Freitag, 24. Oktober 2014
Alt, aber wie alt?
Ich finde Lewis-Williams’ daran anknüpfende Hypothesen hoch spekulativ und zugleich sehr interessant, doch ich kann nicht wissen, ob es zutreffend ist, den Neandertalern diese Abstraktionsfähigkeiten abzusprechen; nur, wenn sie notwendig sind, um überhaupt Abbildungen von realen Dingen zu malen und sie als solche zu erkennen, dann waren die vor mehr als 50.000 Jahren zeitgleich mit den Neandertalern lebenden Vorfahren der Aborigenes anatomisch und mental moderne Menschen und vermochten all das. Jedenfalls wenn man annimmt, daß sie zu so früher Zeit schon Bilder auf den Wänden von Felsüberhängen anbrachten. Bis dato sind die Datierungen früher australischer Felsmalerei nämlich noch keineswegs gesichert und über Zweifel erhaben, und die Datierung ein und desselben Bildes kann je nach untersuchendem Wissenschaftler und angewandter Methode um etliche Jahrtausende auseinanderliegen. Nachdem man sie lange Zeit überhaupt nicht beachtete, ist das Alter der frühen Felsmalereien der Aborigenes in den letzten Jahrzehnten fast inflationär immer weiter in der Zeit zurückverlegt worden.
Ein Beispiel aus einer sehr wichtigen Fundgegend:
Die Pilbara-Region im Westen des Kontinents und besonders die 260 km² große Burrup-Halbinsel weisen mit einer geschätzten Zahl von bald einer halben Million Felsritzungen die größte Konzentration von Petroglyphen aller ariden Regionen der Südhalbkugel auf und bilden eine ganz eigene, abgegrenzte Kunstlandschaft, die sich besonders durch Abbildung von Menschen und naturalistische Tierdarstellungen hervorhebt. In der Frage ihrer Datierung aber ist sich die Forschung noch höchst uneins. Bednarik (Australian rock art of the Pleistocene, in: Rock Art Research, 2010) will ihnen kein höheres Alter als 8000 Jahre zugestehen, Smith (The archeology of Australia’s deserts, 2013) datiert sie in die Übergangszeit zum Holozän zwischen 8-14.000 Jahre, K.J. Mulvaney dagegen behauptet in seiner PhD-Arbeit Murujuga Marni-Dampier petroglyphs von 2010, der quantitativ umfangreichsten Studie bisher, sogar ein Alter von 30.000 Jahren, was Smith wiederum stark bezweifelt und den ältesten Bildern ein Alter von höchstens 10.500 - 15.000 Jahren zubilligt.
‟So far, all attempts to date these engravings have been unsuccessful.”
Als ich jetzt im nördlichen Queensland, im Northern Territory und im Norden Westaustraliens vor diesen Felsbildern stand und etliche von ihnen selbst in Augenschein nehmen konnte, kamen mir einige Zweifel, ob diese relativ offen zutage liegenden Zeichnungen tatsächlich das mittlerweile angegebene Alter haben können. Sie sind ja nicht wie die jungsteinzeitlichen Malereien in Europa tief in Höhlen verborgen und vor Licht und Erosion geschützt, sondern beidem relativ ausgesetzt. Außerdem sind sie im Lauf der Zeit so oft mit jüngeren Darstellungen übermalt worden, daß man die verschiedenen Schichten m.E. kaum noch voneinander abheben kann. Mit dem bloßen Auge schon gar nicht. (Das belegt i.ü. wieder einmal die These, daß für die Künstler der Vorgang des Malens viel wichtiger war als das Produkt.)
Als ich vor diesen von Tierdarstellungen nur so wimmelnden Felswänden stand und die eingeborenen Führer von deren unfaßlich hohem Alter reden hörte, mußte ich immer wieder an eine Nebenbemerkung von Steve Tresize zurückdenken, der einmal fallen ließ, sein Vater, der Wiederentdecker von Laura und Jowalbinna, hätte beim abendlichen Fachsimpeln ‟added a few thousand years with every glass of Brandy he had.” – Es ist ein bißchen salopp ausgedrückt, aber es bestätigt ein wenig den Eindruck, den man bekommt, wenn man sieht, wie in Australien neuerdings mit den Jahrtausenden nur so herumgeworfen wird.
Ein Beispiel aus einer sehr wichtigen Fundgegend:
Die Pilbara-Region im Westen des Kontinents und besonders die 260 km² große Burrup-Halbinsel weisen mit einer geschätzten Zahl von bald einer halben Million Felsritzungen die größte Konzentration von Petroglyphen aller ariden Regionen der Südhalbkugel auf und bilden eine ganz eigene, abgegrenzte Kunstlandschaft, die sich besonders durch Abbildung von Menschen und naturalistische Tierdarstellungen hervorhebt. In der Frage ihrer Datierung aber ist sich die Forschung noch höchst uneins. Bednarik (Australian rock art of the Pleistocene, in: Rock Art Research, 2010) will ihnen kein höheres Alter als 8000 Jahre zugestehen, Smith (The archeology of Australia’s deserts, 2013) datiert sie in die Übergangszeit zum Holozän zwischen 8-14.000 Jahre, K.J. Mulvaney dagegen behauptet in seiner PhD-Arbeit Murujuga Marni-Dampier petroglyphs von 2010, der quantitativ umfangreichsten Studie bisher, sogar ein Alter von 30.000 Jahren, was Smith wiederum stark bezweifelt und den ältesten Bildern ein Alter von höchstens 10.500 - 15.000 Jahren zubilligt.
‟So far, all attempts to date these engravings have been unsuccessful.”
Als ich jetzt im nördlichen Queensland, im Northern Territory und im Norden Westaustraliens vor diesen Felsbildern stand und etliche von ihnen selbst in Augenschein nehmen konnte, kamen mir einige Zweifel, ob diese relativ offen zutage liegenden Zeichnungen tatsächlich das mittlerweile angegebene Alter haben können. Sie sind ja nicht wie die jungsteinzeitlichen Malereien in Europa tief in Höhlen verborgen und vor Licht und Erosion geschützt, sondern beidem relativ ausgesetzt. Außerdem sind sie im Lauf der Zeit so oft mit jüngeren Darstellungen übermalt worden, daß man die verschiedenen Schichten m.E. kaum noch voneinander abheben kann. Mit dem bloßen Auge schon gar nicht. (Das belegt i.ü. wieder einmal die These, daß für die Künstler der Vorgang des Malens viel wichtiger war als das Produkt.)
Als ich vor diesen von Tierdarstellungen nur so wimmelnden Felswänden stand und die eingeborenen Führer von deren unfaßlich hohem Alter reden hörte, mußte ich immer wieder an eine Nebenbemerkung von Steve Tresize zurückdenken, der einmal fallen ließ, sein Vater, der Wiederentdecker von Laura und Jowalbinna, hätte beim abendlichen Fachsimpeln ‟added a few thousand years with every glass of Brandy he had.” – Es ist ein bißchen salopp ausgedrückt, aber es bestätigt ein wenig den Eindruck, den man bekommt, wenn man sieht, wie in Australien neuerdings mit den Jahrtausenden nur so herumgeworfen wird.
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