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Dienstag, 21. Januar 2014
Stile eines Jahrzehnts











Arno Schmidt ist zweifellos einer der radikalsten Vertreter der deutschen Trümmerliteratur gewesen. Er hat sich auch nie gescheut, die “Nessel Wirklichkeit fest an[zu]fassen; und uns Alles [zu] zeigen: die schwarze schmierige Wurzel; den giftgrünen Natternstengel; die prahlende Blume(nbüchse).” So wie er es im Leben eines Fauns in den frühen Fünfzigern programmatisch erklärte, hat er es in seinen Erzählungen auch gehalten. Kaum einer hat die beengten und beengenden Verhältnisse in den ärmlichen Flüchtlingsunterkünften nach dem Krieg nacherlebbarer festgehalten als er (Brand’s Haide, 1951, Die Umsiedler, 1953), kaum einer auch die geistige Enge der Wiederaufbauzeit (Das steinerne Herz, 1954, Seelandschaft mit Pocahontas, 1955) präziser wiedergegeben. Seine Kurzromane wirken wie unmittelbar aus der damaligen Wirklichkeit gestanzte Momentaufnahmen; Ausschnitte, ja, aber repräsentative: so hat man damals geredet und gedacht.

“Die Aufgabe eines Dichters als Beobachters und Topographen aller möglichen Charaktere und Situationen wäre doch wohl unter anderem auch, diese dann darzustellen wie solche wirklich sind; und nicht wie sie sich etwa den im CVJM vereinigten Gemütern malen mögen!” (Das steinerne Herz)

Sicher hat Schmidt häufiger als die oberen Teile der Pflanze Wirklichkeit die schmierige Wurzel beschrieben, denn da unten lebte er selbst. Im Jahr ‘54, in dem Das steinerne Herz erschien, notierte seine Frau in ihrem Tagebuch, der Leviathan habe sich im ersten Halbjahr 26 mal verkauft, Brand’s Haide 25 mal und der Faun 92 mal. “Ergibt 110,58 DM Halbjahresverdienst am Bücherverkauf”. Davon konnte man selbst in zwei Zimmern in einem Kaff wie Kastel an der Saar keine großen Sprünge machen. Als es den Verkauf eines neuen Manuskripts zu feiern gab, gönnten sich die Schmidts eine Urlaubsreise: 5 Tage am Dümmer. (Und natürlich mußten die anschließend gleich zu einer neuen Geschichte verarbeitet werden, der Seelandschaft mit Pocahontas.) – Those were the days.








Doch weiter oben erblühte allmählich auch die prahlende Blume der späteren Fünfziger Jahre, eine Ära, die es verständlicherweise liebte, nach den gräßlichen Jahren in Feldgrau und den umgefärbten und umgeschneiderten Uniformteilen danach, aus dem Staub und Dreck der Trümmer und Ruinen endlich wieder etwas Glanz, Farbe, Eleganz und Glamour entfalten zu können. In kleinem Maßstab zunächst, natürlich; später dann in Wirtschaftswunderzeiten zunehmend auch protzig. Da kippte es dann schon wieder um, wurde richtig geschmacklos. Aber davor, als der Stil noch davon geprägt war, die Reste des falschen, pathetischen Pomps aus dem Dritten Reich abzuschlagen, von den Fassaden ebenso wie von der Sprache, da sind sehr schöne sparsame Typen und schlanke und leicht schwingende Linien entworfen worden.
Mir gefällt etwa, wie man das im Corporate Design der Münchner Kongress Bar nachempfunden hat. Und erst die reduzierten Linien von Gruau! Drei Striche, drei Farben: Weiß, Schwarz, Rot, und grazile Eleganz oder laszive Sinnlichkeit treten lockend hinter einem halb geöffneten Vorhang hervor.

René Gruau, der Modezeichner, ohne den der Erfolg von Dior, Chanel und anderen undenkbar ist, denn Fotografen waren damals bei den Laufstegpräsentationen der jeweils neusten Kollektionen strikt ausgesperrt; zu große Angst mußten die Modeschöpfer damals noch vor den Schneider- und Kopierfähigkeiten der Frauen haben. Für die Modemagazine hielten daher Zeichner wie Gruau die wesentlichen Merkmale der neusten Mode in schnell hingeworfenen Skizzen fest.
Gütiger Himmel, was für Kleider konnten die Frauen damals tragen! Ja, ja, natürlich denke ich an Audrey Hepburn im New Look, woran sollte man dabei auch sonst denken können? Aber sie war ja nicht die Einzige. Hat man etwa je eine kessere Nase gesehen als die von Suzy Parker? Wies sie nicht dieselbe schwungvoll nach oben weisende Linie auf wie die Kleider, die sie trug? Das Chanel-Gesicht der 50er war bei weitem nicht nur vor der Kamera gut. Hier eine Aufnahme, die sie 1954 von ihrer älteren Schwester Dorian Leigh machte, Truman Capotes Muse und Vorbild für seine Holly Golightly.

Quelle für dieses und die folgenden Fotos: everiday_i_show
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Suzy Parker, 1953, Foto: Georges Dambier Suzy Parker, 1952, Foto: Georges Dambier
Dorian Leigh (1946) und Barbara Mullen (1957) Fotos: Roger Prigent, 1953, 1957

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