikfähigkeit der spanischen Presse könnten sich unsere “BLÖD-Zeitung” & Co. für die Zukunft dagegen mehrere Scheiben abschneiden. Da wird schonungslos mit der eigenen Mannschaft ins Gericht gegangen: “El Barça, humillado y fuera de Europa” (sport.es), und die eindeutige Überlegenheit des Gegners klar anerkannt: “Intensos, rápidos, precisos, profundos. Los alemanes no perdían el tiempo, no protestaban al árbitro, no hacían ni una sola concesión a su rival.” (La Vanguardia) “Seguramente el Bayern es el mejor equipo de la competición. Pero eso no justifica su aplastante superioridad ante los azulgranas” (sport.es)

So gut und so viel zum Sportlichen. Aber dann haute Bayern-Trainer Heynckes nach dem ganzen verdienten und berechtigten Lob seiner Mannschaft in der Pressekonferenz gestern Abend einen fatalen Spruch raus:

“Wir haben besonders auch für Uli Hoeneß gespielt.”

Wie bitte? Wie weit darf die unverfrorene, schulterklopfende Verharmlosung von Wirtschaftskriminalität durch millionenschwere Kumpane Kumpel eigentlich noch gehen?

Überhaupt habe ich mich mit vielen anderen gefragt, wie es sein kann, daß ein Herr Hoeneß gestern in Barcelona auf der Tribüne saß.
Der Mann sitzt doch nur gegen Hinterlegung einer gewaltigen Kaution nicht in Untersuchungshaft im Knast. Wieso durfte er da seinen Wohnsitz und gar das Land verlassen?
Womöglich ist die Bundespolizei am Münchener Flughafen eher zum Salut angetreten und hat dem Verbrecher noch die Tür zur Ausreise aufgehalten. So viel mal wieder zum Thema “Gleiches Recht für alle.”

Da der frühere Großkotz und Würstchenmacher Hoeneß selbst nicht den Anstand und die Haltung hat, augenblicklich von seinen Posten zurückzutreten, sondern auf einmal in der Öffentlichkeit weinerlich den unschuldigen Spielsüchtigen mimt wie ein beim Klauen ertapptes, heulendes Kind, müßte ihn doch wenigstens die Vorstandsclique des FC Bayern umgehend suspendieren. Aber nein, Rumenigge posiert ostentativ auf der Tribüne mit ihm, und Beckenbauer legt Heynckes in der Bild-Zeitung den Rücktritt nah, nicht aber seinem Spezi Hoeneß.
Ich glaube nicht, daß sich Klopp & Co. in einem analogen Fall beim BVB grundsätzlich anders verhalten würden, aber wie die Dinge gerade liegen, werde ich ihnen am Samstag und vor allem am 25. Mai die Daumen drücken.

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Sonntag, 28. April 2013
kurznasige Isländer, "alternativloses" €uropa

"Mann, ist das 2007!” – Der Ausruf ist in Island nach dem Kollaps von 2008 zur festen Redewendung geworden für alles, was noch den neureichen Schick aus dem Vorkrisenjahr erkennen läßt. Und jetzt will eine deutliche Mehrheit des isländischen Wahlvolks offensichtlich am liebsten wieder Monopoly spielen: Gehe zurück auf Los! Nur fünf Jahre nach dem katastrophalen Platzen der Wirtschaftsblase schickt sie die neuen Politiker, die ihre Topfdeckelrevolution an die Macht gebracht hat, um den Saustall des verfilzten alten Establishments aus Bankstern, Wirtschaftsbossen und konservativen Politikern auszumisten, in die kalte Wüste zurück und wählt sich eine Regierung aus genau den beiden alten Parteien, die den neoliberalen Ruin angerichtet haben. Die in den letzten Jahren den Karren aus dem Dreck ziehende Koalition aus Sozialdemokraten und Linken-Grünen verliert 27 Prozent der Stimmen, die Zahl der Abgeordneten von Linken-Grünen wird sogar von 14 auf 7 halbiert.
Die Isländer sind für ihre kurzen Nasen bekannt, ihr Gedächtnis ist noch kürzer. Mann, ist das 2008.

Ein Grund für die Wiederwahl des rechten bürgerlichen Lagers ist die Europaskepsis der meisten Isländer. Als die Wirtschaft der Insel zusammenbrach, sah die Mehrheit dort auf einmal die EU und den Euro als rettenden Hafen, und die an die Regierung gewählte sozialdemokratische Partei von Jóhanna Sigurðardóttir begann Sondierungen für Beitrittsverhandlungen. Inzwischen hat sich auch diese Meinung gründlich gedreht, 60 bis 70 Prozent der Isländer sprechen sich in Umfragen regelmäßig gegen einen Beitritt Islands zur EU aus, und wer will ihnen das verdenken?
Jüngstes Beispiel für das Demokratieverständnis der Eurokraten droht jetzt das europäische Bürgerbegehren gegen eine Privatisierung unseres Trinkwassers zu werden. Die hohe Latte von einer Million Unterschriften, die erforderlich ist, damit die EU-Kommission sich wenigstens einmal mit einem Thema befassen muß, wurde von der Initiative “Wasser ist ein Menschenrecht” (Right 2 Water) im ersten Anlauf spielend genommen. Bald werden mehr als anderthalb Millionen EU-Bürger ihr Ziel mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, und noch ist bis September Zeit, sich in die Listen einzutragen (man braucht nur den nebenstehenden Knopf anzuklicken), es könnten also gut auch zwei Millionen und damit das Doppelte des erforderlichen Quorums werden. Aber jetzt melden Medien, mit einer weiteren formalen Hürde könne die Kommission das Begehren trotzdem scheitern lassen, weil sie nämlich in den Statuten der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) auch festgeschrieben hat, daß die Unterstützerstimmen (jeweils zu einem bestimmten Prozentsatz) aus mindestens einem Viertel der Mitgliedsstaaten kommen müssen; bislang sind es statt der demnach erforderlichen sieben aber erst fünf Länder, in denen die erforderliche Unterschriftenzahl gesammelt wurden: Belgien, Deutschland, Österreich, die Slowakei und Slowenien. “Von den knapp 30 vorgeschlagenen Bürgerinitiativen haben sich nur 14 erfolgreich angemeldet”, haben die Deutschen Wirtschaftsnachrichten recherchiert. “In keinem einzigen Fall ist ein Bürgerbegehren bisher erfolgreich gewesen.”
Ergebnis solch “bürgernaher” Politik der EU-Kommission: eine von Eurobarometer, ihrem eigenen Meinungsforschungsinstitut, durchgeführte und am Mittwoch u.a. im Guardian (und der Süddeutschen) veröffentlichte Umfrage in den sechs größten EU-Ländern brachte als Ergebnis “a nightmare for Europe's leaders”. Überall tendiert eine deutliche Mehrheit dazu, der EU als Institution nicht (mehr) zu trauen. In Spanien äußerte 2007 nur einer von vier Befragten Mißtrauen gegenüber der EU, heute tun es drei von vier. In Deutschland mißtraut eine klare Mehrheit von 60% mittlerweile dem “europäischen Traum” der Großbanken und Großunternehmer und ihrer politischen Marionetten in Brüssel und Straßburg.

Gerade kam es zur Gründung der ersten expliziten Anti-Euro-Partei in Deutschland, die vor allem eins will: raus aus der Gemeinschaftswährung. Natürlich wurde sie, fest eingeübte Routine in solchen Fällen, erst einmal als unbedeutende Splittergruppe von weltfremden Spinnern beiseite geschoben, denn der Euro ist ja von unanfechtbarer Instanz, der Kanzlerin, für “alternativlos”, also sakrosankt erklärt worden: “Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.”
Letzten Montag veröffentlichte das Handelsblatt eine Umfrage nach den Wahlaussichten der neuen Partei, Alternative für Deutschland. Ergebnis: mehr als 19% der Befragten erklärten sich bereit, im Herbst die neue Partei zu wählen.
Nur einen Tag später erschien in der Welt ein Interview mit dem Vorsitzenden des Wissenschaftsbeirats beim Bundesfinanzministerium, Kai Konrad, einem direkten Berater Schäubles und der Kanzlerin also, und der schlug darin bis dato aus Regierungskreisen so ungehörte Töne an, daß man sich ungläubig die Ohren putzte.
“Die Länder sollten die Freiheit haben, sich so zu verschulden, wie sie es möchten – unter der Bedingung, dass sie für diese Schulden auch allein die Verantwortung tragen”, erklärte Konrad. Ungläubig hakte die Welt nach: “Sie plädieren damit für eine Rückkehr zum Nationalstaat.”
Darauf Konrad: “Sagen wir es so: Europa ist mir wichtig. Der Euro nicht. Und dem Euro gebe ich mittelfristig nur eine begrenzte Überlebenschance... fünf Jahre klingen realistisch.

Seitdem wird gerätselt, was dieses Interview bedeutet. Läßt Merkel hier diskret eine komplette Kehrtwendung ihrer Europapolitik ankündigen, die am Ende doch zum Scheitern ihres €uropas führt, oder ist es ein Wahlkampfmanöver, um der neuen Anti-Euro-Partei ihr Kernthema und potentielle Wähler wegzunehmen? So oder so, das Denkverbot zum Euro ist nicht mehr alternativlos.

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Samstag, 9. Februar 2013
Zahl des Tages

Lapidarer Nebensatz in einem Bericht der Tagesschau gestern abend:
4 von 5 Amerikanern seien für gezielte Tötungen durch US-Militär und CIA auf der ganzen Welt – so lange keine US-Bürger gekillt werden.
Es fällt immer schwerer, denen noch Glauben zu schenken, die wunschdenken, es gäbe auch ein anderes Amerika.
Leider trifft wohl doch eher das Bild der Amerikaner zu, das Cormac McCarthy in Blood Meridian zeichnet:

Amerikaner als Kopfgeldjäger unter einem selbsternannten Friedensrichter, “geweihte Vertreter des Bestehenden, die die Welt, wie sie sich ihnen darbot, unter sich aufteilten und das, was gewesen war und nie wieder so sein würde, am Boden zerstört hinter sich ließen.”

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Mittwoch, 6. Februar 2013
Christliche und andere Imagekrisen

Schlechte Schlagzeilen sind besser als keine, lautet bekanntlich eine Devise abgetakelter Promis, welker Exschönheiten oder von Zombie-Institutionen, die auf Dumme Publikumszuspruch angewiesen sind wie zum Beispiel die FDP oder die Regierungskoalition oder die Kirche in Deutschland. Mit dem jüngsten Beschluß zur Unterbindung der Aufklärung der ewigen Ferkeleien ihrer Vertreter oder der gleich zweimaligen Verweigerung der ärztlichen Behandlung einer vergewaltigten Frau in zwei katholischen Kölner Kliniken hat sie sich gerade einmal mehr schlechte Publicity verschafft, aber immerhin Publicity, und vor allem darum muß es ihr bei mehr als 100.000 Kirchenaustritten p.a. doch gehen. Das Erste deutsche Fernsehen widmete ihr einen ganzen Themensonntagabend mit dem geradezu inquisitorisch gestimmten Jauch und kam zu dem beinah umstürzlerischen Fazit: Die Kirche sollte mit der Zeit gehen und sich modernisieren.
In den Niederlanden tut sie das längst, wie nebenstehender Aushang an einer Kirche im seeländischen Middelburg beweist.

Wo wir schon bei Christlichem sind: Einer christdemokratischen Politikerin wird man wohl ein Bibelwort vorhalten dürfen, auch wenn es oft leicht verändert zitiert wird.
Laut Matthäus-Evangelium (7,16) soll Jesus Christus in seiner Bergpredigt u.a. gewarnt haben: “Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.”
Den letzten Satz veränderte man später verständlicherweise, denn das Bild ist ja ziemlich schief bis komplett in die Hose gegangen (was für Früchte tragen Wölfe?), zu: “An ihren Worten sollt ihr sie erkennen” (so etwa Thomas Mann über Nietzsche) und erweiterte dann zu: “Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie erkennen.”
Im Fall Schavan läuft alles auf dasselbe hinaus.

“Ich habe ganz klar von wissenschaftlicher Integrität als einem hohen Gut gesprochen und davon, dass die Aberkennung des Titels richtig ist.”

Hat Frau Schavan vor knapp zwei Jahren in einem Interview der Süddeutschen gesagt. Damals ging es noch nicht um sie, sondern um ihren Kabinettskollegen (auf und da)von Guttenberg, über dessen schmählichen Abtritt, so munkelte man damals in den Medien, sie sich klammheimlich ziemlich die Hände gerieben habe. Im Interview hat sie noch nachgetreten: “Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich. – Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt.”
So ist es, Frau Schavan. Schämen Sie sich nicht mehr öffentlich für andere, sondern für sich selbst, und nehmen Sie ohne weiteres Federlesen ihren Ministerhut (einen Doktorhut haben Sie ja nicht mehr) und treten Sie zurück!

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Mittwoch, 23. Januar 2013
Unser Wasser, EU-Kommissare und geldscheißende Lobbyisten

Gestern abend in der “Anstalt” wäre dem aufrechten Franken Erwin Pelzig vor gerechter Entrüstung um ein Haar das notorische Hausmeisterhütchen vom Kopf geflogen. “Fünfzig Jahre nach dem Elysée-Vertrag ist Europa in Gefahr, in großer Gefahr”, warnte er, und, nein, er meinte nicht den Euro, sondern Europa, und diese Gefahr geht nicht etwa von islamistischen Terroristen oder dem korrupten griechischen Staat aus, sondern sie kommt von innen, aus dem Innersten sogar, aus der Schaltzentrale der EU: von EU-Binnenkommissar Barnier. Der nämlich plant, die Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung in Europa voranzutreiben.

“Noch ist ja Wasser ein öffentliches Gut, ein Allgemeingut, aber das soll sich ändern”, machte Pelzig publik. “Die Konzerne stehen schon Schlange. Es geht um ein Milliardengeschäft, um zweistellige Renditen. Aber der Herr Barnier sagt, wir müssen keine Angst haben, der Markt wird’s schon richten. Der Markt! He, Wasser ist Leben, Wasser ist ein Menschenrecht, Wasser ist öffentliches Eigentum, und Eigentum verpflichtet, steht im deutschen Grundgesetzt. Und der Gebrauch des Eigentums soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen, steht auch im Grundgesetz. Und wenn das Wasser kein öffentliches Eigentum mehr ist, sondern in der Hand von irgendwelchen Aktiengesellschaften, dann dürfte man ja sehr gespannt sein, wem sich ein börsennotiertes Unternehmen am Ende mehr verpflichtet fühlt, dem Wohl der Allgemeinheit oder dem Wohl seiner Aktionäre und der Märkte. Und überhaupt, achtzig Prozent der Europäer wollen keine private Wasserversorgung [...] Wenn Europa scheitert, scheitert’s vielleicht gar nicht am Euro und vielleicht auch nicht daran, daß die Europäer keinen Bock mehr haben auf Europa, sondern wenn Europa scheitert, scheitert’s vielleicht nur daran, daß die Europäer einfach keinen Bock mehr haben auf irgendwelche demokratisch nicht gewählten EU-Kommissare, die sich von irgendwelchen geldscheißenden Lobbyisten bei ihren Puffbesuchen in Brüssel einreden lassen, daß der Markt schon alles richten wird.”

So weit der gerechte Zorn des Kabarettisten. Und spätestens angesichts dieses neuen Anschlags der neoliberalen Marktfetischisten in der Brüsseler Kommission – über die Faktenlage berichtete das ARD-Magazin Monitor in seiner letzten Ausgabe des Jahres 2012, ansehen! – ist es längst überfällig, daß die Bürger Europas endlich rabiat werden gegen ihre Ausverkäufer in den abgeschotteten Brüsseler Nobelbüros!
Mindestens aber sollte jeder die Europäische Bürgerinitiative zur Verteidigung des Wassers als öffentlichem Gemeingut hier unterschreiben!
Noch besser wäre, ein paar mutige Bürger würden Herrn Barnier mal aus seinem Büro entführen und für drei Tage ohne Wasser irgendwo versteckt halten. Das würde ihn für das Menschenrecht auf unbehinderten Zugang zum Allgemeingut Wasser garantiert sensibilisieren.

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Freitag, 18. Januar 2013
Mali oder warum es auch einem Nicht-Interventionisten schwerfällt, in diesem Fall klar Stellung zu beziehen

Beginnen wir mit der beliebten Rubrik zu fast vergessenen ehemaligen Größen: “Was macht denn eigentlich...?” Zum Beispiel Romano Prodi. Man erinnert sich, der Wirtschaftsprofessor war zweimal italienischer Ministerpräsident und zwischendurch einmal Präsident der EU-Kommission. Seit Oktober letzten Jahres hat er einen neuen Job zur Aufbesserung der Rente als UNO-Sondergesandter für die Sahel-Zone. Ende November hielt sich Prodi in dieser Mission zu Gesprächen in Marokko auf und erklärte den besorgten Maghrebinern offiziell, eine militärische Intervention in Mali “kann nicht vor September 2013 stattfinden”. –
So kann man sich irren, oder auch als hochrangiger UNO-Diplomat von der Grande nation an der Nase herumgeführt werden.
Mit entsprechender Skepsis darf und sollte man daher auch die aktuellen offiziellen Verlautbarungen aus dem Elysée-Palast nicht für bare Münze nehmen.

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Mali (II)

Zu Beginn der französischen Intervention in Mali vor einer Woche erklärte Frankreichs Präsident Hollande, es gehe um die Existenz des "befreundeten Staates, um die Sicherheit seiner Bevölkerung und die unserer Landsleute, es sind 6000 dort". (Tagesschau, 11.1.13) Gestern legte er noch einmal nach: “Wir haben keinerlei wirtschaftliche oder politische Interessen. Uns geht es ausschließlich um den Frieden.” (Tagesthemen, 16.1.13)
Dazu ganz allgemein: wenn der Regierungschef einer führenden Macht auf der Welt solche Phrasen zur Rechtfertigung eines zur gleichen Zeit erfolgenden Eintritts dieser Macht in einen Krieg abläßt, sagt er zumindest nicht die ganze Wahrheit.

Andererseits, so weit sich das militärische Eingreifen in einem anderen Land völkerrechtlich legitimieren läßt, ist Frankreichs Einmarsch in Mali abgesichert. Es gab ein offizielles Hilfsersuchen der malischen Regierung, Frankreichs Intervention ist durch eine einstimmig angenommene Resolution des Weltsicherheitsrats sanktioniert, und vor allem scheint eine breite Mehrheit der Bevölkerung Malis das französische Eingreifen zu begrüßen. Dennoch geht es auch Frankreich in diesem Krieg selbstverständlich nicht ausschließlich um Frieden, Menschenrechte oder sonstige humanitären Vorwände. Die sind Frankreich dort, wo es keine sonstigen oder übergeordnete andere Interessen hat, genauso herzlich egal wie allen anderen Mächten. Oder ist Frankreich letztes Jahr aus Afghanistan abgezogen, weil dort jetzt auf einmal Frieden herrscht und die Menschenrechte geachtet werden? Voilà.

Selbst der Spiegel hat inzwischen herausgefunden: “Als ehemalige Kolonialmacht fürchtet Paris nicht nur eine Gefahr für die rund 7000 in Mali lebenden Franzosen. Auch in Frankreich selber lebt eine große malische Gemeinde. Fiele nun der Norden Malis komplett an die Islamisten und entwickelte sich das Gebiet zu einem neuen Trainingslager von al-Qaida, müsste Frankreich auch im eigenen Land Anschläge und neue Terrorzellen fürchten.” So begründet diese Sorge sein mag, Frankreichs Einfall in Mali erhält damit auch den Charakter eines Präventivkriegs, und ein solcher ist laut Völkerrecht höchstens dann zulässig, wenn ein Angriff auf das eigene Land unmittelbar bevorsteht.
“Daneben verfolgt Paris aber auch wirtschaftliche Interessen”, widerspricht der Spiegel in seinem Mali-Dossier ausdrücklich und begründet den Beteuerungen von Monsieur Hollande. “So liegen rund um Nordmali viele der von Frankreich ausgebeuteten Uranminen, die das Land dringend für seine Atomkraftwerke braucht. Der staatliche französische Atomkonzern Areva fördert Uran in Malis Nachbarland Niger, das inzwischen der größte Uranproduzent des Kontinents ist. Auch in Mali selbst wurde Uran gefunden. Die atomare Unabhängigkeit ist in Frankreich mehr oder minder eine Frage der Staatsräson und ganz oben auf der Agenda jeder Regierung. Entsprechend kam in den vergangenen Tagen bei Kritikern der französischen Intervention schnell der Verdacht auf, es gehe Paris nicht allein um die Bekämpfung von Terroristen. Das militärische Engagement Frankreichs diene "auch der Sicherung seiner eigenen Energieversorgung mit preiswertem Uran aus Malis Nachbarland Niger", erklärte etwa die Gesellschaft für bedrohte Völker.”

Um solchen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, führte auch das Wirtschaftsressort der FAZ einen Präventivschlag, indem es die Bedeutung der in Mali unzweifelhaft vorhandenen Bodenschätze, darunter viel Gold und Uran, für die Wirtschaft Frankreichs erst einmal kleinredete. Mit sehr fadenscheinigen Argumenten. So heißt es, das Uran für die französischen Atomkraftwerke komme gar nicht aus Mali, sondern aus dem Niger. Die beiden aber sind Nachbarländer mit einer über weite Strecken quer durch die Wüste verlaufenden und kaum zu kontrollierenden Grenze. (Wie wenig Grenzen in der Region bedeuten, zeigt die aktuelle Geiselnahme durch die malischen Islamisten in einer Gasförderanlage in Algerien.) Außerdem liegt das Tagebaufördergebiet von Arlitt im Nordwesten Nigers nicht sehr weit von der Grenze zu Mali entfernt. Von dort und einer weiteren Mine im Niger bezieht Frankreich allein ein Viertel, nach anderen Angaben sogar ein Drittel seines gesamten Kernbrennstoffs. Und vor nicht langer Zeit wurden auch in Mali selbst Uranvorkommen entdeckt. Hollandes Vorgänger Sarkozy unseligen Angedenkens hat in seinem “Weißbuch für Verteidigung und nationale Sicherheit” von 2008 die gesamte Sahelzone als zweite von vier für Frankreich wichtigen Weltregionen aufgeführt. Und jetzt will uns Hollande weißmachen, er habe den Krieg dort “ausschließlich” begonnen, um dem Land Frieden zu bringen. Das nennt sogar die Wirtschaftswoche “zynisch”. Und auf Telepolis schrieb Alfred Hackensberger schon im Herbst 2010 von den “wirtschaftlichen Interessen Frankreichs für die nicht nur Niger, sondern die gesamte Sahel-Zone mit ihren reichhaltigen Erdöl-, Mineralien- und Uranvorkommen zu "den vier wichtigsten Regionen" zählt.” Der gründlich recherchierte Artikel aus Anlaß einiger von Frankreich unterstützten Bombenangriffe der mauretanischen Luftwaffe gegen die Islamisten in Mali im September 2010 hält noch immer gute Hintergrundinformationen zum jetzt eskalierten Konflikt bereit.
Paul Melly vom britischen Institut für internationale Beziehungen, Chatham House, hat in seiner Analyse “Why Mali matters” die Gemengelage der involvierten Interessen so zusammengefaßt: “Westafrika ist Europas naher Nachbar. Sicherheit und Wohlstand der Region – oder ihr Fehlen – haben unmittelbare Auswirkungen auf Europa [...] Ist die Region instabil oder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, schwillt der Strom illegaler Einwanderer an. Werden durch die Sahara Drogen geschmuggelt, landen sie üblicherweise nördlich des Mittelmeers.” Und die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, so Melly weiter, hat der Region in den letzten 15 Jahren nicht nur ökonomischen Aufschwung, sondern, trotz einzelner Rückschläge, auch politische Reformen gebracht.

“If the jihadists breakthrough into southern Mali - demonstrating that in the space of 12 months an entire state could be effectively wrecked by small bands of largely foreign extremists - this would be a devastating reverse for West Africa as a whole. The political development, human rights gains, economic growth and investment confidence of recent years would have been placed in jeopardy.The consequences would be felt in every country from Senegal to Nigeria... That is what is at stake.”

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