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Samstag, 28. Februar 2015
Rikyū (II)

Rikyu wollte als tonangebender Teemeister Japans in diametralem Gegensatz zur Prunkentfaltung des Adels eine Teezeremonie pauvre. Sein aus den Zen-Schulen der vorangegangenen Higashiyama-Kultur mitgebrachter Schlüsselbegriff wabi bezeichnet ursprünglich nichts anderes als Armut und daraus gewonnene Schlichtheit. Nach dem Geheimnis des Tees befragt, gab Rikyu zur Antwort:
‟Der Weg des Tees ist der folgende: Du kochst Wasser, dann machst du Tee und trinkst ihn.”

‟Als Wabisukisha – Teeliebhaber im Sinne des Wabi”, schrieb Yasushi Inoue 1981 in seinem biographischen Roman über Rikyu (Der Tod des Teemeisters), ‟bezeichnet man einen Mann, der nichts besitzt, jedoch über drei Eigenschaften verfügt: innere Entschlossenheit, Schaffenskraft und künstlerische Fähigkeit.”
An innerer Entschlossenheit fehlte es Rikyu wahrlich nicht. Im Oktober 1587 wollte Hideyoshi als Triumphfeier für seine Eroberung der Insel Kyushu an dem altehrwürdigen Kitano-Schrein in der kaiserlichen Residenz Kyoto eine große öffentliche Teezeremonie mit Teilnehmern aus allen Ständen seines Reichs zelebrieren. Für sich selbst ließ er angeblich ein Teehaus aus Gold errichten; sein Teemeister Rikyu stellte daneben für seine eigene Zeremonie eine strohgedeckte Hütte. Verärgert ließ der Kanpaku das für zehn Tage anberaumte Fest nach dem ersten Tag abbrechen.

Das kostbare chinesische Porzellan war Rikyu für die Teezeremonie im Geist des Wabicha zu prunkvoll und überladen. Er wollte schlichtere Gefäße, die die natürliche Schönheit ihres Materials formvollendet herausstellen sollten. In seinem Buch Wabi - Sabi - Suki. The Essence of Japanese Beauty beschreibt der Autor Itoh Teiji die Ästhetik des Wabi wie folgt:
‟The refined and elegant simplicity achieved by bringing out the natural colours, forms, and textures inherent in materials such as wood, straw, bamboo, clay, and stone, as well as in artifacts crafted from them like earthenware, tile, handmade paper, and lacquer ware, and in textile fibres like hemp, cotton, or silk – this is the core of Wabi. Wabi may describe beauty in nature untouched by human hands, or it may emerge from human attempts to draw out the distinctive beauty of materials.”
Um dies zu erreichen, bedurfte es eines speziellen ästhetischen Blicks, den Rikyu und seine Nachfolger mit dem Wort suki (sublimer Geschmack, eigtl.: mögen, lieben) bezeichneten und den Teiji so umschreibt:
‟Originally expressing attraction, fascination and curiosity, Suki is aesthetic adventure beyond conventional standards; delight in the unusual, curious or idiosyncratic. Initially, Suki seems to have expressed an idea of beauty that was heretical and unorthodox. The shogun Ashikaga Yoshinori (1399-1441) was a patron of the arts known for his revolt against old and established aesthetic rules. His salon was receptive to bold and new ideas that were to become firmly established in the sixteenth century as what we might describe as ‘subtle elegance’.”
Rikyu brachte einen aus China (oder Korea) eingewanderten Dachziegelbrenner namens Chojiro, der für einen Palast Hideyoshis arbeitete, dazu, für ihn von Hand (und nicht auf der Drehscheibe) eher grobe Schalen aus recht dickwandiger, roter oder schwarzer Keramik zu formen, denen man den Herstellungsvorgang in Form von eingebrannten Blattabdrücken und Rissen in der Glasur ansah, so daß jedes Stück ein Unikat darstellt. Diese Raku-Teeschalen sind heute unglaublich hoch gehandelte, fast unbezahlbar teure Sammlerstücke. Bei Rikyu bedeuteten sie gerade den Verzicht auf Prunk und waren Gegenstände von erlesener Schlichtheit, wie er sie überhaupt für die gesamte Teezeremonie und darüber hinaus für die ganze Lebensführung als Ideal ansah. Nach seiner Auffassung sollten vier Dinge jede Teezeremonie prägen: wa kei sei jaku – Harmonie, Respekt, Reinheit, Stille.
Alle vier Prinzipien wurden schließlich im Verhältnis zwischen dem Teemeister und seinem Fürsten empfindlich gestört.

Im Jahr 1588 ließ Hideyoshi den Abt des wichtigen Daitoku-Tempels in Kyoto in die Verbannung schicken. Am Abend vor dessen Abreise veranstaltete Rikyu im Teeraum von Hideyoshis neuem Palast Jurakudai eine Abschiedszeremonie für Abt Kokei. Zur Dekoration des Raums ließ er eine Kalligraphie mit einem Gedicht des chinesischen Zenmeisters Kido aus dem Besitz Hideyoshis aufhängen. Es lautet:

Blätter fallen von den Zweigen,
Die Luft im Spätherbst ist kühl und rein.
Der edle Gelehrte schickt sich an, den Zentempel zu verlassen.
Ihr, die in menschenleere Gegenden aufbrecht,
kehrt eilends zurück,
und erzählt uns, was Euer Herz im Innersten bewegt.

Größer konnte eine Brüskierung des allmächtigen Regenten wohl nicht ausfallen.

Hideyoshi verbarg seine Verärgerung hinter einem undurchdringlichen Gesicht und besuchte weiterhin die Zeremonien, die sein Teemeister für ihn abhielt. Nach Inoues feinem japanischen Gespür für Psychologie spielte sich jedoch bei jeder Zeremonie – so formvollendet und äußerlich beherrscht sie auch ablaufen mochte – ein stiller Kampf zwischen den beiden ab. In seinem Roman läßt er Meister Rikyu einmal von einer Teezeremonie mit einem andern Würdenträger berichten, ‟der seinen Tod für das kommende Jahr voraussah”. ‟Ich, der Gastgeber, war zwar fünf oder sechs Jahre älter, aber mit meinem Gast konnte ich mich nicht messen.”
Mit dem Taiko Hideyoshi konnte er es, besonders in seinem eigenen bescheidenen Teehaus, das nicht größer war als anderthalb Tatamimatten. ‟In einem engen Raum findet immer ein Kampf statt”, erklärt Rikyus Schüler, der Samurai Oda Uraku. ‟Man kann es nicht verhindern, den Tod herauszufordern. – Sooft der Großfürst zu Rikyu ins Teehaus kam, Dutzende, vielleicht Hunderte von Malen, forderte er den Tod heraus [...] Vielleicht wollte der Großfürst einmal in seinem Leben demjenigen den Tod verkünden, der ihm das antat.”
Zwei Jahre später war es so weit. Am 13. Februar 1591 schickte Hideyoshi Rikyu den Befehl, sich in seine Heimatstadt Sakai in die Verbannung zu begeben. Welche Anklage diesem Urteil zugrunde lag, weiß man nicht genau. Es gibt darüber verschiedene Annahmen, Gerüchte, Spekulationen. Inoues Erzähler lehnt die meisten von ihnen als abwegig und haltlos ab. Für das Verbannungsurteil mag man noch gelten lassen, daß sich der in seinem Innersten doch leidenschaftliche Rikyu vielleicht zu einer kritischen Bemerkung über den von Hideyoshi geplanten größenwahnsinnigen Feldzug zur Eroberung Chinas mit vorhergehender Unterwerfung Koreas hatte hinreißen lassen. Genug für den Tatbestand des Hochverrats. Das würde gut zu Rikyus Reihe von versteckten kritischen Äußerungen, etwa anläßlich der Verbannung von Kokei, passen. – Tit for tat, im stets auf symbolische Aspekte achtenden feudalistischen Japan wäre Rikyus Verbannung sicher als eine höchst passende (in der Sache vielleicht sogar zu milde) Bestrafung angesehen worden. Rikyu nahm das Urteil auch kommentarlos hin und begab sich umgehend nach Sakai.
Doch damit hatte es noch nicht sein Bewenden. ‟Ich glaube”, mutmaßt Inoues Erzähler, ‟als Meister Rikyu in Sakai war, kehrte sich das Verhältnis zwischen ihm und Hideyoshi sozusagen um. Nachdem der erste Zorn des Taiko sich gelegt hatte, wollte er Meister Rikyu womöglich wieder aus Sakai zurückrufen. Doch diesmal verweigerte Rikyu seinem Herrn den Gehorsam.
Damit fertigte er sich praktisch selbst das Todesurteil aus. Keine zwei Wochen nach seiner Verbannung erhielt Meister Rikyu aus Kyoto den Befehl, Seppuku zu begehen. Am Morgen des 25. Februar vor 424 Jahren schrieb er sein letztes Gedicht.

‟Ein Teemensch hat es wahrlich schwer”, heißt es im Roman. ‟Kaum hat er die Meisterschaft erreicht, muß er sich auch schon entleiben. Ohne Bauchaufschneiden kein Meister.”

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