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Montag, 11. April 2011
Mutige Isländer
Am Wochenende ging ein Sturm über Island. Mit fast 160 km/h fegten in einem Orkan Schnee- und Regenböen über die Insel hoch oben im Atlantik. Selbst die Nationalstraße 1 mußte gesperrt werden, Flugzeuge konnten nicht starten und blieben am Boden, von den Hangars am Flughafen und etlichen Häusern wurden Dachbleche weggerissen, Bäume wurden entwurzelt, Autos beschädigt.
Das Unwetter konnte die Isländer aber nicht davon abhalten, ihre Wahllokale aufzusuchen, denn ihr Präsident hatte ihnen durch sein Veto gegen einen Regierungsbeschluß zum zweiten Mal die Gelegenheit eröffnet, in einem Referendum über die von Großbritannien und den Niederlanden geforderte Rückzahlung von annähernd 4 Milliarden Euro Schulden abzustimmen, die die 2008 zusammengebrochenen isländischen Banken im Ausland hinterlassen haben. Es war den Isländern offenbar sehr wichtig, zu dieser Frage ihre Stimme abzugeben; die Wahlbeteiligung lag bei über 75%. Auch wenn die inzwischen ausgehandelten Bedingungen für eine Rückzahlung erheblich günstiger waren als zu Beginn, stimmten fast 60% des Wahlvolks erneut mit einem glasklaren Nein.

Der kundige Nordeuropa-Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Hans Gamillschegg, kommentiert das heute so:

“Ein mutiges Volk, diese Isländer! Zum zweiten Mal schon haben sie nun allen Sturmwarnungen getrotzt und ein Abkommen zur Schuldentilgung verworfen, das sie für ungerecht halten – ungeachtet der Unkenrufe, dass sie dies eine lange Periode der Ungewissheit, möglicherweise viel Geld und letztlich die EU-Mitgliedschaft kosten werde. Das ist demokratisch erfrischend.
Dass nicht die Steuerzahler für das Versagen der Banken und die Gier der von hohen Zinsen gelockten Kunden aufkommen sollen, sehen sicher viele Menschen in anderen Ländern ebenso. Doch sie werden nicht gefragt. Es ist das Verdienst des isländischen Präsidenten Grimsson, das Referendum erzwungen zu haben.”

Und der Bundestagsabgeordnete der Linken, Andrej Hunko, der sich mehrfach mit Island befaßt hat, interpretierte das Abstimmungsergebnis in einer Pressemitteilung so:

"Bei dem Icesave-Streit geht es nicht primär um einen Streit zwischen Niederlande und Großbritannien einerseits und Island andererseits. Es geht um einen Konflikt zwischen öffentlichen Haushalten und privaten Gläubigerbanken. Das europaweit verbreitete Prinzip 'Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste' muss endlich durchbrochen werden.
Die meisten europäischen Staaten haben die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die öffentlichen Haushalte abgewälzt. Diese stehen nun unter massivem Konsolidierungsdruck, meist auf Kosten sozialer Errungenschaften. Es ist gut, dass die älteste kontinuierliche Demokratie Europas diese Frage per Volksabstimmung geklärt hat. Dem sollten die anderen europäischen Länder folgen."

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