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Montag, 2. Mai 2011
Zerschossene Hände (1)

“Hier auf dieser Reede [vor Santa Cruz de Tenerife], als zwei Jahre vor unserer Ankunft die Engländer zu landen versuchten, riß eine Kanonenkugel Admiral Nelson den Arm ab (im Juli 1797).”
(Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents)

Es mag sich makaber anhören, doch ohne es beabsichtigt zu haben, reisen wir anscheinend häufiger auf den Spuren berühmter zerschossener Gliedmaßen. Hier vor Heiligkreuz erwischte es Nelson, an einem der Orte unserer Reisen im letzten Jahr einen noch viel Berühmteren.
Rückblende: Griechenland, Meerenge von Nafpaktos.




Hier saßen wir am Jahrestag der Seeschlacht mit den meisten an einem Tag Gefallenen der Geschichte und blickten auf das “Schlachtfeld” hinaus. Da draußen waren an einem einzigen Tag, dem Tag von Lepanto, 38.000 Tote im Wasser versunken.
Anfang August des Jahres 1571 hatten die Türken endgültig das bis dahin venetianische Zypern erobert. Die Flotte der zu seiner Verteidigung geschlossenen Heiligen Liga aus Papst, Spanien, Venedig und Genua kam zum Entsatz von Famagusta zu spät, sollte aber die osmanische Flotte zerstören, bevor sie in die Adria vordringen konnte.
Zwei Jahre vorher war ein einundzwanzigjähriger spanischer Student namens Miguel de Cervantes Saavedra vor einer Strafverfolgung nach Rom geflohen und hatte sich dort als Kammerdiener eines Kardinals verdingt. Sonderlich gefallen hat ihm der Dienst anscheinend nicht, denn er ging noch im gleichen Jahr in das zu Spanien gehörende Neapel und trat dort in das Regiment "Infantería Maria" ein. 1571 tat er Dienst an Bord der Galeere Marquesa, die mit der Flotte der Liga unter unter dem Kommando Johanns von Österreich, einem illegitimen Halbbruder König Philipps II. und mit 24 Jahren “Generalkapitän der Meere”, von Messina Richtung griechische Küste auslief. Nach langem Belauern wurde eine osmanische Flotte aus 200 Galeeren und 120 kleineren Schiffen am 7. Oktober 1571 in der Meerenge von Lepanto (heute Nafpaktos) von den 200 Galeeren und sechs der neu entwickelten schweren Galeassen der Liga gestellt und in einer heftigen, fünfstündigen Schlacht vernichtet. Cervantes, der ein Enterboot kommandierte, erhielt in den Gefechten von Schiff zu Schiff zwei Musketenkugeln in die Brust, eine dritte zerschmetterte ihm die linke Hand. Zeit seines Lebens betrachtete er seine Verletzungen, die ihm den Beinamen eines "Krüppels ohne Fehl" eintrugen, mit mehr Stolz als seine Bücher. "Diese Verstümmelung", schrieb er über sich selbst in seiner Vorrede zu den Exemplarischen Novellen, "erachtet er trotz ihrer scheinbaren Häßlichkeit für schön, weil er sie davontrug aus der denkwürdigsten und erhabensten Begebenheit, die verflossene Jahrhunderte nie zu sehen bekamen und zukünftige nicht zu sehen erwarten dürfen."
Ein Cervantes glaubte, er habe als Soldat mehr geleistet, worauf er stolz sein könne, denn als Autor des Don Quijote.

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