„Ein altes Gartentor, mannshoch, verwittertes Holz. Der Weg davor ist unbefestigt, Wasser steht, versickert nicht. Der Weg führt in die Felder. Hinter dem Tor ein Gartenpfad, rechts ein kleines Haus, eher eine Hütte, mit grauen Brettern verschalt. Hier haben sie gewohnt, der Dichter Arno Schmidt und seine Frau Alice. Eine winzige Veranda, drei Korbsessel mit Armlehnen, grüne Häkelkissen. Davor, im Gras, die Näpfe für die Katzen. Eine Wasserpumpe. Das große Grundstück. Sträucher, Bäume, kurz gehaltenes Gras. Keine Blumenbeete.”
So begann am 29. April 2002 ein Feature über Arno Schmidt im NDR: "Lilli kauft Unterrock; ich Langenscheidt Italienisch-Deutsch"
Als starker Myop und fast mikroskopisch hinsehender Beobachter-Ablauscher und Schilderer seiner allernächsten Alltagsumgebung konnte Schmidt und konnten seine Texte ja schlechterdings nicht von dem kleinbürgerlichen Mief der bundesrepublikanischen Wirtschaftswunderspießigkeit unbedünstet bleiben. Sicher ist das Allermeiste davon in seinen Texten mit den spitzen Fingern ablehnender Distanznahme wiedergegeben. Oft genug hört man das ganz unverhohlene gepreßte Sprechen mit angewidert verzogenen Mundwinkeln deutlich heraus. Doch ebenso natürlich war auch Schmidt, obwohl er sich so gern als großer Unzeitgemäßer gerierte, letztlich ein Kind seiner Zeit, von ihren Vorstellungen mitgeprägt. Und wenn er eben einmal ins Schwärmen gerät: „Ein winziges Häuschen in der Heide (ach”, dann fällt einem dazu auch wieder der – nein, ich schreibe jetzt nicht „ikonische” – bezeichnende oder meinetwegen symptomatische Schlager „Ein Häuschen mit Garten” von dem nicht auszuhaltenden Willy Hagara aus dem Jahr 1955 ein, genau dem Jahr, in dem Schmidt am
Steinernen Herzen, seinem „historischen Roman aus dem Jahr 1954", schrieb.
„Ein Häuschen mit Garten,
nur klein, aber mein.
Was brauch ich denn mehr,
um zufrieden zu sein?
Eines Tages zieh ich ein,
in das Häuschen, schön und klein,
und mein Schatz wird sich dann freun,
immer bei mir zu sein...”
Deutsche Schlagerpoesie anno 1955. Das in Griffweite auf seinem Schreibtisch stehende Nordmende-Kofferradio legt nahe, daß Schmidt auch dieses Medium als Materialquelle nutzte. Noch am Anfang seines Spätwerks Abend mit Goldrand gellt es: „Du bist alles für mich, denn ich liebe nur Dich: Micaé-là-a-a”. – Zwanzig Jahre später war der deutsche Schlager keinen Deut besser geworden. Und die Schmidts lebten noch immer so geizig-bescheiden wie viele durch den Krieg und die Mangeljahre der Nachkriegszeit Geprägte ihrer Generation.
„Bei Schmidts gab‘s immer Nescafe oder Maxwell. Wenn ich kam, gab‘s Filterkaffee, das war für sie das höchste. Aber selbst hat sie sich den nie gekocht", erklärte Haushälterin Erika Knop dem NDR-Team. "Und dann kam der Bäcker und dann wurde Kuchen gekauft und dann gab‘s in der Woche noch ein Stück davon, das wurde dann aufgeröstet oder ein Brötchen getoastet oder Wurst warm gemacht, dann setzte er sich meistens dazu.”