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Montag, 11. März 2013
Türen in die Vergangenheit. (Zypern, 2)


Abseits maroder Banken und russischen Schwarzgelds ist Zypern vor allem eins, eine Insel, die aus unglaublich weit in die Zeit zurückreichenden Sedimentschichten verschiedener Kulturen aufgebaut ist. Was oben auf der Oberfläche steht, kann man getrost weitgehend vergessen. Die Insel hat sich in beiden Teilen, dem türkischen wie dem griechischen, völlig dem Pauschaltourismus und dem Ausverkauf seines Grund und Bodens als Bauland für Ferienvillen von Engländern, Russen und neuerdings Chinesen verschrieben. (Dazu allgemein gerade ein aktueller Artikel im Guardian.)
Stößt man jedoch eine der schweren, alten Türen auf, wird es gleich chtonisch, geht es immer tiefer und tiefer hinab in vergangene Epochen, der Osmanen, der Kreuzritter, der Byzantiner, der Ptolemaier, der Griechen und der Perser und noch tiefer in die Bronzezeit, ja, bis zurück ins Paläolithikum.

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Sonntag, 10. März 2013
Wind trifft Insel (Zypern, 1)


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Freitag, 1. März 2013
es ist mal wieder so weit

aus: Seefahrerbuch des Piri Reis, 1521

“Comes over one an absolute necessity to move.”


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Donnerstag, 28. Februar 2013
JU-262 im Landeanflug

Wenn man den Landeanflug seiner Herzallerliebsten live im Internet beobachten möchte und dann auf dem Bildschirm so etwas miterlebt, möchte man doch augenblicklich das Notfalltelefon des Flughafens anrufen.
Erst kommt die Maschine quer über den Bildschirm und zu allen Landebahnen angeruckelt, rollt dann genau auf die vielbefahrene Autobahn zu und scheint schließlich auf einem der quietschnassen Äcker liegenzubleiben.
Zum Glück aber war der Pilot nicht so besoffen wie das Gerät, das so ungenaue GPS-Koordinaten an Flightradar24 meldet. Ich gucke mir keine Flüge von Bekannten mehr darauf an. Ist besser für die Nerven.

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Montag, 25. Februar 2013
Chinesische Verhältnisse in Griechenland

Die Frühlingsvisionen verfliegen spätestens beim morgendlichen Blick aus dem Fenster und in die Zeitung: Ein großes Unternehmen hat “gewerkschaftlich organisierte Hafenarbeiter durch Kontraktarbeiter ersetzt, die nur die Hälfte verdienen; es gibt keine Tarifverträge, auch keine berufliche Ausbildung, dafür aber reduzierte Rentenansprüche, kürzere Arbeitspausen und unbezahlte Überstunden. Beschäftigte, die gegen ihre unsicheren Arbeitsverhältnisse protestierten, wurden entlassen... Hunderte meist ungelernte Zeitarbeiter werden über einen Subunternehmer angefordert und nur Stunden vor ihrem Einsatz per SMS abgerufen.”

Noch ein Artikel zu amazon? Nein, keineswegs. Vielmehr ein Bericht im aktuellen Le Monde diplomatique über die Betriebspraktiken der staatseigenen China Ocean Shipping Company (Cosco) im Athener Hafen Piräus. Paradigmatisch belegt er, wie recht Blogger Kelly mit seiner generellen Einschätzung zu dieser Art skandalträchtiger Unternehmenspolitik hat:
“Die ist politisch gewollt und vom Wähler so abgenickt.”

Cosco wurde in der akuten Verschärfung der griechischen Krise 2008 von der damaligen griechischen Regierung mit Steuererleichterungen und Befreiung von Sozialabgaben förmlich eingeladen, brachial in Piräus einzusteigen. Der Deal war Teil der von der Troika geforderten Privatisierung von griechischem Staatseigentum. “In Piräus macht das Cosco-Management eigentlich nur das, was die beiden Hauptakteure der griechischen Politik verlangen: die mächtige Lobby der griechischen Reeder und die Troika”, resümiert der Artikel. Großunternehmer und die unheilige Allianz aus EU-Kommission, EZB und IWF sind die beiden Walzen der Mangel, durch die nicht nur Griechenland, sondern auch Menschen in anderen Ländern Europas derzeit systematisch gedreht und ausgequetscht werden.

Mal sehen, wie lange sie sich das noch gefallen lassen. In Portugal bringt das Volk den Ministerpräsidenten und andere Spitzenpolitiker bei öffentlichen Auftritten und im Parlament regelmäßig mit dem Revolutionslied "Grandola, Vila Morena" zum Schweigen: "Viele Hände, die sich fassen / Solidarität und Freiheit / geht der Ruf durch deine Straßen / gleich und gleich sind unsre Schritte".
Als nächste neoliberale Regierung ist gerade die in Italien gestürzt. Goldman-Sachs-Funktionär Monti wurde am Wochenende schallend abgewählt.

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Sonntag, 24. Februar 2013
Fata morgana im Schneeregen

Freitag war noch grandios: kalt, aber klar und sonnig. Nach Einbruch der Dunkelheit knipste jemand der üblichen Lichtverschmutzung über Holland zum Trotz sogar ein paar müde und kalt blinkende Sterne an. Im Licht der Straßenlaternen glitzerten auf dem Straßenbelag erste Eiskristalle auf. Doch die Herzogin ließ schon mit ihrer Miene keine Ausflucht zugunsten heimisch-heimeliger Gemütlichkeit am Kamin zu. Sie hatte schließlich Karten für ein Konzert besorgt. Und weder daß sie am nächsten Morgen zeitig zum Flughafen mußte noch eine frostige Winternacht waren da Grund genug, uns zuhause im Warmen bleiben zu lassen.
Als wir vor die Tür traten, hatte sich die Luft draußen mit Feuchtigkeit von der Nordsee richtig vollgesogen, und auf dem Fahrrad fühlte es sich an, als würde uns der böige Wind fortwährend in Eiswasser getränkte kalte Umschläge ins Gesicht klatschen.
Dafür durfte im “Trojanischen Pferd” zum Aufwärmen kräftig geschunkelt werden! So etwas wie eine Fortsetzung des niederländisch-rheinischen Karnevals mit Pedal-Steel-Guitar und Mariachi-Trompeten war im Gange. Oh boy, was ist denn aus Calexico geworden? Sind die in den letzten Jahren nur noch bei Country Festivals und Square Dance Jamborees aufgetreten? Nachdem sie bei Giant Sand ausgeschieden waren, haben Joey Burns & Co. doch durchaus ein paar ganz nette Lieder eingespielt, nichts Aufregendes aber ganz gut nebenher zu hören; doch was sie hier ablieferten, klang manchmal schon wie Jahrmarktsmusik. Da schrömmelten die Gitarren, schmetterten die Trompeten im höchsten Diskant und nagelte Schlagzeuger John Convertino im Zweivierteltakt Polkas und Pasodobles. Nur selten lief diese Sound factory zu guter Form auf. Ich begann schon bald, Kälte hin oder her, mich auf den Heimweg zu freuen. Das Quecksilber hatte sich draußen noch weiter zusammengezogen, der Hygrometerzeiger dafür kräftig Viagra eingeworfen.
Samstagmorgen lag Schnee, mittags taute er weg, Grauwetter, gemeiner Wind, schneidend aus Nord, kein Spaß, am Strand spazierenzugehen, mußte aber sein. Frontal anfliegende Schneekörner schlugen ins Gesicht. Heute morgen alles weiß, um Mittag dasselbe Tauspiel wie gestern, Regen, Schnee, Schneeregen, horizontal. Allein, mache ich endlich den Kamin an und gestatte mir, an den kurzen Ausflug in den Pariser Frühling zurückzudenken, wo leichte, bunte Kleider beschwingt durch sonnenwarme Mailuft tanzten. Ach ja...




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Donnerstag, 21. Februar 2013
D.H. Lawrence

Ich sage es gleich, ich halte nicht sehr viel von David Herbert Lawrence. Lady Chatterley’s Lover ist ein Schmachtschinken und seine Reisebücher, nun ja, die Etruscan Places habe ich irgendwann zur Seite gelegt, und in Sea and Sardinia geht mir der dauerexaltierte Ton auf die Nerven. Aufregung aber nicht aus Begeisterung, sondern aus Ablehnung. Man fragt sich, warum der Kerl, seine arme Frau im Schlepptau (eine entfernte Verwandte Manfred von Richthofens übrigens), überhaupt nach Sardinien gereist ist; und man findet eigentlich bloß die Antwort, weil er Sizilien, den Ätna und vor allem die Sizilianer noch schlimmer fand:
“das stumpfste Volk der Erde”, “bar jeden Gefühls”. Einerseits.
“So entsetzlich leibhaft miteinander. Da ergießt sich einer über den andern wie zerlassene Butter über Pastinaken.” Andererseits. Und wo Lawrence schon außer Rand und Band beim Verdammen in Bausch und Bogen ist, gleich auch Italien in toto:
“so sanftmütig wie gekochte Makkaroni.”

Sardinien gefällt ihm erst ab dem Augenblick, in dem er plötzlich zu erkennen meint: “das war Cornwall”.
Es geht doch nichts über merry old England. Wiedererkennen, anheimeln ist eben der höchste Genuß des Touristen. “Niagara? Hat mich gleich an unser Schaffhausen erinnert.” Man kennt solche Sprüche. “Et fählt bloß vom Balkon die Aussicht op dä Dom.”
Sardinien “war so ähnlich, daß meine alte Sehnsucht nach keltischen Landschaften in mir wach wurde... viel hinreißender, aufrührender als der liebliche Glanz von Italien”. Einerseits. Doch er liebt die “Rundungen” von Granit in den “keltischen Landschaften”, “und ich hasse die ausgezackte Dürre des Kalksteins”. Andererseits. Ja, was denn nun?
Die Emphase seiner Ablehnung läßt den Erzähler völlig widersprüchliche Urteile zusammenklauben, wie sie ihm impulsiv gerade einfallen, als wüßte er nicht mehr, daß er drei Seiten vorher genau das Gegenteil behauptet hat. Bei einem überlegten Schriftsteller ist solche Widersprüchlichkeit nicht unbeabsichtigt, sondern stilisiert, Stil und letztlich Pose: Seht her, was für ein komplexer, sogar in sich widersprüchlicher Geist ich doch bin!
In dieser Pose läßt sich Lawrence zu Sätzen hinreißen, die selbst in Anbetracht der anderen Zeitläufte, Ansichten und Redeweisen damals zwischen den Weltkriegen, den, der sie äußert und auch noch auf Papier druckt, auf ewig verdächtig machen. Vehement widerspricht er im Vorübergehen der Abschaffung der Todesstrafe: “ein großer Fehler.” “Wäre ich Diktator würde ich den Älteren sofort hängen lassen... weil der sichere Herzensinstinkt einen Mann als übel erkennt, würde ich diesen Mann vernichtet haben.” Lukaschenko & Spießgesellen könnten es nicht besser ausdrücken.
Aber wichtiger ist ihm eine andere, daraus resultierende Frage: Wo gibt es überhaupt noch Männer?

“Mit Schrecken begreift man, daß die männliche Rasse in Europa fast ausgestorben ist. Da gibt es nur noch Helden nach dem Vorbild Christi und Frauenverehrer wie Don Juan und gleichheitswütigen Barbaren. Den alten, harten, unzähmbaren, männlichen Schlag gibt es nicht mehr. Seine stolze Eigenheit wird erdrückt. Die letzten Funken verglühen in Sardinien und Spanien. Und übrig bleibt das Herden-Proletariat und die Herden-Gleichheit der Mischlinge”.

Das ist mir vielleicht ein Brüderle.

Nun könnte man diesen D.H. Lawrence natürlich einfach in die Literaturgeschichte entsorgen und dem großen Vergessen darin überlassen, wenn der Kerl nicht manchmal Sätze in den Raum stellte wie Monolithe. Da stehen sie so vollendet, daß man kein Jota daran ändern will und kann. Das merkt man spätestens, wenn man sie einmal mit ihren Übersetzungen vergleicht, wie es Hans-Ulrich Treichel in seinem Sardinien-Buch mit dem ersten Satz von Lawrence tut. “Es überkommt einen – man muß reisen”, hat Georg Goyert übersetzt. Das ist ein Satz, untadelig, aber kein Monolith. Das Original schlägt man auf, und da steht einleitungslos und herrlich anti-pascalsch:

“Comes over one an absolute necessity to move.”

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