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Sonntag, 19. August 2012
Sage vom Zittern des Schilfs


Schildbewehrt den Weg durch die Thermopylen versperrend? - So mag eine unbewegte Wand aus hohen Halmen mit scharfen Blätterschneiden wirken. Aber packt nur einmal der Wind hinein, aus dem nachgiebigsten Element überhaupt, aus Luft, dann wird das Schilf schnell zum sprichwörtlichen Rohr im Wind.

“Es müßte eine Sage über das Zittern des Schilfs geben. Es sind nicht viele Dinge in der Natur zu finden, die dem menschlichen Auge erstaunlicher scheinen. Es ist eine vielsagende Pantomime des Schreckens. Zu sehen, wie eine so große Zahl verängstigter Kreaturen in jedem Winkel des Ufers Schutz sucht, genügt, um einen dummen Menschen zu beunruhigen. Vielleicht haben sie nur Schüttelfrost, was kein Wunder wäre, da sie hüfttief im Fluss stehen. Oder sie haben sich womöglich nie an die Geschwindigkeit und Wildheit der Flussströmung gewöhnt oder an den Zauber der endlosen Fülle. Pan musizierte einst auf ihren Vorfahren, und so, durch die Hände des Flusses, spielt er immer noch... dieselbe liebliche wie schrille Melodie, um uns von der Schönheit und den Schrecken der Welt zu erzählen.
Die Schilfrohre könnten als Warnung mit ihren Köpfen nicken und mit zitternden Gesten erzählen, dass der Fluss ebenso grausam sei wie stark und kalt, dass der Tod in dem Strudel unter der Weide lauere. Doch die Schilfrohre mussten auf ihren Plätzen stehen bleiben, und jene, die stillstehen, sind immer furchtsame Ratgeber.”

[R.L. Stevenson: Das Licht der Flüsse, S. 66f.]

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