Ein Land, in dem man seit ungefähr der gleichen Zeit durch Zurückhaltung und Bescheidenheit umgekehrt den Weg zu einer Verfeinerung einschlug, war Japan. Der Wegweiser hieß ursprünglich Yoshiro Sen, nahm den buddhistischen Namen Soeki an und erhielt schließlich den Namen Rikyū verliehen. Er stammte aus einer gutsituierten Kaufmannsfamilie in Sakai bei Osaka, zog es aber vor, sich von Zenmönchen in der sich damals von Sakai ausbreitenden Kunst ausbilden zu lassen, das Teetrinken auf zeremonielle Weise zu zelebrieren. Zu seiner ‟Zeit der streitenden Reiche” (Sengoku-Jahrhundert von 1477 bis 1573) kam es bei reichen Japanern in Mode, Freunde und Bekannte zum Teetrinken einzuladen, um ihnen in Form importierter kostbarer Porzellangefäße aus China den eigenen Reichtum vor Augen zu führen, wie es Reiche heute mit Haus, Auto, Boot tun. Solche Teezusammenkünfte wurden in immer feierlicherer Form veranstaltet, und es galt als vornehm, für die Teezeremonie (chanoyu) eigene Teemeister zu engagieren. Sen no Rikyu folgte allerdings dem strengen Weg des Zen: chazen ichimi: ‟Tee und Zen sind eins”, wurde aber doch zu einem gefragten Teemeister, der schließlich sogar Teezeremonien am Hof des Kaisers leitete. Dort beeindruckte er den damals mächtigsten Mann und Regenten (Kanpaku) Japans, den 15 Jahre jüngeren Warlord Toyotomi Hideyoshi. Dieser machte ihn zu seinem persönlichen Teemeister und bald Ratgeber auch in politischen Fragen, und er verlieh ihm den Namen Rikyu samt dem Titel Koji (Edler). Die beiden waren sich sicher in gegenseitiger Achtung zugetan, doch wie Hideyoshi seinen Weg des Schwerts zur Alleinherrschaft ging, folgte Rikyu dem Weg des Tees und seine Philosophie unterschied sich radikal von der seines prachtliebenden Herrn. Er war selbstsicher genug, dem Beherrscher des gesamten Inselreichs seine Sichtweise aufzuzwingen. Schon bald nach seiner Ernennung schrieb er in einem Gedicht, das man auch als subtile Drohung gegen wen auch immer verstehen kann:
‟Wenn Du den Weg des Tees nicht kennst, wird der Tee Dich austrinken.”
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