Die Werke von Samuel Beckett rutschen anscheinend mehr und mehr dem Vergessen entgegen, in dem viele seiner Figuren am liebsten endlich versunken wären.
Warten auf Godot taucht vielleicht noch hin und wieder auf dem Spielplan irgendeines Stadttheaters zwischen Anklam, Olpe und Sindelfingen auf, gedruckt steht es ungefähr auf Platz 40.000 der Amazon-Verkaufsliste, Murphy auf Rang 72.400, Watt auf Platz 413.000.
Aber vielleicht ist es zu früh, Beckett, den “Schriftsteller der Hoffnungslosigkeit” (A.Alvarez) endgültig abzuschreiben. Es könnte Anlaß für die sehr beckettsche, nämlich absurde Hoffnung bestehen, daß eine Wiederentdeckung seiner Werke als “radikalster literarischer Ausdruck des gegenwärtigen Weltzustands” (Adorno) noch einmal kommen wird bzw. bereits “draußen vor der Tür” steht und wartet.
Adorno (“Der Theodor, der Theodor...”) hat in seinen Noten zur Literatur unter dem gestelzten Bombast seines idiosynkratischen Jargons sich nicht entschlagen, manches Gescheite zu Beckett und dem Endspiel zum Besten zu geben. Sehr eindrücklich treffend erscheint mir z.B. seine Charakterisierung von Becketts Figuren als “Fliegen, die zucken, nachdem die Klatsche sie schon halb zerquetscht hat. – Die ganz auf sich zurückgeworfenen Subjekte... bestehen in nichts anderem als den armseligen Realien ihrer zur Notdurft verhutzelten Welt.”
“Bedeuten? Wir, etwas bedeuten?” fragt Clov im Endspiel und lacht. “Der war gut.”
Dazu Adorno: “Die individualistische Position gehörte zum Existentialismus. – Beckett verläßt sie wie einen altmodischen Bunker. Nirgendwo empfing die individuelle Erfahrung in ihrer Enge und Zufälligkeit die Autorität, sie selbst als Chiffre des Seins auszulegen.
Was aus dem Absurden wird, nachdem die Charaktere des Sinns von Dasein heruntergerissen sind, das ist kein Allgemeines mehr – dadurch würde das Absurde schon wieder Idee – sondern trübselige Einzelheiten, die des Begriffs spotten, eine Schicht aus Utensilien wie in einer Notwohnung. – Alles wartet auf den Abtransport.
Geschichtlich sind Becketts Urbilder auch darin, daß er als menschlich Typisches einzig die Deformationen vorzeigt, die den Menschen von ihrer Gesellschaft angetan werden.
Das Endspiel schult für einen Zustand, wo alle Beteiligten, wenn sie von der nächsten der großen Mülltonnen den Deckel abheben, erwarten, die eigenen Eltern darin zu finden.”
“Clov: Da ist jemand!
Ham: Geh ihn ausrotten.”
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