Freitag, 2. April 2010
Bescheidenheit am Rhein. aus der immer wieder beliebten Reihe "Es war einmal"
Letztes Wochenende nach einiger Abstinenz also wieder einmal Bonn.
Georg Forster, dem wir ja diesmal entgegenreisten, faßte sich nach seinem seitenlangen Exkurs über die vulkanischen Gesteine oberhalb Andernach recht kurz: “Ich kann dieses Blatt, das ohnehin so viel Naturhistorisches enthält, nicht besser ausfüllen, als mit ein paar Worten über das schon vorhin erwähnte Naturalienkabinet in Bonn. Von der herrlichen Lage des kuhrfürstlichen Schlosses und seiner Aussicht auf das Siebengebirge will ich nichts sagen, da wir die kurze Stunde unseres Aufenthaltes ganz der Ansicht des Naturalienkabinets widmeten.”
Es folgen weitere Seiten mit naturwissenschaftlichen Betrachtungen und Spekulationen; darum: [schnipp]
Nur eine Generation, eine Revolution, ein Kaiserreich und eine Restauration später zog 1818 die neu gegründete Bonner Universität in das leerstehende Kurfürstenschloß mit der schönen Aussicht; und noch ein klitzekleines tausendjähriges Reichlein später stieg das inzwischen 2000 Jahre alte Römerlager Bonn zur Hauptstadt einer neu gegründeten Bundesrepublik auf. Der Schmäh über dieses “Bundeshauptdorf” am Rhein, nach dem die frühere westdeutsche Republik mittlerweile zunehmend benannt wird, ist, um im römischen Bild zu bleiben, Legion, und meinetwegen aus dem Blickwinkel eines ausländischen Diplomaten, der vorher vielleicht in Hauptstädten wie Paris, London oder Rom Dienst getan hatte, auch nachvollziehbar. Aber leben und studieren ließ sich im überschaubaren Bonn mit seinem milden Klima, der Hofgartenwiese, dem Rhein und dem (damals selbst im Playboy porträtierten) Melbbad ganz gut. Und eins hatte Bonn auch als Regierungssitz Berlin voraus: bauliche Bescheidenheit. Man vergleiche nur einmal die zurückhaltend schlichte Erscheinung des Bonner Kanzleramts, für das in der Ausschreibung städtebauliche Zurückhaltung und ein Verbleiben unterhalb der Baumgrenze vorgeschrieben wurden, mit dem postmodernen Monumentalismus der 465 Millionen Mark teuren Reichswaschmaschine in Berlin, die achtmal größer ist als das Weiße Haus in Washington. - Und da sagt man immer, “Wir sind wieder wer” sei der Slogan der Wirtschaftswunder-Republik gewesen.
Oder sehen Sie sich das nebenstehende Foto an. Können Sie sich vorstellen, da könnten eine Frau Merkel oder ein Herr Westerwelle wohnen? Bundeskanzler Erhard und FDP-Chef und Vizekanzler Mende konnten es. Erich Ollenhauer, Herbert Wehner oder Botschafter Karl Graf von Spreti taten‘s u.a. auch. Es zeigt ein Reihenhaus in der Bonner Reutersiedlung, die 1949 nach Gründung der Bundesrepublik eigens für Politiker und Bundesbeamte gebaut wurde.
Wenig später kam der Siedlungsbau auf dem bis dahin kaum erschlossenen Venusberg hinzu, und in diesen schmalen Reihenhäuschen wohnten dann bis zum Umzug nach Berlin nicht wenige Oberregierungsräte, Ministerialräte und -dirigenten. Die Villa von Willy Brandt während seiner Regierungszeit als Bundeskanzler steht fast ebenso unauffällig gleich um die Ecke. Aber Augenmaß und Selbstbescheidung sind wohl das Letzte, was man heutigen deutschen Politikern vorwerfen kann, und dementsprechend sieht es am Berliner Spreebogen aus.
Ich bin gern wieder einmal nach Bonn zurückgekommen. Aber, ohne allzugroße Wehmut sei auch das gesagt, die Bonner Zeiten sind nun mal vorbei.
Georg Forster, dem wir ja diesmal entgegenreisten, faßte sich nach seinem seitenlangen Exkurs über die vulkanischen Gesteine oberhalb Andernach recht kurz: “Ich kann dieses Blatt, das ohnehin so viel Naturhistorisches enthält, nicht besser ausfüllen, als mit ein paar Worten über das schon vorhin erwähnte Naturalienkabinet in Bonn. Von der herrlichen Lage des kuhrfürstlichen Schlosses und seiner Aussicht auf das Siebengebirge will ich nichts sagen, da wir die kurze Stunde unseres Aufenthaltes ganz der Ansicht des Naturalienkabinets widmeten.”
Es folgen weitere Seiten mit naturwissenschaftlichen Betrachtungen und Spekulationen; darum: [schnipp]
Nur eine Generation, eine Revolution, ein Kaiserreich und eine Restauration später zog 1818 die neu gegründete Bonner Universität in das leerstehende Kurfürstenschloß mit der schönen Aussicht; und noch ein klitzekleines tausendjähriges Reichlein später stieg das inzwischen 2000 Jahre alte Römerlager Bonn zur Hauptstadt einer neu gegründeten Bundesrepublik auf. Der Schmäh über dieses “Bundeshauptdorf” am Rhein, nach dem die frühere westdeutsche Republik mittlerweile zunehmend benannt wird, ist, um im römischen Bild zu bleiben, Legion, und meinetwegen aus dem Blickwinkel eines ausländischen Diplomaten, der vorher vielleicht in Hauptstädten wie Paris, London oder Rom Dienst getan hatte, auch nachvollziehbar. Aber leben und studieren ließ sich im überschaubaren Bonn mit seinem milden Klima, der Hofgartenwiese, dem Rhein und dem (damals selbst im Playboy porträtierten) Melbbad ganz gut. Und eins hatte Bonn auch als Regierungssitz Berlin voraus: bauliche Bescheidenheit. Man vergleiche nur einmal die zurückhaltend schlichte Erscheinung des Bonner Kanzleramts, für das in der Ausschreibung städtebauliche Zurückhaltung und ein Verbleiben unterhalb der Baumgrenze vorgeschrieben wurden, mit dem postmodernen Monumentalismus der 465 Millionen Mark teuren Reichswaschmaschine in Berlin, die achtmal größer ist als das Weiße Haus in Washington. - Und da sagt man immer, “Wir sind wieder wer” sei der Slogan der Wirtschaftswunder-Republik gewesen.
Oder sehen Sie sich das nebenstehende Foto an. Können Sie sich vorstellen, da könnten eine Frau Merkel oder ein Herr Westerwelle wohnen? Bundeskanzler Erhard und FDP-Chef und Vizekanzler Mende konnten es. Erich Ollenhauer, Herbert Wehner oder Botschafter Karl Graf von Spreti taten‘s u.a. auch. Es zeigt ein Reihenhaus in der Bonner Reutersiedlung, die 1949 nach Gründung der Bundesrepublik eigens für Politiker und Bundesbeamte gebaut wurde.
Wenig später kam der Siedlungsbau auf dem bis dahin kaum erschlossenen Venusberg hinzu, und in diesen schmalen Reihenhäuschen wohnten dann bis zum Umzug nach Berlin nicht wenige Oberregierungsräte, Ministerialräte und -dirigenten. Die Villa von Willy Brandt während seiner Regierungszeit als Bundeskanzler steht fast ebenso unauffällig gleich um die Ecke. Aber Augenmaß und Selbstbescheidung sind wohl das Letzte, was man heutigen deutschen Politikern vorwerfen kann, und dementsprechend sieht es am Berliner Spreebogen aus.
Ich bin gern wieder einmal nach Bonn zurückgekommen. Aber, ohne allzugroße Wehmut sei auch das gesagt, die Bonner Zeiten sind nun mal vorbei.
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