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Freitag, 22. April 2011
Themis
Aus frühen Wolken erstand ein strahlender Morgen; gut für unser Vorhaben. Von der Universität oben in La Laguna, unserem Treffpunkt, wollten wir hinauf zum Kraterrand der großen Caldera am Teide. Die Straße führte erst durch Gärten und Plantagen, dann durch grüne Wälder; Mischwald zuerst mit vielen Eukalyptusbäumen, deren helle Stämme ich sehr mag. Die Sonne glitzerte immer wieder zwischen den Bäumen hindurch. Dann hohe Kiefern, dicht an dicht. Die Straße zog sich in vielen Kurven und bald auch engen Kehren hindurch, weil es permanent höher ging. Zur Linken, also auf der Ostseite, fiel das Gelände zunehmend steiler ab, so daß die Bäume nicht mehr so dicht stehen konnten. Es öffneten sich Durchblicke, und wir sahen, wie tief die Ortschaften und die Küste schon unter uns lagen. Auf 1900 Metern wie mit dem Messer gezogen: die Baumgrenze. Von da ab nur noch vereinzelte Macchiasträucher auf ockerfarbenen und eisenoxydroten Aschefeldern. Wir befanden uns in Wurfweite des Vulkans.




Es folgten Ravinen in weichen Tuffschichten, die wieder auf Asche aus anderen Ausbrüchen auflagen. Die Straße schnitt durch sie hindurch. Höher hinauf auf den ringförmigen Rand alter Krater. An einer Seite war er in einem gewaltigen Bergsturz weggebrochen. Da fiel die Wand fast senkrecht in die Tiefe. Wir bogen von der Straße in einen Seitenweg, der hinaus auf einen zwar breiten, aber zu beiden Seiten ausgesetzten Grat führte. Alte, teils von Flugsand überdeckte Schneefelder lagen noch neben der Straße. Vor uns nochmal ein Anstieg, und da oben standen sie, die blendend weißen Götzen eines neuen Sonnenkults. Der Himmel darüber von reinstem und klarstem Blau, obwohl weit unten - wir befanden uns inzwischen auf bald 2400 Metern Höhe - eine dünne Wolkenschicht trieb und den Blick auf das Tiefland, Küste und Meer verdeckte.



Humboldt hat auf dem Teide dasselbe gesehen und beschrieben:

“Wir beobachteten in der Dämmerung eine Erscheinung, die auf hohen Bergen häufig ist, die aber bei der Lage des Vulkanes, auf dem wir uns befanden, besonders auffallend hervortrat. Eine weiße flockige Wolkenschicht entzog das Meer und die niedrigeren Regionen der Insel unseren Blicken. Die Schicht schien nicht über 800 Toisen [1560 m] hoch; die Wolken waren so gleichmäßig verbreitet und lagen so genau in Einer Fläche, daß sie sich ganz wie eine ungeheure mit Schnee bedeckte Ebene darstellten. Die colossale Pyramide des Piks, die vulkanischen Gipfel von Lanzerota, Forteventura und Palma ragten wie Klippen aus dem weiten Dunstmeer empor. Ihre dunkle Färbung stach grell vom Weiß der Wolken ab.”

Themis

Über uns aber klare, dünne Luft und ein entsprechend transparentes Blau. Es war sofort ersichtlich, weshalb viele astronomische und solare Forschungseinrichtungen aus verschiedensten Ländern Europas ihre Beobachtungsstationen und Teleskope hier oben im Instituto de Astrofisica de Canarias am Rand des Teide errichtet hatten. Links stand das deutsche Observatorium, rechts das französisch-italienische: THEMIS: Télescope Héliographique pour l'Etude du Magnétisme et des Instabilités Solaires.
"Tochter des Uranos und der Gaia, also aus dem Geschlecht der Titanen. Zeus' zweite Gattin, die ihm die Horen und die Moiren gebar." - Damit hätte ich ehrlich gesagt mehr anfangen können. Aber hier erwartete uns ja gerade ein kurzer, erster Einblick in einen Wissenschaftsbereich, von dem ich so viel verstand wie ein Australopithecus vom Internet.

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