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Freitag, 29. April 2011
Fundstücke in Las Teresitas
Es soll Leute geben, die des Badens wegen nach Teneriffa fliegen. Fahrtenbuch berichtete darüber. Wie dort zu sehen, sind weite Abschnitte der Küste jedoch spitzfelsig zerklüftet und auch wegen der oft heftigen Brandung kaum zum Baden geeignet. Die Sandstrände bestehen alle aus schwarzem Lavasand und wirken durch diese Schwärze nicht sonderlich einladend. Auf mich entfalten sie etwa den gleichen Anheimelungsgrad wie eine Abraumhalde neben Zeche Auguste Vicoria oder Schlägel & Eisen. Doch es gibt eine Ausnahme, den Strand von Las Teresitas, nur zwanzig Minuten mit dem Linienbus von der Innenstadt von Santa Cruz entfernt. Der in einem warmen Goldton schimmernde Sand dort ist, natürlich auf den ersten Blick ersichtlich, ein übles Relikt des Kolonialismus. Noch kurz vor dem Ende ihrer Kolonialherrschaft über Rio de Oro und Westsahara haben die Spanier nämlich den Sahrauis das gestohlen, was ihnen am kostbarsten war: Wüstensand. Den entführten sie in Schiffen übers Meer und schütteten ihn in Las Teresitas an. Durch eine steinerne Mole vor dem gefräßigen Ozean geschützt, breitete er sich noch immer einladend in der Bucht aus, deren schön gerundete Halbmondform das Insignium des saharischen Islam zeigte. - So kolonisieren die Besiegten die Sieger.
Ich schmiegte mich hinein, streckte mich behaglich aus und schlug ein Buch auf. Jünger, wiedermal. Am 25. Januar 1977 hatte er Las Teresitas gegenüber in Agadir in sein Tagebuch notiert: "Ein Bad im Schwimmbecken des Salam. Schöne Mädchen aus Finnland sonnten dort ihre Brüste – ein angenehmer Anblick, der noch im vorigen Jahre nicht gewährt wurde."



Da war der Kerl 81 Jahre alt, und sollte noch volle zwanzig Jahre bei guter Gesundheit vor sich haben.
Ich hob den Blick über das Buch und sah das Gleiche wie damals Jünger. Die Bademode hatte sich auch in Spanien seit der Zeit meiner eigentlichen Reiselektüre entwickelt. Der niederrheinische Vigoleis hatte in der Zeit seines mallorquinischen Aufenthalts in der ersten Hälfte der 1930er Jahre noch ganz andere Sitten gesehen: "Vergesse der Leser nicht, daß wir uns in Spanien befinden, wo die Frauen mit ihrer Leibesschönheit geizen."
Nein, nein, hier und heute geizten die Frauen ebensowenig wie sintemalen in Agadir. Doch auch der lebenslustige Greis hatte seine Augen hin und wieder abwenden und landeinwärts blicken können.
"Die Hotelkette breitet sich dort mit erschreckender Geschwindigkeit aus. – Man sieht phantastische Landschaften voraus: die Große Deponie."
Die Große Deponie. Da hatte er mit seinem klassifizierenden Blick wieder einmal den "Typus" in einen Begriff gefaßt, der sich auf all diese Orte treffend anwenden läßt, ob Agadir, Puerto de la Cruz oder irgendein anderes der beliebig aufzählbaren Betonbettengebirge hinter den Badestränden dieser Welt.
Am folgenden Tag trug Jünger in sein Tagebuch Siebzig verweht ein:

"Alle Ansprüche sind unglaubwürdig geworden, sind nicht mehr zwingend – jedenfalls für den intelligenten Einzelnen. Gerade wenn die allgemeine Freiheit schwindet, wächst ihm die eigene. Die Lage muß neu überdacht werden, hat man Götter, Staat und Gesellschaft hinter sich gebracht."

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